• Der FC Bayern siegt sich ebenso routiniert wie eindrucksvoll zur neunten Meisterschaft in Folge.
  • Was wie ein Pflicht-Titel aussieht, ist in dieser Saison aber weit mehr als das.

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Hansi Flick stand gerade in seiner Trainerkabine irgendwo im Bauch der Allianz Arena, als er zum zweiten Mal deutscher Meister wurde. Ein bisschen ungewöhnlich war das wohl schon, meinte Flick ein paar Stunden später: So ganz ohne eigenes Zutun einen Titel einzufahren.

Umso wichtiger war es ihm und seiner Mannschaft, diesen etwas schiefen Eindruck ganz schnell wieder geradezurücken. Anders kann man die fulminante 6:0-Packung gegen Borussia Mönchengladbach wohl nicht einordnen. Das letzte Wort, so will es das Gesetz, lassen sich die Münchener nämlich ganz ungern nehmen.

Flick: "Dieses Spiel war eines Meisters würdig!"

Die Ereignisse am Samstagnachmittag waren ein letzter Beweis dafür, dass genau diese Mannschaft diese Meisterschaft verdient hatte und niemand sonst. Die Bayern hätten es nach den erfreulichen Nachrichten auch ruhig angehen lassen können, Gladbach ein bisschen mitspielen lassen, vielleicht sogar einen Punkt oder sogar deren drei mit nach Hause nehmen lassen. Niemand hätte sich darüber beschwert, abgesehen von Bayer Leverkusen vielleicht.

Stattdessen überrollte der alte und neue Meister einen heillos überforderten Gegner und zeigte einmal mehr, aus welchem Holz diese Mannschaft geschnitzt ist. "Wir waren schon Meister - und trotzdem war jeder bereit, heute mehr als 100 Prozent zu geben", sagte Flick auf der Pressekonferenz nach dem Spiel. "Dieses Spiel war eines Meisters würdig!"

Turbulente Saison mit vorgezogenem Happy-End

Damit endet eine turbulente Saison mit einigen Tiefschlägen mit dem Pflicht-Titel doch noch sehr versöhnlichen. Und mehr noch: Angesichts der schlechten Rahmenbedingungen sollte man den Gewinn der Meisterschaft sogar noch ein bisschen höher hängen als einige andere Titel der jüngeren Vergangenheit.

Die Bayern haben ein Mammutprogramm hinter sich, spielen seit einem Jahr nahezu ohne Pause durch und für die meisten Spieler im Kader ist ja auch jetzt noch nicht Schluss: In knapp fünf Wochen beginnt bereits die Europameisterschaft.

Thomas Müller etwa hat seit dem Re-Start Mitte Mai vergangenen Jahres 59 Pflichtspiele bestritten, bei Manuel Neuer waren es inklusive einiger Länderspiele sogar 66. Im Profifußball sind das außergewöhnlich hohe Zahlen, denen Manuel Neuer ganz bestimmt und Thoma Müller ganz vielleicht noch ein paar weitere anfügen werden, bis dann irgendwann doch mal ein paar Tage Pause sind. So ist das im anstrengendsten Jahr der Bayern seit Ewigkeiten und alleine deshalb ist diese neunte Meisterschaft anders als viele andere davor.

Und weil zu den Strapazen, welche die Spielplangestalter den Bayern aufbrummten auch noch einige Verletzte und (Corona-)Erkrankte kamen und weiterhin kommen. Die Bayern zollten dem straffen Programm durchaus Tribut und hatten auch etwas Pech, dass die Zahl der Ausfälle rund um die beiden Partien in der Champions League gegen Paris Saint-Germain rasant nach oben schnellte

Beim Aus gegen PSG las sich die Bank der Münchener wie der Ausriss einer Aufstellung der Bayern Amateure aus der 3. Liga: Alexander Nübel als Ersatzkeeper, dazu der 18-jährige Tanguy Nianzou, Bouna Sarr, Josip Stanisic, Javi Martinez, Jamal Musiala und Maximilian Zaiser waren gegen Neymar und Kylian Mbappé für den Notfall eingeplant. Für einen Titelverteidiger in der Königsklasse war diese Besetzung der Ergänzungsspieler, bei allem Respekt, nicht würdig.

FC Bayern trotzt allen Störfeuern

Gegen Paris hat es dann nicht mehr gereicht in diesen beiden Spielen, in der Liga über 32 Spieltage aber sehr wohl. Und die deutsche Meisterschaft sei nach den Grundsätzen der Bayern-Oberen deshalb ja immer auch der ehrlichste aller Titel.

Die Bayern haben es mal wieder geschafft, die Konkurrenz trotz einiger sportlicher Probleme letztlich doch klar auf Abstand zu halten. Immer, wenn es hätte eng werden können, waren die Münchener da und schlossen die Tür, noch ehe Leipzig oder der BVB einen Fuß hätten hineinsetzen können.

Noch bemerkenswerter erscheinen die Leistungen der Mannschaft und von Trainer Flick, der sich auch nicht zu schade war, mitten in der Saison seine Herangehensweise etwas zu verändern, weil es im und um den Klub genug Störfeuer für gleich drei Spielzeiten gab. So ein bisschen wandelte der FC Bayern sich wieder zum FC Hollywood - jenem Unterhaltungsbetrieb also, der zuverlässig und in hoher Schlagzahl explosive Schlagzeilen liefert.

Im Frühjahr verging kaum noch eine Woche ohne Ränkespiele und Knatsch zwischen einigen Entscheidungsträgern, die Debatten um eine Rückkehr von Müller und Boateng in den Kreis der Nationalmannschaft drehten eine Runde nach der anderen und sie nervten.

Erst gab es den Poker um David Alabas Vertrag, dann die fehlenden Absprachen in der Causa Jérôme Boateng und am Ende preschte Flick plötzlich aus der Deckung und stieß die Bosse vor den Kopf. Andere Mannschaften werfen Einschläge wie diese aus der Bahn - an den Bayern perlte aber das alles einfach so ab.

Und deshalb ist den Münchenern das gelungen, was anderen Dominatoren in Europas Top-Ligen nicht gelang: Italiens Serienmeister Juventus Turin ist von Inter Mailand bereits entthront. Der FC Liverpool wird definitiv abgelöst, sehr wahrscheinlich von Manchester City.

Real Madrid bangt im spanischen Dreikampf als aktueller Tabellendritter um die Meisterschaft und seine Titelverteidigung und auch PSG findet sich wenige Spieltage vor dem Ende der Ligue 1 nur in der Rolle des Verfolgers wieder. Die Bayern sind dagegen mal wieder einfach so durchmarschiert.

Mal wieder ein Umbruch

Aber auch wenn die Spielzeit ein schönes sportliches Ende nimmt, hat sie doch auch ein paar Wunden hinterlassen. Wenn der neue Trainer Julian Nagelsmann vermutlich Ende Juni zum Trainingsauftakt bittet, wird auch das Gesicht der Mannschaft ein neues sein.

Die goldene Generation bröckelt weiter vor sich hin: Für die neue Saison sind nur noch Neuer und Müller aus jener Gruppe dabei, die den Münchenern zwei Triple-Saisons binnen kurzer Zeit beschert hat.

Javi Martinez kam einst für einen Liebhaberpreis nach München. 20, maximal 25 Millionen Euro sei dieser Spieler wert, sagte Uli Hoeneß im Sommer 2012, als sein FC Bayern diesen "Wahnsinn" aber doch mitmachte und einen relativ unbekannten Spanier für die Rekordsummer von 40 Millionen Euro nach München holte.

Niemals könne Martinez sein Geld wert sein, fügte Hoeneß noch an und man muss neun Jahre später wohl konstatieren: Selten lag der Patron mit einer Einschätzung weiter daneben.

Javi Martinez hat mit den Bayern 24 Titel geholt, am Samstag kam mit der neunten Meisterschaft in seiner neunten Bayern-Saison der letzte dazu. Es gab keine einzige Spielzeit, in der Martinez nicht deutscher Meister wurde.

Hoffnungsschimmer für die Konkurrenz - doch die gab es auch 2020/21

Einer der erfolgreichsten Spieler der Klubgeschichte wird den Rekordmeister nun verlassen, vergangenen Dienstag hatte Martinez seinen Abschied aus München angekündigt. Und weil sich Alaba mit dem Klub nicht auf eine Weiterbeschäftigung einigen konnte und die Dienste von Boateng in Zukunft nicht mehr erwünscht sind, gehen drei der fünf dienstältesten Spieler von Bord.

Und natürlich der überaus erfolgreiche Trainer. Die Bayern stehen also - mal wieder - vor größeren Umwälzungen.

Es wird spannend sein zu beobachten, wie schnell sich die Mannschaft vom Spieler-Trio und dem dann Ex-Trainer wird emanzipieren können. Ob Nagelsmann das viel zitierte Bayern-Gen bereits in sich trägt und wie die ganzen Nationalspieler auf die Plackerei während der EM und dem verkürzten Urlaub danach reagieren.

Es gibt schon wieder so ein paar zarte Hoffnungsschimmer für die Konkurrenz. Aber die gab es ja im Vorfeld dieser Saison auch.

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