Frühere Triumphe der deutschen Nationalmannschaften hingen oft damit zusammen, dass die Spieler des FC Bayern München einen großen Block bildeten, eingespielt und erfolgreich waren. Das ist bei der Europameisterschaft offenbar anders. Wird das ein Nachteil sein?

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Über viele Jahre galt es praktisch als Grundregel, dass ein starker Block mit Spielern des FC Bayern München der deutschen Nationalmannschaft guttut. Als die DFB-Auswahl 2014 in Brasilien Weltmeister wurde, standen im Finale gleich sechs Spieler des FC Bayern in der Startelf – und zwar Manuel Neuer, Philipp Lahm, Jérôme Boateng, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos und Thomas Müller.

Der siebte Spieler des FC Bayern, nämlich Mario Götze, wurde später eingewechselt und schoss das entscheidende Tor. Die Stars aus München waren eingespielt und dominierten damals den europäischen Fußball. Nur ein Jahr zuvor gewannen sie das Tripple mit der Deutschen Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League. 2014 holten sie erneut Pokal und Meisterschaft.

Auch 1996, als die deutsche Nationalmannschaft zuletzt Europameister wurde, standen im Finale sechs Spieler vom FC Bayern in der Startelf. Sie wurden in der Saison zuvor zwar nicht Deutscher Meister, gewannen aber mit dem UEFA-Pokal den zweitwichtigsten Wettbewerb im europäischen Fußball.

Sechs Bayern-Spieler im Kader, nur drei haben wohl Stammplatz sicher

Vor der Europameisterschaft im eigenen Land ist die Situation eine völlig andere. Mit Neuer, Müller, Joshua Kimmich, Jamal Musiala, Aleksandar Pavlović und Leroy Sané befinden sich sechs Spieler im aktuellen Kader. Sie alle blicken auf eine titellose und somit enttäuschende Saison zurück.

Nur drei von ihnen haben wohl einen Stammplatz sicher. Gemeint sind Neuer, Kimmich und Musiala, die auch am Montag im Testspiel gegen die Ukraine (Endstand 0:0) in der Startelf standen. Auch wenn Nagelsmann bis zum März 2023 selber noch Vereinstrainer des FC Bayern war, werden deren Spieler nicht bevorzugt. Dies zeigt sich alleine schon daran, dass er Leon Goretzka nicht nominierte.

Nagelsmann legt keinen Wert auf den Bayern-Block

"Wir brauchen keinen Riesen-Block mit Spielern, die sich kennen", lautet seine Einstellung. Auch Müller sieht am bröckelnden Bayern-Block kein Problem. Wichtig sei, "dass hier Spieler ankommen, die Automatismen mitbringen und funktionieren – nicht um den reinen Bayern-Block. Diese Automatismen, die gerade bei Stuttgart, Leverkusen, Real Madrid oder Borussia Dortmund gut laufen, werden die Jungs dann auch hier mit hinbringen."

Ohnehin ist es laut Müller nicht immer ein Vorteil, wenn Spieler eines Vereins automatisch gesetzt seien: "2012 waren die Dortmunder in der Meisterschaft und im Pokal tonangebend und sind mit entsprechenden Erwartungen zur Nationalmannschaft gereist. Löw hat aber auch den Bayern-Spielern Vertrauen geschenkt. Da gab es stimmungsmäßig mehr Anspannung."

Das ist diesmal komplett anders. Nagelsmann sagte ganz offen, dass Müller "keiner sein wird, der die Spiele ständig von Anfang an bestreitet. Er wird einer sein, der reinkommt – ähnlich wie das auch bei Bayern zuletzt oft der Fall war." Der Routinier sei dennoch für das Mannschaftsgefüge wichtig: "Er ist ein Connecter, einer, der sehr viele Gruppen verbinden kann."

Angeschlagenem Sane droht die Joker-Rolle

Auch Sane könnte ein Spieler sein, der von der Bank kommt. Das liegt nicht nur an der Konkurrenzsituation in der Offensive mit Musiala, Florian Wirtz & Co., sondern womöglich auch an seinem körperlichen Zustand. Seit Monaten ist der Flügelspieler von Schambein-Problemen geplagt.

Im Interview mit dem "kicker" lehnt er eine Rolle als Joker zumindest nicht ab: "Ich würde über mich nicht sagen, dass ich so extrem lange benötige, um ins Spiel zu finden. Ich will der Mannschaft helfen, auch wenn es als Joker ist. Meine Erwartung an mich aber ist, von Anfang an auf dem Platz zu stehen."

Der Bundestrainer dämpfte die Hoffnung ein wenig. "Die Schambeinproblematik bekommst du so schnell nicht ganz weg. Da müssen wir schon steuern. Er wird sicherlich nicht jedes Spiel 90 Minuten machen können", sagte Nagelsmann. "Er hat Chancen, in die erste Elf zu rutschen, aber er muss schon trainieren, auch im Mannschaftstraining mitmachen"

Der 20-jährige Pavlovic, der der sechste Nationalspieler des FC Bayern ist, dürfte sich in die Rolle des Reservisten einfügen. Der defensive Mittelfeldspieler gab erst am Montagabend gegen die Ukraine sein Debüt. "Es war sehr schön, ich bin sehr stolz, es hat Spaß gemacht", sagte er danach.

Trotz seines jungen Alters bringt der defensive Mittelfeldspieler viel Ruhe am Ball und eine gute Passsicherheit mit. Er wäre als Einwechselspieler eine Option, wenn die Mannschaft in der Schlussphase einer Partie die Dominanz zu verlieren droht und mehr Spielkontrolle benötigt.

Fehleranfälligkeit von Neuer hat zugenommen

Und wie ist die Form der drei Bayern-Stars, die in der Startelf stehen dürften? Neuer kann noch immer auf Weltklasse-Niveau halten, ist aber fehleranfällig. Beim Champions-League-Rückspiel gegen Real Madrid, dem letzten Bundesligaspiel gegen die TSG Hoffenheim und auch im Testspiel gegen die Ukraine unterliefen ihm jeweils dicke Patzer. Letzterer wurde nur aufgrund einer Abseitsstellung nicht mit einem Gegentor bestraft.

Musiala hatte in den vergangenen Wochen mit einer Sehnenreizung im linken Knie zu kämpfen, konnte aber gegen die Ukraine die ersten 59 Minuten spielen. Er ist ebenso wie Wirtz von Bayer Leverkusen dazu in der Lage, mit seinen individuellen Fähigkeiten Spiele zu entscheiden. Kimmich ist als Rechtsverteidiger unverzichtbar, auch wenn er sich selber seit Jahren eher als defensiver Mittelfeldspieler definiert.

Weltmeister-Triumph 1990 gelang ohne Bayern-Block

Einen echten Bayern-Block mag es diesmal nicht auf dem Spielfeld geben. Allerdings muss das nicht immer ein Hindernis sein. Beim WM-Finale 1990 standen mit Klaus Augenthaler und Jürgen Kohler nur zwei Spieler des FC Bayern in der Startelf der deutschen Nationalmannschaft. Weltmeister wurden sie trotzdem.

Verwendete Quellen:

  • Kicker (46/2024): "Wir müssen diese Energie beschützen"
  • Pressekonferenzen der deutschen Nationalmannschaft

Dämpfer für DFB-Team: 0:0 gegen Ukraine

Die deutsche Nationalmannschaft hat vor der Heim-EM einen kleinen Dämpfer erlitten. Das Team von Bundestrainer Julian Nagelsmann musste sich elf Tage vor dem Eröffnungsspiel gegen Schottland gegen die Ukraine in Nürnberg mit einem Remis begnügen.
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