Philipp Amthor (CDU) und Beatrix von Storch lieferten sich bei Sandra Maischberger ein denkwürdiges Streitgespräch. Bei einer Aussage der AfD-Politikerin hätte Sandra Maischberger dazwischengehen müssen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Thomas Fritz dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

2017 zog die AfD in den deutschen Bundestag ein. Bei der Wahl am 23. Februar 2025 könnte die Rechtsaußenpartei erstmals bundesweit zweitstärkste Kraft werden – in einigen Ostländern ist sie schon stärkste Partei. Ist die Zeit reif, um die AfD als normale Partei zu betrachten und mit ihr Koalitionen einzugehen? Weitere Themen bei "Maischberger" waren die Rolle der FDP beim Ende der Ampel sowie der Sturz des Diktators Baschar al-Assad durch ein Rebellenbündnis in Syrien und die Folgen für das Land und die Region.

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Das waren die Gäste

  • Philipp Amthor: Der Generalsekretär der CDU in Mecklenburg-Vorpommern schließt eine Koalition mit der AfD kategorisch aus. "Sie ist keine Partei wie jede andere, und das ist auch nicht der Wählerwille", sagte er über Vorschläge der AfD-Vorsitzenden Alice Weidel zu einer "Großen Koalition" aus CDU und AfD im Bund. Amthor beklagte die vielen von Ressentiments getragenen, unqualifizierten Zwischenrufe im Bundestag, die immer größere Radikalisierung der Partei und ihre Verachtung für die Spielregeln der parlamentarischen Demokratie. "Wer nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung steht, kann für uns kein Partner sein", betonte der Christdemokrat. "Dass solche Leute in Deutschland Verantwortung übernehmen, dafür ist die CDU nicht zu haben." Dafür gab es lautstarken Applaus.
  • Beatrix von Storch: Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion verteidigte sich gegen die vielen Ordnungsrufe im Parlament. So hatte sie unter anderem die transsexuelle Grünen-Abgeordnete Tessa Ganserer mit ihrem alten männlichen Vornamen "Markus Ganserer" gerufen – für Ganserer eine enorme Herabwürdigung. Von Storch findet diese Respektlosigkeit normal. Weiterhin sprach sich von Storch "selbstverständlich" für die schnelle Abschiebung aller Syrer aus Deutschland in ihre Heimat aus. "Alle, die Fluchtgrund Assad hatten, da gibt es keinen Grund, dass die jetzt nicht zurückkehren. Man muss die eigentlich nicht abschieben. Ich denke und erwarte, dass die freiwillig ausreisen. Wenn sie es nicht tun, dann muss abgeschoben werden."
  • Kristin Helberg: Die Nahost-Expertin berichtete, dass wirklich jeder total überrascht war, wie schnell das Assad-Regime in Syrien kollabiert ist. "Auch die Kämpfer selbst." Helberg rechnet nicht damit, dass nun eine Art Taliban-Regime entsteht, das in den Alltag der Menschen hineinregieren wolle – aber auch keine Demokratie. Trotzdem mache das bisherige Verhalten der Islamistenmiliz HTS, die den Sturz Assads anführte, "eher Hoffnung". In Aleppo durften die Christen weiterhin Weihnachten vorbereiten, Weihnachtsbäume durften stehen bleiben. Vor schnellen Abschiebungen warnte die Journalistin trotzdem. 90 Prozent der Bevölkerung Syriens leben weiter in Armut. Wenn man zu früh aus Deutschland abschiebt, könnte dies die Lage destabilisieren.
  • Ulrich Wickert: Der Journalist und Autor vermisst die Ampel nicht und kann sich "überhaupt nicht vorstellen", dass FDP-Chef Christian Lindner nichts vom internen Scheidungspapier (D-Day-Papier) innerhalb seiner Partei mitbekommen haben will. Am Wort D-Day, Chiffre für den Tag der alliierten Landungsoperation zur Beseitigung der Nazi-Herrschaft, störte sich Wickert enorm. Sein Hauptargument, warum die AfD derzeit nicht koalitionsfähig ist, fiel überraschend milde aus. "Man kann eine Partei, die sagt, man soll aus Europa austreten, nicht als Koalitionspartner nehmen."
  • Katharina Hamberger: Die Hauptstadt-Korrespondentin beim Deutschlandfunk glaubt nicht, dass sich die FDP intern wie extern einen Gefallen mit dem ganzen Theater rund um das Ampel-Aus getan hat. Sein ominöses Lob für den argentinischen Rechtspopulisten Javier Milei und Trump-Unterstützer Elon Musk erklärte sich Hamberger damit, "dass Christian Lindner ein bisschen triggern wollte". Der Grund: Abgrenzung zur CDU, nach dem Motto: "Wer wirklich was verändern will, muss uns wählen." Die Journalistin hielte eine Koalition aus AfD und CDU in Thüringen, wie es jüngst der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer vorgeschlagen hatte, für einen "massiven Fehler". Man habe in anderen Ländern gesehen, was passiert, wenn Konservative mit Rechtspopulisten regieren. "Dann machen sie sich vor allem selber kaputt". Auch wegen des Menschenbildes dürfe das keine Option sein.
  • Wolfram Weimer: Der Verleger von The European nannte die Ampel "die schlechteste Regierung, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg hatten". Und die Art, wie sie auseinandergegangen ist, sei peinlich und ein Grund zum Fremdschämen gewesen. Die Empörung über den Begriff "D-Day" im FDP-Papier hält Weimer für Wahlkampf-Klamauk. Er erinnerte an die Militär-Vokabeln von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wie Bazooka, Wumms oder Doppel-Wumms. Eine AfD-CDU-Koalition widerspreche völlig den Grundsäulen der CDU: NATO-Bindung, europäische Integration und eine wertoffene Marktwirtschaft. Die AfD wolle das Gegenteil davon. "Das geht mit der CDU nicht."
  • Mathias Richling: Der Kabarettist und Autor erklärte, dass er jeden Politiker parodieren würde. Nur bei FDP-Chef Lindner hätte er Probleme. Lindner hat in seinen Augen nichts Charakteristisches für eine gute Parodie an sich – was er heute aber bei vielen Politikern beobachtet, die sich immer ähnlicher werden würden. Über Olaf Scholz, den die eigene Partei vor seiner Kanzlerschaft nicht einmal zum Parteichef gemacht hatte, sagte er "Scholz hat es in der SPD nie geschafft. Er ist einfach stehen geblieben, und die SPD ist an ihm vorbei nach unten gesackt."

Das war der Moment des Abends

Ganz am Ende der Sendung kam die Sprache auf den Weg zum Ende des Ukraine-Kriegs. Und Wolfram Weimer gewährte Einblicke. Nicht nur habe der russische Kreml-Sprecher Peskow erstmals klar gesagt, dass das Land "bereit für Verhandlungen" sei. Auch der polnische Premier Donald Tusk rechne damit, dass noch in diesem Winter Frieden komme. Aus dem Umfeld der Reise von CDU-Chef Friedrich Merz in die Ukraine höre man Ähnliches, berichtete Weimer. "Der Einstieg in den Ausstieg aus dem Krieg ist da."

Das war das Rededuell des Abends

Als Sandra Maischberger Beatrix von Storch nach den drei AfD-Mitgliedern in der hochgenommenen mutmaßlichen rechten Terrorzelle "Sächsische Separatisten" fragte, wich die AfD-Politikerin permanent aus, ehe sie behauptete: "Das redet keiner schön, da redet keiner drum herum." Doch genau das tat von Storch. Philipp Amthor schaute sie dabei völlig entgeistert an und setzte zu einer Replik an, die es in sich hatte. Sie hätte sich diese fünf Minuten Ablenkungsmanöver sparen können, schimpfte Amthor und bezog sich dann auf einen weiteren Fall, in dem eine Parlamentarierin der AfD verhaftet wurde.

"In der Sache könnten Sie einfach mal klar sagen: Ihnen ist das peinlich, dass Ihre frühere Bundestagskollegin Malzack-Winkemann vom Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof wegen staatsgefährdender Delikte in Untersuchungshaft geschickt wurde. Sie sitzt seit Monaten in Untersuchungshaft. Und Sie könnten hier in der Sache diskutieren, indem Sie einfach mal klar sagen: Sowas geht nicht. Da hat die AfD keine Relativierungen dafür."

Amthor ergänzte: "Dass Sie dazu nicht in der Lage sind, zeigt, wessen Geistes Kind Sie sind. Dass Sie billigend in Kauf nehmen, dass Extremisten Ihre Partei wählen, zeigt, dass Sie sich gar nicht abgrenzen können. Was Deutschland braucht, ist eine klare Kante gegen Straftaten und Extremismus – auch in Ihrer Partei."

Von Storch ließ sich von dem großen Applaus für Amthor nicht aus der Ruhe bringen. "Vielleicht sollte die CDU sich mal entschuldigen, vielleicht sollten Sie sich mal entschuldigen für 16 Jahre Merkel-Regierung, denn die Probleme, die wir heute haben, sind angelegt in der Zeit, in der Sie regiert haben." Damit meinte sie offensichtlich die Migrationspolitik der Union.

Amthor reagierte scharf: "Angela Merkel sitzt nicht in Untersuchungshaft. Das zu vergleichen, ist unverschämt. Das zeigt, dass Sie die demokratischen Institutionen verachten. Das zeigt: Das hat kein Niveau."

So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Die Moderatorin gab sich alle Mühe, von Storch eine Antwort zur Frage zu den "Sächsischen Separatisten" zu entlocken. Sie unterbrach sie mehrfach, verlangte mit Nachdruck eine Antwort – bis sich von Storch am Ende zumindest drei halbgare Sätze abmühte. Auch beim Thema EU-Austritt nahm Maischberger die AfD-Abgeordnete in die Mangel. Dass Maischberger die Beleidigung der Grünen-Abgeordneten Tessa Ganserer nicht noch einmal im Detail aufgriff und die Entgleisung für die TV-Zuschauer einordnete, war einer der schwächeren Momente der Sendung.

Das ist das Fazit

Im Streitgespräch mit Beatrix von Storch bewies Philipp Amthor wieder einmal, warum er zu den größten rhetorischen Talenten in der Union gehört. Die AfD-Politikerin hatte ihm inhaltlich kaum etwas entgegenzusetzen und brachte nicht einmal ansatzweise eine Distanzierung von Verbindungen ihrer Partei zu rechtsextremistischen Umsturz- und Terrorplänen zustande. Der 32-Jährige aus Mecklenburg-Vorpommern hatte die Rechtsaußenpartei schon in den vergangenen Jahren mit einer Mischung aus Oberlehrer-Charme und jugendhafter Schlagfertigkeit im Bundestag immer wieder herausgefordert.

Lange dürfte kein CDU-Politiker wie Amthor bei Maischberger so überzeugend dargelegt haben, warum eine Koalition der beiden Parteien derzeit keine Option ist. "Die AfD steht für den Abstieg Deutschlands", sagte Amthor, "wirtschaftlich und moralisch."

Das Problem für Amthor ist nur, dass eine Reihe anderer CDU-Mandatsträger, vor allem im Osten, wo sich – etwa in Sachsen und Thüringen – schwer Mehrheiten ohne die AfD organisieren lassen, seine kategorische Ablehnung nicht teilt. Und so scheint es nur eine Frage der Zeit, bis es doch zu einer wie auch immer ausgestalteten Zusammenarbeit auf Landesebene kommen könnte. Trotz aller Schlagfertigkeit eines Philipp Amthor.

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Teaserbild: © WDR/Oliver Ziebe