Thomas Tuchel bleibt lediglich bis zum Sommer Trainer des FC Bayern München, möchte aber im Idealfall noch zwei Titel gewinnen. Ob diese Zusammenarbeit noch funktionieren wird? Mehrere Experten haben ihre Zweifel.

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Thomas Tuchel ist ein Trainer auf Zeit. Bis zum Sommer soll er den FC Bayern München noch trainieren, ehe die Zusammenarbeit ein Jahr nach Vertragsschluss ein Ende findet. Was er bis dahin noch erreichen möchte? "Wir spielen um zwei Titel, so unwahrscheinlich es sich aktuell anfühlt", sagt der 50-Jährige vor dem Heimspiel am Samstagabend gegen RB Leipzig (18:30 Uhr).

"Es ist nicht ohne Risiko, jetzt mit Thomas Tuchel weiterzumachen."

Didi Hamann

Der Sky-Experte Didi Hamann hat große Zweifel, dass der FC Bayern in dieser Konstellation erfolgreich sein wird. "Das Einzige, was die Bayern auf ihrer Seite haben, ist das Prinzip Hoffnung", sagt er gegenüber "Sky Sport News". Das Problem sei jedoch: "Wenn du im Spitzensport hoffst, dass die Dinge besser werden, ist das in den seltensten Fällen gutgegangen. Es ist nicht ohne Risiko, jetzt mit Thomas Tuchel weiterzumachen."

Zwar bestehe die Möglichkeit, dass "die Spieler sagen, okay, jetzt ist er weg, wir versuchen das gut zu Ende zu bringen. Nur die Gräben zwischen einigen Spielern und ihm sind so tief, da wird auch ein Weggang im Sommer nichts ändern". Hamann zweifelt zwar nicht an dem Siegeswillen der Bayern-Profis, aber: "Wenn du den Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft mit dem Trainer nicht hast, dann wird das nicht gutgehen."

Helmer hat Zweifel, Effenberg ist weniger pessimistisch

Auch der frühere Bayern-Spieler Thomas Helmer hat seine Zweifel. "Ich bin sehr skeptisch, ob eine weitere vernünftige Zusammenarbeit zwischen Thomas Tuchel und Teilen der Mannschaft funktioniert und tatsächlich bis Saisonende gutgeht", schreibt er in seiner kicker-Kolumne. "Für mich ist das Risiko eines sehr zähen Frühjahrs größer als die Chance, in dieser Konstellation sportlich die Wende zu schaffen."

Stefan Effenberg, der ebenfalls eine Vergangenheit beim FC Bayern hat, ist zumindest nicht ganz so pessimistisch. "Man kann darüber diskutieren, ob eine direkte Trennung nicht besser gewesen wäre", schreibt er in seiner t-online Kolumne. "Jetzt einen geeigneten Übergangstrainer zu finden, wäre aber auch nicht gerade einfach gewesen. Tuchel hat den inneren Ehrgeiz, die Saison jetzt noch so positiv wie möglich abzuschließen, mit dem größtmöglichen Erfolg. Dafür ist jetzt aber in erster Linie die Mannschaft zuständig. Die Spieler stehen in der Verantwortung und der Pflicht."

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Tuchel wird "etwas rücksichtsloser" sein

Tuchel kündigt an, seiner Arbeit als Trainer mit unveränderter Energie nachzugehen. "Wir lieben Fußball und das, was wir machen", sagt er und fügt in Anspielung auf die Trennung im Sommer hinzu: "Ob ich die Entscheidung nachvollziehen kann, ob ich diese gut finde, ob ich happy bin oder nicht – das spielt alles keine Rolle. Es gibt Klarheit. Und Klarheit bringt Freiheit."

Dies bedeute für ihn, dass er nun "etwas rücksichtsloser" sein könne. Seine Entscheidungen seien von nun an "von einer großen Freiheit geprägt. Man muss das nicht mehr abwägen, was das für eine Langzeitwirkung hat. Man kann das wie ein Pokalspiel coachen".

Soll wohl heißen: Auf die Stimmungslage der Spieler wird er keine Rücksicht mehr nehmen. Als die Frage gestellt wird, ob er einen Autoritätsverlust befürchte, weil sein Abgang feststehe, antwortet er: "Das würde mehr über den Spieler aussagen als über meine Autorität."

Die Beispiele Heynckes, Guardiola und van Gaal

Tuchel ist nicht der erste Bayern-Trainer, dessen Abgang im Voraus feststeht. Wie es danach für den Rekordmeister sportlich weiterlief, war von Fall zu Fall sehr unterschiedlich.

Im Januar 2013 erklärte Jupp Heynckes seinen Abschied vom FC Bayern, weil Pep Guardiola als Nachfolger verpflichtet wurde. Die Folge war eine überragende Rückrunde, die in drei Titeln (Meisterschaft, Pokal und Champions League) mündete. Allerdings wurde Spielern und Mannschaft damals ein sehr enges Verhältnis nachgesagt. Bei Tuchel gibt es zumindest Zweifel daran.

Ziemlich genau drei Jahre später teilte der FC Bayern nach einer überragenden Hinrunde unter Guardiola mit, dass der Trainer seinen Vertrag nicht verlängert und München nach Saisonende verlassen wird. Der FC Bayern gewann noch Pokal und Meisterschaft, scheiterte allerdings im Halbfinale der Champions League.

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Doch es gibt auch ein Negativbeispiel: Im März 2011 kündigte der FC Bayern an, dass der Vertrag mit dem damaligen Trainer Louis van Gaal (ähnlich wie jetzt bei Tuchel) vorzeitig und einvernehmlich zum Saisonende aufgelöst wird. Als Grund wurde eine unterschiedliche Auffassung über die strategische Ausrichtung des Klubs angegeben.

Eine Besserung trat danach nicht ein. Im Gegenteil: Der FC Bayern schied im Champions-League-Achtelfinale gegen Inter Mailand aus, rutschte außerdem in der Bundesliga auf den vierten Tabellenplatz ab. Nach einem 1:1 gegen den 1. FC Nürnberg erfolgte die sofortige Trennung.

Dies wäre ein Szenario, das sich bei Tuchel im Falle des Misserfolgs zumindest nicht komplett ausschließen lässt.

Verwendete Quellen

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