Ob das Label "Sancho-Ersatz" auf Donyell Malen wirklich zutrifft, darüber lässt sich bei näherer Betrachtung trefflich streiten. Die Antworten können dabei nämlich sehr unterschiedlich ausfallen.

Christopher Giogios
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht des Autors dar. Hier finden Sie Informationen dazu, wie wir mit Meinungen in Texten umgehen.

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Ein versöhnlicher Sancho-Abgang

Eine Gemeinsamkeit haben der nach Manchester abgewanderte Jadon Sancho und BVB-Neuzugang Donyell Malen: Beide Transfers waren von der Sorte "kompliziert". Dass Sancho über kurz oder lang bei United landen würde, war dem aufmerksamen Beobachter bereits im Sommer 2020 klar. Rückblickend war es also eher überraschend, dass der 21-Jährige noch eine komplette Saison für die Borussia absolvierte.

Anders als der eine oder andere BVB-Youngster (wir erinnern uns an Mario Götze oder Ousmane Dembélé) verhielt sich Sancho jedoch bis zuletzt vorbildlich und krönte seine Zeit beim BVB (wenngleich ohne Fans) mit dem Gewinn des DFB-Pokals. So war es zwar ein Wechsel, der dem BVB wehtat (Aki Watzke wurde nicht müde zu betonen, dass man nur dem ausdrücklichen Wunsch von Sancho nachgekommen sei), aber ein Wechsel, der glücklicherweise ohne die ganz unangenehmen Begleiterscheinungen auskam.

Malen als Nachfolger von Sancho? Es kommt darauf an

Donyell Malens Start beim BVB gestaltete sich ähnlich kompliziert; spätestens während der Europameisterschaft, als Malen für die Niederlande in vier Einsätzen immerhin zwei Treffer vorbereitete, wurde sein Name öffentlich mit den Westfalen in Verbindung gebracht.

Im Trainingslager der Borussia Ende Juli in Bad Ragaz gab es dann nur noch ein Gesprächsthema: Wann kommt er denn nun endlich? Als Malen dann endlich sein erstes Mannschaftstraining absolvierte, war er sogar offiziell noch Spieler seines nunmehr ehemaligen Vereins PSV Eindhoven, da die letzten Details des 30-Millionen-Transfers noch nicht in trockenen Tüchern waren.

Wenn man das Finanzielle betrachtet, dann ist der Niederländer in der Tat der Nachfolger von Jadon Sancho; schließlich wurde der 22-Jährige mit Sanchos Ablöse (rund 85 Millionen Euro) finanziert. Gleiches gilt für den freigewordenen Platz in der BVB-Stammelf, den Malen so bald wie möglich einnehmen soll.

Hinsichtlich der sportlichen Qualitäten kann jedoch nicht unbedingt von einem Sancho-Nachfolger die Rede sein. Das liegt nicht nur daran, dass es einen Spieler vom Format des Engländers wohl nicht zweimal auf der Welt gibt.

Malen: Torjäger first, Assistgeber second

Das Entscheidende zuerst: Donyell Malen ist ein Mittelstürmer und wurde bei PSV Eindhoven auch auf dieser Position eingesetzt. 27 Tore in 45 Pflichtspielen in der vergangenen Saison zeigen trotz seiner 10 Assists, dass Malens erster Instinkt der Torabschluss ist – ganz anders als Sancho, der während seiner Zeit in Dortmund als schnellster Spieler überhaupt die Marke von 50 Assists erreichte.

Gelegentlich wich Malen zwar auch auf den linken Flügel aus, jedoch sind sich die Experten einig: Hier wären seine Fähigkeiten eher verschwendet, zumal der BVB zahlreiche Spieler in seinen Reihen hat, die die Rolle des Vorbereiters einnehmen können und werden. Klar ist: Malen ist ebenso wie Erling Haaland ein Zielspieler.

Dieses Profil des Dortmunder Neuzugangs verrät so manches über die künftige taktische Ausrichtung der Schwarz-Gelben: Trainer Marco Rose hat mit Haaland und Malen die notwendige Besetzung im Kader, um eine Mittelfeldraute mit zwei Spitzen spielen zu lassen - im Mittelfeldzentrum ist der Kader ohnehin hochkarätig besetzt. Die beiden Stürmer können dabei nur voneinander profitieren: Dass die Naturgewalt Haaland trotz seiner herausragenden Fähigkeiten sehr auf seinen linken Fuß angewiesen ist, dürfte inzwischen jeder Bundesliga-Verteidigung bekannt sein.

Mit dem pfeilschnellen Rechtsfuß Malen an seiner Seite werden es die Gegner künftig wesentlich schwerer haben, Haalands "schwache" Seite zu forcieren. Gleichzeitig werden die Verteidiger es sich künftig nicht mehr leisten können, ausschließlich Haaland ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken – dafür ist Malen schlicht zu torgefährlich.

Bereits im Pokalspiel gegen Wehen Wiesbaden (3:0) gab es eine kleine Kostprobe von dem, was man in der kommenden Saison von den beiden erwarten kann. Malen, der für knappe 25 Minuten eingewechselt wurde, vergab zwar kurz vor dem Abpfiff eine gute Chance, die Vorlage dafür kam allerdings von Haaland. Der hatte mit drei Toren sein Soll bereits erfüllt und damit inzwischen eine unglaubliche Quote von 60 Toren in 60 Pflichtspielen erreicht.

Entscheidend: Haaland hat bereits in der letzten Saison während einer kleinen Torflaute bewiesen, dass er ein Auge für seine Mitspieler hat und oft die richtige Entscheidung trifft. So auch im Pokal in Wiesbaden. Donyell Malen hingegen hat am Samstag beim Bundesligastart gegen Eintracht Frankfurt die Gelegenheit, es besser zu machen. Die Chancen dazu werden sich bei dieser Offensive mit Sicherheit ergeben.

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