Lange Zeit galt es als ungewiss, ob sich Sahra Wagenknecht tatsächlich von der Linken löst. Im Januar war es dann aber soweit: Die Bundestagsabgeordnete gründete das "Bündnis Sahra Wagenknecht - Vernunft und Gerechtigkeit", die neue Partei hat dank weiteren Übertritten aus der Linkspartei nun zehn Bundestagsabgeordnete.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Bei "Markus Lanz" übte Linken-Politiker Gregor Gysi heftige Kritik an der neuen Partei seiner einstigen Kollegin und warnte vor einer Nähe zur AfD. Gleichzeitig verteidigte er Papst Franziskus, der sich jüngst zum Krieg in der Ukraine geäußert hatte.

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Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Die Wiederwahl von Wladimir Putin als Russlands Präsident macht jegliche Hoffnung auf Frieden in der Ukraine zunichte. Knapp zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskriegs weicht Putin nicht von seiner Strategie ab und warnte den Westen jüngst erneut vor einem Atomkrieg. Dem entgegen steht Papst Franziskus' Aufruf zu Friedensverhandlungen. Der 87-Jährige hatte der Ukraine erst kürzlich nahegelegt, die "weiße Fahne" zu hissen. Dafür erhielt er jede Menge Gegenwind.

Markus Lanz analysierte aus gegebenem Anlass die Gefahr eines eskalierenden Konflikts mit Russland. Zudem blickte er auf die Beziehung zwischen der Linkspartei und dem "Bündnis Sahra Wagenknecht".

Das sind die Gäste

  • Gregor Gysi, Linken-Politiker: "Es wundert mich schon, wie die Rüstungs-Lobbyisten in Deutschland versuchen, den Papst zu diskreditieren."
  • Sabine Rennefanz, Journalistin: "Die Ukraine verliert - ob uns das gefällt oder nicht."
  • Sabine Fischer, Russland-Expertin: "Der militärische Erfolg der Ukraine steht und fällt mit unserer Unterstützung."
  • Florian Neuhann, Journalist: "Ich glaube, dass wir verletzlicher sind, als sich viele vorstellen können."
Markus Lanz, Gregor Gysi, Sabine Rennefanz, Sabine Fischer, Florian Neuhann
Bei "Markus Lanz" steht am Dienstag vor allem der russische Angriffskrieg in der Ukraine sowie die Position der NATO im Vordergrund. Gregor Gysi (2.v.l.) fordert dazu mehr politisches und weniger militärisches Denken. © ZDF / Cornelia Lehmann

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Dass die Beziehung zwischen Linken-Politiker Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht mittlerweile eher frostig zu sein scheint, wurde bei "Markus Lanz" schnell klar. Zunächst sagte Gysi versöhnlich: "Ich wollte ja nicht, dass sie geht. Nun ist sie gegangen. Das ist ihre Entscheidung. Sie darf die Partei verlassen. Sie darf auch eine neue Partei gründen. Das ist alles ihr Recht." Daraufhin wurde der Ton des Politikers schnell rauer: "Das Einzige, was ich ihr tatsächlich übel nehme, ist, dass sie die Mandate mitgenommen hat."

Laut Gysi habe Wagenknechts Bundestagswahlkampf die "Linke bezahlt": "Dann einfach zu sagen, ich nehme zehn Mandate mit, das finde ich ehrlich gesagt moralisch nicht vertretbar." Gregor Gysi redete sich weiter in Rage: "Das kritisiere ich. Das finde ich auch nicht in Ordnung!" Kein Wunder also, dass der Politiker die Chance ergriff und Sahra Wagenknechts Bündnis öffentlich schlecht redete.

Im Gespräch mit Lanz behauptete er: "Sie übernimmt die Europapolitik auch von der AfD." Der ZDF-Moderator hakte überrascht nach: "Sahra Wagenknechts Europapolitik ist AfD-like?" Der ehemalige Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag nickte energisch: "Ja! Lesen Sie mal das Programm. Das könnte so von der AfD sein: so wenig wie möglich europäische Integration." Gysi kritisierte weiter, dass Wagenknecht die Asylpolitik "auch von der AfD" übernehme, während sie sich in Wirtschaftsfragen an der CDU orientiere und die Sozialpolitik von der Linkspartei kopiere. Der Linken-Politiker erklärte, dass diese Mischung am Anfang vielleicht funktioniere, jedoch am Ende immer "eine Minusrechnung" sei.

Auch über den Namen von Wagenknechts Bündnis echauffierte sich Gysi, als er zu Lanz sagte: "Wir beide sind ja auch eitel, aber sind Sie schon mal auf die Idee gekommen, eine Organisation nach Ihnen zu benennen? Also ich bin noch nie auf die Idee gekommen, eine Partei nach mir zu benennen!" Eine Spitze, die bei dem ZDF-Moderator ein peinlich berührtes Lachen hervorrief: "Jemand hatte die Idee, eine Sendung nach mir zu benennen. Also, ich habe da ganz schwache Argumente. War aber nicht meine Idee, muss ich zu meiner Ehrenrettung gestehen."

Als Lanz daraufhin das offensichtliche Wagenknecht-Trauma bei Gysi ansprach, wiegelte der Politiker schnell ab: "Mir geht's besser als meiner Partei." Er ergänzte, dass sich die Linkspartei "in einer existenziellen Krise" befinde und sich jetzt "sehr anstrengen" müsse. Das Ziel: die Partei wolle sich künftig auf "fünf Fragen" konzentrieren. Dazu gehöre laut Gysi eine "reale Friedenspolitik", "soziale Gerechtigkeit", "ökologische Nachhaltigkeit", "Gleichstellung von Frau und Mann" sowie "Gleichstellung von Ost und West".

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Das ist das Rede-Duell des Abends

Ähnlich meinungsstark zeigte sich Gregor Gysi auch, als es um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ging. Im Gespräch mit Lanz deutete er an, dass er dem Westen eine Teilschuld für den Krieg gebe, da Putin lange Zeit nicht ernst genommen wurde. Daraufhin kritisierte Russland-Expertin Sabine Fischer Gysis "Teilrechtfertigung dieses russischen, imperialistischen Angriffskrieges gegen die Ukraine" und sagte: "Dieser Krieg ist mit nichts zu rechtfertigen."

Gysi nickte und versicherte, dass er den Krieg noch nie gerechtfertigt habe: "Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine kann nur verurteilt werden - und zwar schärfstens auch von mir, weil es ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg ist." Dennoch stellte er sich auf die Seite von Papst Franziskus, der jüngst zu Friedensverhandlungen aufrief. "Der Papst hat völlig recht und dass Selenskyj ihn kritisiert, liegt nur daran, dass die Nato-Staaten diesen Krieg möglichst lange hinziehen wollen", so Gysi streng.

Sabine Rennefanz, Sabine Fischer
Als Sabine Rennefanz (l.) einen Sieg der Ukraine ausschließt, wird Journalistin Sabine Fischer deutlich und sagt, dass es vor allem darum gehe, "dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, sich zu verteidigen". © ZDF / Cornelia Lehmann

Ein Argument, das bei Fischer für Fassungslosigkeit sorgte: "Ich finde, das ist wirklich eine nicht akzeptable Täter-Opfer-Umkehr. Weil Sie unterstellen mit diesem Zitat, dass es die Nato ist, die in der Ukraine einen Stellvertreterkrieg führt. Und das finde ich wirklich sehr problematisch." Journalist Florian Neuhann stimmte zu: "Gysis Behauptung, dass die Nato-Staaten diesen Krieg möglichst lange hinziehen wollen, grenzt tatsächlich an üble Nachrede."

Dem konnte "Spiegel"-Kolumnistin Sabine Rennefanz wiederum nicht zustimmen. Sie offenbarte: "Ich muss ehrlich sagen, dass ich diese Aufregung über die Äußerung des Papstes und auch diese absolute Verurteilung nicht so ganz verstanden habe." Dass der Papst "nun der letzte Pazifist" sei, habe Rennefanz "nicht so überrascht". Die Journalistin weiter: "Wir müssen realistisch auf die Lage gucken. Wohin führt das alles? Darauf gibt es sehr, sehr wenig Antworten." Für Rennefanz sei dennoch klar: "Die Ukraine verliert - ob uns das gefällt oder nicht."

Ein Satz, der Lanz schockierte: "Das ist für Sie klar?" Rennefanz nickte: "Das ist ja keine besonders ungewöhnliche Analyse. Die Sommer-Offensive hat nicht funktioniert. Es fehlt an Munition (...) und es nimmt im Land die Bereitschaft ab, zu kämpfen." Lanz konterte: "Mit dem Taschenmesser gegen Raketenwerfer anzutreten, ist halt schwierig. Also ich habe das anders erlebt. (...) Es gibt den unbedingten Willen der Ukrainer, nicht unter russischer Herrschaft zu leben." Auch Fischer warnte davor, die Flinte ins Korn zu werfen: "Der militärische Erfolg der Ukraine steht und fällt mit unserer Unterstützung." Laut der Russland-Expertin habe Putin "einen großen konventionellen Krieg in die Mitte Europas getragen. Und dieser Krieg hat auf ganz Europa massive Auswirkungen".

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Markus Lanz schaffte es, sowohl Gregor Gysi als auch den weiteren Gästen genügend Redezeit zu gewähren. So konnte vor allem zum Themenkomplex rund um den Ukraine-Krieg eine lebhafte und teilweise hitzige Debatte entstehen.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Bei "Markus Lanz" machte Gregor Gysi deutlich, dass er einen militärischen Sieg der Ukraine für unwahrscheinlich hält. Vielmehr forderte er weniger militärisches, aber dafür mehr "politisches Denken". Dem entgegnete Journalist Florian Neuhann streng: "Das ist der Krieg, der bei uns im Hinterhof passiert. Dass sich Europa darauf konzentriert, finde ich erstmal nachvollziehbar." Dennoch plädierte Gysi immer wieder für diplomatische Lösungswege. Dazu sagte Neuhann nüchtern, dass Wladimir Putin jedoch "keinerlei Interesse" an Friedensverhandlungen habe.

Als Gysi konterte, dass China und Indien jedoch "Verhandlungen erzwingen" könnten, platzte es aus Sabine Fischer heraus: "Herr Gysi, Sie bauen hier ein Bild auf, das in keinster Weise irgendeiner Realität entspricht." Dagegen wehrte sich der Politiker und warnte abschließend: "Wenn wir Bodentruppen hinschicken als Nato, dann haben wir einen dritten Weltkrieg. Den können wir uns nicht leisten."  © 1&1 Mail & Media/teleschau

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