Vor knapp fünf Jahren sorgte Robert Habeck für Aufsehen, als er sich vom Kurznachrichtendienst Twitter verabschiedete. Jetzt sorgte der Grünen-Politiker für Wirbel, weil er den Sprung zur chinesischen Plattform TikTok gewagt hat. Bei "Markus Lanz" wurde Habeck dafür vom ZDF-Moderator kritisiert.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Vor wenigen Tagen teilte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sein erstes Video auf der chinesischen Social-Media-Plattform TikTok. Bei "Markus Lanz" musste er sich dafür jede Menge Kritik gefallen lassen - allen voran vom ZDF-Moderator, der ihm ein Nacheifern der AfD unterstellte.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Rund 1.100 Islamisten zogen am Wochenende in Hamburg durch die Stadt und demonstrierten mit Schildern wie "Kalifat ist die Lösung". Während einige Kritiker danach die Frage in den Raum stellten, wie weit die Meinungsfreiheit in Deutschland gehen könne, verteidigte Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel den Aufmarsch gegenüber dem ZDF und sagte: "Unser Versammlungsrecht ist nicht nur ein hohes Gut, sondern hat auch sehr weite Grenzen, und es war die einhellige Meinung aller Juristen, dass ein Verbot sich nicht rechtfertigen lässt." Markus Lanz debattierte dies am Dienstag mit seinen Gästen. Gleichzeitig blickte er auf den bröckelnden Wirtschaftsstandort Deutschland sowie den Social-Media-Dienst TikTok.

Das sind die Gäste

  • Robert Habeck, Vizekanzler: "Die Demokratie ist offen und sie lässt ihren Gegnern viel Raum."
  • Michael Bröcker, Journalist: "Robert Habeck muss endlich grüne Ideologie über Bord werfen."
  • M.-C. Ostermann, Unternehmerin: "Mit Habeck kommen wir nicht aus der Krise."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Am Wochenende zogen Islamisten durch Hamburg und forderten offen einen islamischen Gottesstaat in Deutschland. "Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie das sehen?", fragte Markus Lanz schockiert. Vizekanzler Robert Habeck antwortete klar: "Das sind Sprüche und eine Demonstration, die nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Man muss sich klarmachen, wofür die da demonstrieren. Das Kalifat ist ja nicht ein Begriff, das ist der Staat des IS. Das ist (...) ein religiöser Terrorstaat, wo die Rechte unserer Republik mit den Füßen getreten werden."

Für Habeck sei die Demo in Hamburg daher nicht mit dem Begriff Meinungsfreiheit zu rechtfertigen. Journalist Michael Bröcker merkte jedoch an: "Ich bin mir nicht sicher, ob das juristisch verboten werden kann." Habeck stellte dennoch unbeirrt klar, dass "Vereine, die die Prinzipien des Grundgesetzes missachten, nicht unter dem Schutz des Grundgesetzes dauerhaft stehen können". Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, warum der deutsche Rechtsstaat trotzdem "immer so unglaublich hilflos" wirke.

Der grüne Bundeswirtschaftsminister antwortete vorsichtig, dass dies vor allem mit der deutschen Geschichte zusammenhänge. "Die Republik lässt ihren Feinden sehr viel Freiraum und deswegen dauern wahrscheinlich solche Prozesse immer ein bisschen länger." Michael Bröcker stimmte nickend zu: "Die Meinungsfreiheit ist ein so hohes Gut, dass gerade aus der Politik die mögliche Einschränkung von Demonstrationen so vorsichtig nur formuliert wird." Bröcker ergänzte: "Die Politik hat Angst, da reinzugehen (...), weil das Verhetzungspotenzial groß ist." Dies habe man während der Corona-Demos, aber auch jetzt "bei muslimisch-geprägten Demonstrationen" erlebt.

"Vielleicht ist die Justiz auch zu lasch und zu naiv, Herr Lanz!", entgegnete Bröcker streng. Dem entgegnete Robert Habeck mit ernster Miene: "Die Demokratie ist offen und sie lässt ihren Gegnern viel Raum, (...) aber sie ist ja auch lernfähig und immer wieder justieren wir nach und können auch Gesetze nachschärfen. Und der Staat ist auch nicht wehrlos." Der Politiker fügte hinzu, dass man zwar auf die Gewaltenteilung achten müsse, "aber wir sollten auch immer genau hingucken, wo wir wachsamer nachschärfen können". In Bezug auf die Demonstration in Hamburg sagte Habeck daher: "Das wird Folgen haben!"

Das ist das Rede-Duell des Abends

Weniger einig war sich die Runde, als es um den Wirtschaftsstandort Deutschland ging. Laut Michael Bröcker sei die Entwicklung in den letzten Jahren "besorgniserregend", da das Land zu langsam in neue Technologien investiere und den Anschluss verpasse. "Die Chinesen sind viel weiter, als wir denken", sagte der Journalist.

Robert Habeck gab daraufhin zu, dass sich das Verhältnis Deutschlands zu China "ändern" müsse, denn: "China war im gedanklichen Gerüst Deutschlands und der deutschen Wirtschaft entweder die billige Werkbank oder der große Absatzmarkt". "Das ist naiv gewesen", so Habeck weiter.

Grund genug für Lanz, den Vizekanzler zu fragen, warum er auf TikTok, aber nicht auf X (ehemals Twitter) aktiv sei. "Sie ziehen China den USA vor?", bemerkte Lanz skeptisch. Habeck wiegelte ab, dass dies vor allem damit zusammenhänge, dass "die Schülerinnen und Schüler bei TikTok" unterwegs seien. Lanz ließ jedoch nicht locker und wollte wissen, ob Habeck auf TikTok sei, "weil Ihnen die AfD so weit enteilt ist? (...) Weil die es Ihnen vorgemacht haben, wie es dort geht?"

Kleinlaut gab der Politiker zu: "Ja, in gewissem Sinne ist das so." Lanz reagierte überrascht: "Sie lassen sich treiben von der AfD?" Habeck ruderte schnell zurück: "Wir gehen da hin, wo der Diskurs sonst verloren wird. Das hat mit treiben (...) nichts zu tun." Man habe den Raum Parteien wie der AfD "weitgehend preisgegeben". Habeck: "Jetzt müssen wir halt wieder versuchen, ihn zurückzuholen und zurückzukämpfen."

Michael Bröcker konterte skeptisch: "Das ist wirklich fraglich, diese Strategie. Bei Twitter sind ja nicht nur alte Leute, Herr Habeck. Das können Sie ja gar nicht wissen. Da sind auch junge Menschen. Bei aller Liebe, ich bin auch noch jung!" Der Grünen-Politiker stichelte lachend zurück: "Da sind genau so junge Leute wie Sie, Herr Bröcker." Habeck wurde daraufhin wieder ernst und ergänzte, dass sein TikTok-Beitritt "keine politische Entscheidung" gewesen sei. Vielmehr habe er sich dafür entschieden, weil sonst ein ganzer Generationenbereich nur noch der "Dominanz der AfD" unterlegen sei. "Ich muss mich ja mit den Realitäten auseinandersetzen", erklärte der Vizekanzler. "Die Kröte China schlucken wir dann?", konterte Lanz irritiert.

Darauf antwortete Habeck ruhig: "Das ist reiner politischer Pragmatismus, dass man am Ende dahin gehen muss, wo Menschen sind, die sonst nur einseitig informiert werden." Dies heiße jedoch noch lange nicht, "dass man sich der AfD anbiedert oder angleicht". Eine Steilvorlage für Michael Bröcker, der scherzhaft forderte: "Dann müssen Sie aber tanzen, Herr Habeck!"

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es, vor allem Robert Habeck mehrmals aus der Reserve zu locken und mit spitzen Fragen herauszufordern. So sagte er beispielsweise mit Blick auf die E-Mobilität: "Wir verpassen gerade den Anschluss in einer Technologie, die weltweit offensichtlich im Vormarsch ist." Daraufhin musste Habeck zugeben, "dass man zu lange gezögert hat", auf die E-Mobilität zu setzen. Auch die Ladesäuleninfrastruktur sei nur "verzögert angelaufen". "Da ist also auch viel verschludert worden", räumte der Bundeswirtschaftsminister ein. Lanz kündigte an: "Diese Debatte wird noch weitergehen."

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Nicht nur die Demonstrationen in Hamburg sowie die wirtschaftliche Konkurrenz durch China standen bei "Markus Lanz" im Mittelpunkt. Auch über den Atomausstieg wurde heiß diskutiert. Robert Habeck erklärte zunächst, es stimme faktisch nicht, dass man die Abhängigkeit von Russland reduzieren könne, "indem wir die Atomkraftwerke laufen lassen". Der Grund: die Atomflotte in Europa hänge laut Habeck am Uran aus Russland.

Unternehmerin M.-C. Ostermann widersprach dem jedoch vehement und forderte: "Wir müssen darüber nachdenken, da wieder einzusteigen in die Atomkraft!" Die Präsidentin des Verbandes der Familienunternehmer ergänzte wütend: "Überall um uns herum werden neue Atomkraftwerke gebaut, die modern sind, die deutlich sicherer sind als vorher." Habeck verneinte dieses Argument jedoch und erklärte, dass es knapp 20 Jahre dauern würde, neue Atomkraftwerke zu bauen. Stattdessen plädierte er dafür, die Zeit und Ressourcen in den Ausbau von erneuerbaren Energien zu stecken.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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