Bei "Hart aber fair" ging es am Montag um Deutschlands Rolle in der Ukraine-Krise. SPD-Politiker Michael Roth kritisierte Altbundeskanzler Gerhard Schröder für seinen Pro-Putin-Kurs deutlich. Und Norbert Röttgen will erfahren haben, dass das Aus für die Gaspipeline Nordstream 2 im Kriegsfall schon beschlossen ist.
Das war das Thema bei "Hart aber fair"
Russland hat an den Grenzen der Ukraine in den vergangenen Monaten um die 120.000 Soldaten zusammengezogen. Plant der russische Präsident
Das waren die Gäste
Michael Roth: In den Augen des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses (SPD) verhält sich Russland derzeit "absolut verantwortungslos". Zumal es in den vergangenen Jahren gar keine konkreten Schritte zur Nato-Aufnahme der Ukraine gegeben habe. Kritik übte Roth am Putin-freundlichen Kurs seines Parteikollegen Gerhard Schröder: "Ich teile die Auffassung von Schröder ganz und gar nicht." Der Altbundeskanzler spreche nicht für die SPD.
Eine Aussage Roths irritierte allerdings reichlich. Die Position der westlichen Nato-Staaten gegenüber Putin fasste der Sozialdemokrat so zusammen: "Du wirst einen schmerzhaften Preis zu zahlen haben, wenn du wirklich das tust, was du angekündigt hast." Tatsächlich hat Russland ja niemals mit Krieg gedroht. Es macht vielmehr dem Westen den Vorwurf, Kriegsangst zu schüren und den Konflikt durch Waffenlieferungen an die Ukraine weiter anzuheizen.
Auch warb Röttgen dafür, den Menschen in Deutschland, die Angst vor höheren Gaspreisen haben und nicht verstehen, warum sich Deutschland für die Ukraine einsetzen sollte, den Konflikt besser zu erklären, anstatt sie als ignorant zu bezeichnen.
Sarah Pagung: Die Russland-Expertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik warb dafür, mit den US-Geheimdienstinformationen, die den russischen Angriff angeblich auf den Tag genau vorhersagen, vorsichtig zu sein. Darüber hinaus erinnerte sie daran, die "Debatte nicht unnötig auf das Militärische zu verengen". Eine Versicherung, dass die Ukraine nicht der Nato beitreten werde, würde den Konflikt schließlich nicht lösen, so Pagung. Denn in dem Nachbarland sehe Putin auch eine politische, kulturelle und wirtschaftliche Einflusssphäre. Pagung sprach sich – anders als die beiden Politiker in der Runde – für die Lieferung tödlicher Waffen an die Ukraine aus.
Mariam Lau: Für die "Zeit"-Journalistin hat sich Putin in der Ukraine-Krise verkalkuliert. Er müsse mit ansehen, wie der Konflikt "den Westen zusammenschweißt". Lau sprach sich dafür aus, Russland entgegenzukommen und die Ukraine nicht in die Nato aufzunehmen. Auch wenn das bedeute, dass das Verteidigungsbündnis mit einem solchem Moratorium "tendenziell tot" sei. Laus Aussage wäre eine gute Gelegenheit gewesen, über die Nato-Osterweiterung zu sprechen und über die Zusicherungen des Westens an die Sowjetunion, dass sich das US-geführte Bündnis nicht nach Osten ausdehnen werde. Doch Versuche, auch die russischen Positionen zu verstehen, gab es in dieser ziemlich einseitig besetzten Runde, leider kaum.
Vassili Golod: Der WDR-Redakteur, der Familie in der Ukraine und in Russland hat, berichtete, wie sehr Freunde in der Ukraine unter dem Krieg im Osten des Landes seit 2014 leiden und wie sein in Russland lebender Opa das Vorgehen Putins verteidigt. "Die Ukraine will nicht in die Nato, um Russland anzugreifen, sie will in die Nato, um Schutz vor Russland zu bekommen", betonte Golod. Zuversichtlich machen ihn jene jungen Leute in Russland, die nicht nur das Staatsfernsehen konsumieren, sondern sich über andere Quellen informieren. Auch Golod, der selbst in der Ukraine geboren wurde, ist für Waffenlieferungen Deutschlands: "Damit sich die Menschen im Falle einer Invasion verteidigen können." Wichtigste Erkenntnis seiner Berichte: Von allen Menschen, mit denen er in Russland und der Ukraine gesprochen hat, glaubt niemand ernsthaft an Krieg.
Das war der Moment des Abends
SPD-Mann Michael Roth brachte auf den Punkt, worum es Wladimir Putin in dem Konflikt vermutlich wirklich geht. Die größte Gefahr gehe für ihn nicht von "den paar Nato-Soldaten" an der russischen Grenze aus, sondern von Freiheit und Demokratie - siehe die Massenproteste in Weißrussland. Die große Angst Putins sei, dass so etwas auch in Russland passiere, so Roth. Denn das würde seine Macht als Dauer-Präsident zerstören. Da stimmte auch
So hat sich Frank Plasberg geschlagen
In der Sendung fehlte ein Gegenpol, der versucht, den Konflikt aus russischer Perspektive zu erläutern – auch wenn das nicht sonderlich populär ist. Das hätte der Gastgeber durch kluges Nachhaken an Schlüsselstellen der Debatte ein Stück weit auffangen können. Warum sieht sich Putin denn bedroht? Hat auch die Nato gegenüber Russland Fehler gemacht? Sollte Deutschland angesichts seiner jüngeren leidvollen Geschichte mit Russland beziehungsweise der Sowjetunion, wirklich tödliche Waffen an Kiew liefern? Es waren Fragen, die allesamt nicht gestellt wurden. Auch weil dem Moderator deutlich anzumerken war, dass er Putin ebenfalls für den Bad Guy hält. Etwa, als
Das ist das Fazit bei "Hart aber fair"
Das Thema der Sendung (Hält sich Deutschland aus Angst um seine Energieversorgung mit allzu markigen Worten gegenüber Moskau zurück?) streifte die Runde nur am Rande. Man müsse den Leuten besser erklären, warum der Einsatz für eine freie Ukraine so wichtig ist, so Röttgen. Laut dem Außenpolitikexperten ist das Ende der Gaspipeline Nordstream 2 zwischen der amerikanischen und deutschen Regierung besiegelt, sollte es Krieg geben ("Soweit ich weiß"). Roth sagte dazu: "Nordstream 2 wird keine Zukunft haben, sollte es zu einer militärischen Intervention kommen." Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vermied es bisher, den Namen der Pipeline überhaupt in den Mund zu nehmen.
Auf die geopolitischen Folgen der Ukraine-Krise wies Miriam Lau hin. "Was hier passiert, wird in Taiwan und Hongkong genau zur Kenntnis genommen." Sollte die Nato gegenüber Russland zu große Zugeständnisse machen, würde das auch dort Auswirkungen haben, zeigte sich die Journalistin sicher.
Eines hat Putin laut Roth mit seinem Vorgehen schon mal erreicht: "eine Frischzellenkur der Nato". Bisher neutrale Länder wie Schweden liebäugeln nun öffentlich damit, vielleicht doch einzutreten. Für den SPD-Politiker müssen USA, Nato und EU, da sie sich entschieden haben, der Ukraine nicht direkt militärisch beizustehen, alle anderen Möglichkeiten ausreizen, um Russland zu bestrafen: Wirtschaftssanktionen, Vermögen einziehen ...
Schließlich erinnerte Norbert Röttgen daran, was in Europa gerade auf dem Spiel steht: "Dass wir seit 75 Jahren Frieden haben, das ist das, worum es geht." Wobei er da den Jugoslawien-Krieg Anfang der 90er Jahre in der Hitze des Gefechts ausgeblendet hat. Spitz formuliert: Um vor der Gefahr Russlands zu warnen, kann man schon mal übertreiben und muss es rhetorisch nicht so genau nehmen. Ein Satz, der den Geist dieser Plasberg-Sendung ziemlich gut zusammenfasst.
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