Unter dem neuen Trainer-Trio in Gestalt von Marco Rose und seinen Assistenten Alexander Zickler und René Maric wurden die Karten beim BVB neu gemischt. Was bedeutet das für die einzelnen Spieler der Borussia?

Christopher Giogios
Eine Kolumne
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Im August 2021 ist von den negativen Begleiterscheinungen rund um den Wechsel des Trainerteams zum BVB nicht mehr viel zu hören. Man ist sich weiterhin einig: Mit Marco Rose hat der BVB einen Coach gewonnen, der immer noch zu den aufstrebenden Trainern in Europa gehört.

Sein Fokus auf Pressing, Gegenpressing und dem geradlinigen Spiel nach vorne passt perfekt zu Borussia Dortmund. Die entscheidende Frage: wie haben sich die Spieler bisher unter Rose gemacht?

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Eine schwierige Vorbereitung für Marco Rose

Klar: Man kommt nicht umhin, die schwierige Vorbereitung für den BVB zu anzusprechen. Schließlich glich das Training phasenweise einem Trainingslager der Dortmunder Jugendmannschaften, so sehr war man auf Unterstützung aus der U23 und U19 angewiesen.

Zu viele Profis befanden sich noch im EM-Urlaub oder im individuellen Training nach Verletzungen. Gerade deshalb gehören nun jene Spieler zu den Gewinnern des Sommers, welche die gesamte Vorbereitung absolvieren konnten.

Reus und Haaland: Der eine auf dem Zenit seiner Karriere, der andere noch lange nicht dort angekommen

Allen voran ist Marco Reus zu nennen. Der verzichtete auf die Europameisterschaft und hat trotz kritischer Stimmen rückblickend alles richtig gemacht. Seinem von Verletzungen geplagten Körper wird die Auszeit mehr als gutgetan haben, schließlich konnte der Kapitän in der Vergangenheit selten eine komplette Vorbereitung absolvieren.

Reus macht einen sehr fitten Eindruck und wirkt, als könne er unmittelbar an die überragenden Leistungen der Rückrunde anknüpfen. Auch wenn man in Dortmund über Meisterschaftsambitionen nie so gerne redet: Reus ist mit 32 Jahren bereits im fortgeschrittenen Fußballeralter und hat bis auf den DFB-Pokal mit seinem BVB noch keinen großen Titel gewonnen. Man könnte seine EM-Absage auch so deuten, dass er noch einmal ganz oben angreifen möchte.

Damit wäre die Überleitung zu Erling Haaland geschafft. Der wohl begehrteste Spieler der Welt wird die Saison beim BVB absolvieren, könnte den Verein aber im nächsten Sommer per Ausstiegsklausel für schmeichelhafte 75 Millionen Euro verlassen.

Fakt ist: ähnlich wie bei Jadon Sancho handelt es sich bei Haaland um einen absoluten Ausnahmespieler. Solange er in Dortmund spielt, stehen die Chancen eines Titelgewinns um ein Vielfaches höher.

Dass sich der 21-Jährige trotz seiner herausragenden Fähigkeiten noch verbessern kann, beweist seine Arbeit im Trainingslager: Zahlreiche Extraschichten mit Co-Trainer Alexander Zickler zeigen, dass der Norweger um seine Defizite weiß (insbesondere sein schwacher rechter Fuß). Drei Tore in der ersten Pokalrunde in Wiesbaden machen aber deutlich, dass er noch die ein oder andere Schippe drauflegen kann.

Gut für den BVB: Die Youngster entwickeln sich stets weiter

Gleiches gilt für zahlreiche junge Spieler, denn: gerade diese verzeichnen im Idealfall von Saison zu Saison einen spürbaren Leistungsanstieg. Junge Spieler, die man im Dortmunder Kader noch und nöcher findet.

Das Paradebeispiel hierfür ist Gio Reyna: nach seinem Durchbruch machte der 18-Jährige im Frühjahr seine erste richtige Formkrise durch. Auch die lange Trennung von seiner Familie aufgrund der Corona-Pandemie - seine Eltern leben in New York - machte die Situation für ihn nicht einfacher.

Der Reyna aus der ersten Pokalrunde in Wiesbaden (3:0) hingegen bewies wieder genau die Spritzigkeit und Spielfreude, die man von ihm gewohnt war. In Marco Roses Mittelfeldraute scheint er sich mehr als wohlzufühlen.

Darüber hinaus gibt es so manchen BVB-Spieler, der etwas zu beweisen hat. Etwa Julian Brandt, der auf eine ernüchternde Spielzeit zurückblickt und unter Rose endlich sein immenses Talent auf den Platz bringen möchte.

Gleiches gilt für Nico Schulz und Thomas Meunier, die unter Edin Terzic keine Rolle mehr spielten. Dass gerade Brandt und Meunier nun aufgrund einer Corona-Infektion den Saisonstart verpassen, verbessert nicht unbedingt ihre Chancen, sich in die BVB-Stammelf zu spielen.

Auch Mo Dahoud, Sinnbild für den Dortmunder Turnaround der vergangenen Saison, möchte seine starken Leistungen bestätigen und dem Verein beweisen, dass sein Vertrag zurecht bis 2023 verlängert wurde. Durch die kurze Vorbereitung für Axel Witsel und Jude Bellingham dürfte er vorerst im Zentrum gesetzt sein.

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Zahlreiche Ausfälle in der Defensive: Chancen, die genutzt werden wollen

Die dünne Personaldecke in der Vorbereitung sorgte vor allem in der Defensive dafür, dass sich der ein oder andere Spieler aus der zweiten Reihe beweisen durfte. Das verletzungsbedingte Fehlen von Mats Hummels und Dan-Axel Zagadou in der Innenverteidigung sowie Mateu Morey und Raphael Guerreiro in der Außenverteidigung gibt Felix Passlack und Nico Schulz die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen.

In der Innenverteidigung gab nun sogar der 21-Jährige Antonis Papadopoulos in Wiesbaden sein Profidebüt – ein Spieler, der eigentlich für Dortmund U23 geholt wurde.

Wenn man klare Verlierer nennen möchte, dann am ehesten die Spieler, die der BVB noch abzugeben versucht: Marius Wolf und Roman Bürki. Insbesondere für Bürki war das Jahr 2021 bisher eine absolute Katastrophe.

Zu Beginn des Jahres noch als Nr. 1 gesetzt, fand der Schweizer sich nach einer Verletzung auf der Bank wieder und durfte erst wieder im Saisonfinale eingreifen, als sich Marwin Hitz verletzte. Mit der Verpflichtung von Gregor Kobel vom VfB Stuttgart ist allerdings klar, dass Bürki beim BVB keine Zukunft mehr hat. Bisher scheiterte sein Wechsel ins Ausland jedoch dem Vernehmen nach an den Gehaltsvorstellungen sowie den sportlichen Ambitionen der potenziellen Kaufinteressenten.

Und was ist mit Zugang Donyell Malen? Man darf gespannt sein. Zwar bekam er im Spiel gegen Wiesbaden seinen ersten Einsatz im BVB-Trikot, jedoch lässt sein aktuelles Fitnesslevel möglicherweise noch keinen Startelfeinsatz gegen Eintracht Frankfurt (Samstag, 18:30 Uhr - LIVE bei uns im Ticker) zu.

Man darf vermuten, dass Marco Rose glücklicher gewesen wäre, wenn Malen direkt aus dem Vollen hätte schöpfen können. In Anbetracht seiner Fähigkeiten darf man aber davon ausgehen, dass er eine wirkliche Bereicherung für den BVB darstellen wird.

Mit Saisonzielen tut man sich beim BVB erfahrungsgemäß schwer. Das eine Mal übernimmt man sich (Saison 2019/2020) und bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück; das andere Mal verliert man sich so sehr in Understatement, dass es phasenweise den Eindruck machte, nicht mal die Spieler selbst glaubten an den Erfolg (Saison 2018/2019).

Als ich Aki Watzke im Trainingslager in Bad Ragaz fragte, ob man sich bezüglich der Meisterschaft in der kommenden Saison "etwas mehr aus dem Fenster lehnen würde", antwortete der BVB-Geschäftsführer spitzfindig: "sich aus dem Fenster zu lehnen ist eher ein Zeichen von Übermut".

Heißt: alles beim Alten bei der Borussia. Die Qualifikation für die Champions League ist Pflicht, alles darüber wäre die Kür. In den Pokalwettbewerben (insbesondere im DFB-Pokal) möchte man gerne so weit wie möglich kommen.

Trotz dieser Zurückhaltung spricht so manches dafür, dass der BVB sich in dieser Saison verbessern könnte.

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