Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekam bei "maischberger" wegen seiner unklaren Kommunikation zum Ukraine-Krieg sein Fett weg und soll sich ein Vorbild an einem seiner Minister nehmen. Ein wenig Erleichterung herrschte dagegen nach der ratlosen Rede von Wladimir Putin zum "Tag des Sieges" in Moskau. Und Gastgeberin Sandra Maischberger nahm Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in die Mangel.

Eine Kritik
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Das war das Thema

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Der Krieg in der Ukraine, die Deutung von Putins Rede in Moskau und die Fernsehansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz waren die bestimmenden Themen bei "maischberger", die mit ihren Gästen seit Anfang Mai immer dienstags und mittwochs die Nachrichtenlage kommentiert. Außerdem stand das Coronavirus, das Dauerthema der vergangenen zwei Jahre, im Mittelpunkt. Wird sich die Lage im Herbst wieder verschärfen und wie ist Deutschland darauf vorbereitet?

Das waren die Gäste

  • Karl Lauterbach: Der viermal gegen das Coronavirus geimpfte Bundesgesundheitsminister (SPD) rechnet im Herbst wieder mit steigenden Inzidenzen. Ob es dann wieder zu Schulschließungen, Schließungen im Einzelhandel und der Wiedereinführung der 2G-Regel kommt, konnte Lauterbach noch nicht sagen. Das Scheitern der Impfpflicht im Deutschen Bundestag nannte er "eine enttäuschende Entscheidung". Er wäre in seinen Augen "mehr gescheitert", wenn ein Regierungsantrag zur Impfpflicht anstelle von Anträgen aus dem Parlament keine Mehrheit bekommen hätte. Wegen des Widerstands der FDP hatte die Ampel-Koalition auf einen eigenen Antrag verzichtet.
  • Peter Ganea: Der deutsche Universitätsprofessor aus Shanghai wohnt seit rund zwei Monaten in seinem Büro auf dem Campus, das er – weil die Infektionen in der Millionenstadt stark anstiegen – wochenlang überhaupt nicht mehr verlassen durfte. Wäsche wusch er im Waschbecken, Essen wurde von den Behörden geliefert. "Wir sind einfach eingesperrt worden", berichtete das Opfer der chinesischen Null-COVID-Strategie, die Lauterbach für gescheitert erklärte. Sollte China öffnen, drohen wegen der geringen Impfquote unter älteren Menschen und den schlechten einheimischen Impfstoffen Prognosen zufolge Millionen Tote.
  • Rüdiger von Fritsch: Der ehemalige Botschafter Deutschlands in Moskau nannte Wladimir Putins Ansprache zum Tag des Sieges am 9. Mai "eine Rede der Ratlosigkeit". Der russische Präsident habe Scheu vor negativen Reaktion im eigenen Land auf den Krieg, vor allen in den Teilrepubliken, die viele Opfer zu beklagen haben. Putin kämpfe in der Ukraine um seine eigene Macht. Zwar stehen sein Apparat und die Mehrheit der Bevölkerung hinter ihm. "Aber wenn er strauchelt, geht keiner für ihn auf die Straße", so von Fritsch. Zugleich betonte der Ex-Diplomat, dass Russland kein Interesse hat, diesen Krieg in einen Konflikt mit der Nato eskalieren zu lassen.
  • Ingo Zamperoni: Der ARD-Tagesthemen-Moderator kritisierte die Außendarstellung von Bundeskanzler Olaf Scholz im Ukraine-Krieg. "In einer Kriegssituation in Europa muss ein Bundeskanzler noch mehr kommunizieren". Seine Erklärung für Scholz' Defizite: Er wolle durch seine Zurückhaltung beim Thema Lieferung von schweren Kriegswaffen "keine Eskalation in einen Dritten Weltkrieg" riskieren. "Er will sich da nicht weiter reinziehen lassen."
  • Ulrike Herrmann: Die "taz"-Journalistin zeigte sich nach der Ansprache Putins, in der er keine Generalmobilmachung ankündigte, erleichtert. "Diese sehr merkwürdige Rede hat gezeigt, wie schwach Putin und Russland sind." In ihren Augen habe der Überfall der Ukraine dazu gedient, seine bröckelnde Macht im Inneren zu konsolidieren.
  • Livia Gerster: Die Politikredakteurin der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung sah in der Putin-Rede kein Friedensangebot. "Aber es war nicht so schlimm wie befürchtet." Putin habe ratlos gewirkt, als wisse er nicht, wie er sein Land aus dieser Krise befreien könne. Auch Gerster fand Scholz' teils widersprüchliche Krisenkommunikation nicht sehr überzeugend. "Er könnte ein bisschen mehr Habeck wagen", sagte die Journalistin: Soll heißen: Besser erklären, die Leute mehr mitnehmen. Seine Haltung komme rüber wie: Lasst mich einfach mal machen. In ihren Augen ist das in so einer Situation zu wenig.

Das war der Moment des Abends

Ulrike Herrmann sorgte für viele Lacher in der Runde, als sie die Kanzler-Rede an die Nation ins einfache Deutsch übersetzte. "Aus meiner Sicht war Scholz absolut klar. Das Problem war nur, wie immer bei Scholz, dass er in aller Klarheit viel zu abstrakt war". Nur für Kenner der Materie sei die Ansprache verständlich gewesen, nicht aber für die allgemeine Bevölkerung. Maischberger witzelte daraufhin: "Sie machen jetzt: Verstehen Sie Scholz?".

Herrmann begann daraufhin die vier wichtigsten Prinzipien aus der Ansprache zu erklären. Eins lautete: nichts tun, was Deutschland mehr schadet als Russland. "Das heißt übersetzt: kein Gasembargo", übersetzte die taz-Frau.

Das war das Rededuell des Abends

Das einzige Rededuell, das den Namen auch verdient hatte, lieferten sich Sandra Maischberger und Minister Karl Lauterbach, der von der Gastgeberin ordentlich in die Zange genommen wurde. "Als Berater war der toll", gab sie die Meinung vieler Beobachter über den SPD-Politiker wieder. Als Minister mache er einiges anders als gedacht. Der frühere Mahner der Nation musste als Entscheidungsträger trotz Inzidenzen im 1500er-Bereich das Ende der bundesweiten Anti-Corona-Maßnahmen im April auf den Weg bringen. Lauterbachs Rechtfertigung: "Als Berater musste ich mich mit der FDP nicht einigen. Von daher hatte ich mehr Spielräume."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Die Gastgeberin lieferte sich (siehe oben) einen bissigen Schlagabtausch mit Lauterbach, der weitere Highlights zu bieten hatte. Bei Maischbergers Einwurf, dass Deutschland laut WHO – mit den Opfern durch ausgefallene Operationen – mehr Corona-Tote zu beklagen hat als Länder wie Spanien, Italien oder Großbritannien, flüchtete sich der Minister in eine andere Statistik, bei der wir deutlich besser dastehen würden.

Den Vorwurf, dass Lauterbach die Impfpflicht nicht durchgesetzt hat, leitete Maischberger mit der trockenen Feststellung ein: "Sie sind der Bundesgesundheitsminister." Sollte heißen: Sie sind verantwortlich und haben es vermasselt. Und dass die Liberalen ihn mit ihren Lockerungsforderungen lange vor sich her getrieben haben, kommentierte Maischberger fragend: "Und die FDP gewinnt immer?". Ist aus Sicht Lauterbachs natürlich Blödsinn.

Das ist das Fazit

Mit einem schnellen Waffenstillstand in der Ukraine rechnete am Dienstagabend bei Sandra Maischberger keiner der Gäste. "Bis zu einem russischen Sieg oder einer Pattsituation" werde der Krieg noch lange weitergehen, befürchtet Ex-Diplomat von Fritsch. Bei Letzterem komme es darauf an, wer die Hebel in der Hand habe, um die Nachkriegsordnung zu bestimmen. Schließlich erinnerte er – wenig überraschend – an die Bedeutung der Diplomatie in der Krise: "Wir müssen auch mit Russland wieder zu Verabredungen kommen, selbst wenn wir in Konfrontation sind." Der Russland-Kenner warnte zudem davor, dass ein Sieg Putins ein fatales Signal an China senden könnte: "Wenn Russland in der Ukraine durchkommt, wird (der chinesische Präsident – d. Red.) Xi Jinping Taiwan angreifen."

Auch Ulrike Herrmann rechnete mit einem Abnutzungskrieg in der Ukraine, der letztlich durch die Menge und Schnelligkeit der westlichen Waffenlieferungen entschieden werden könnte. Herrmann prognostizierte außerdem, dass Deutschland erst in einem oder zwei Jahren unabhängig vom russischen Gas sein wird. "Wenn die ganzen Flüssiggasterminals fertig sind." Dann werde der Krieg aber schon vorbei sein, so ihre Vorhersage.

Und was erwarten die Experten vom Corona-Herbst? Ingo Zamperoni ärgerte sich über die Gefahr, dass es im Herbst 2022 genau so laufen könnte wie im Herbst 2021: Schulschließungen, Schließungen im Einzelhandel, 2-G-Regelung. Ulrike Herrmann empörte sich gar über die rund 2,7 Millionen Menschen über 60 Jahre, die hierzulande nicht geimpft sind. Denn man müsse womöglich wieder die Schulen schließen, um sie vor sich selbst zu retten. "Das ist echt eine Zumutung."

An dieser Stelle fiel die Prognose der Experten vielleicht ein Stück weit zu pessimistisch aus. Deutschland hat trotz extrem hoher Inzidenzen vergangenen Monat geöffnet und es drohte danach keine Überlastung des Gesundheitssystems – obwohl die Zahlen zunächst recht konstant blieben. Da kam wieder der Mahner der Nation Karl Lauterbach ins Spiel, der vor neuen, noch ansteckenderen Varianten des Virus warnte. Bleibt festzuhalten: Die teils gefühlte, teils reale Dauerkrise seit 2020 – erst Corona, dann Krieg und Inflation – wird uns und die Talkshows der Republik wohl noch eine Weile begleiten.

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