Neuanfang mit Kramp-Karrenbauer? "Anne Will" wollte mit ihren Gästen eigentlich über einen möglichen Aufbruch der CDU sprechen. Am Ende landeten sie beim Werben für Schwangerschaftsabbrüche und dem Strukturwandel des Saarlandes. Und lernten trotzdem etwas über die neue CDU-Vorsitzende.
Der Taktstock, den
Geht durch das knappe Ergebnis bei der Wahl
Anne Will: Von Storch beleidigt Macron
Mit diesen Gästen diskutierte Anne Will:
- Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Parteivorsitzende
Martin Schulz (SPD), ehemaliger ParteivorsitzenderWolfgang Kubicki (FDP), Stellvertretender Parteivorsitzender- Christiane Hoffmann, Stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros des "Spiegel"
- Gabor Steingart, Journalist
Darüber diskutierte Anne Will mit ihren Gästen:
Über Annegret Kramp-Karrenbauer. Natürlich. Das Gute an dieser Runde war, dass man nicht über, sondern mit Kramp-Karrenbauer sprechen konnte – obwohl sie bereits in der Woche zuvor Gast bei Anne Will war. Bereits damals, beim Thema Ukraine-Konflikt, war sie nicht besonders auskunftsfreudig und so musste man auch diesmal zwischen den Zeilen lesen, was Kramp-Karrenbauer sagen wollte.
Zum Beispiel bei der Frage, wie schwierig es für sie sein wird, sich von der Politik Merkels abzusetzen, die ja weiterhin Kanzlerin und damit auch an einen Koalitionsvertrag gebunden ist. "Das wird ihr schwierigstes Problem werden, zu dokumentieren, wie sie ihre Ansage, sich abzusetzen, auch wirklich umsetzen werden", fragt sich Wolfgang Kubicki.
"Wir haben alle gesagt, wir stehen zu diesem Koalitionsvertrag", beruhigt Kramp-Karrenbauer diese Baustelle und lässt mit folgender Aussage ihren Willen zur Eigenständigkeit durchscheinen: "Wir haben hier unterschiedliche Ebenen. Das eine ist die Regierungsarbeit, das andere ist die eigene parteipolitische Profilierung."
Eine angebliche Spaltung der CDU sieht Kramp-Karrenbauer weniger dramatisch, als sie dargestellt wird. Weder sei sie selbst das "pure Weiter so", noch hätten
"Eine Volkspartei muss schizophren sein"
Ihre Kontrahenten Spahn und Merz hätten jedenfalls signalisiert, mit ihr weitermachen zu wollen. Mit Jens Spahn werde sie sehr eng zusammenarbeiten, mit Friedrich Merz werde sie noch ein Gespräch führen, wie eine Zusammenarbeit aussehen könnte.
Gabor Steingart ist diesbezüglich skeptischer: "Die Partei ist gespalten, vielleicht sogar noch schlimmer: Die CDU weiß gar nicht, was sie möchte. Ich bin auf ihr Gespräch mit Friedrich Merz sehr gespannt." Journalistin Hoffmann sieht eine mögliche Spaltung hingegen gelassener: "Eine Volkspartei muss in gewissem Maß schizophren sein."
Problematisch findet Hoffmann allerdings, dass von den Unterlegenen an einer Dolchstoßlegende gestrickt werde. "Als sei Friedrich Merz nicht an sich selbst gescheitert – was er ist – sondern an irgendwelchen Intrigen." Und über das angeblich herunter geregelte Mikrofon während seiner Rede erklärt Hoffmann: "Sein Problem war nicht, dass die Rede zu leise gesprochen war. Es war eine schlechte Rede, aber nicht, weil sie leise war, sondern weil sie die Menschen nicht erreicht hat, nicht emotional war, keinen roten Faden hatte, abgehoben, verkopft."
Im Anschluss ging die Diskussion in eine Art bunten Themenabend über. Irgendwann landete man beim Werbeverbot von Ärzten für Schwangerschaftsabbrüche, bei der Hinterzimmerpolitik weißer, alter Männer und beim Strukturwandel im Saarland.
Das Rededuell des Abends:
Wolfgang Kubicki unterstellte kurz zuvor noch, dass sich die CDU mit Kramp-Karrenbauer für den "kuscheligen Weg" entschieden habe. Wenige Minuten später trat ebendie den Gegenbeweis an. Zunächst ging es um die Frage, ob man eine Frau fragen dürfe, ob sie sich die Kanzlerschaft zutraue und ob man das auch einen Mann gefragt hätte.
Daraufhin gerieten die Herren Kubicki, Steingart und Schulz in einen Sprücheklopf-Wettstreit, den sich Kramp-Karrenbauer scheinbar gelassen ansah. Als dann aber Kubicki erklärte, dass er ihr eine so rhetorisch gute Rede wie vor ihrer Wahl nicht zugetraut habe, brach es aus ihr heraus: "Die Art und Weise, wie hier gesprochen wird, begleitet mich schon mein ganzes Leben lang. Als ich angefangen habe, Politik zu machen, bin ich gefragt worden: 'Was wird eigentlich aus Ihren Kindern, wenn Sie in den Bundestag gehen?' Die Kollegen, die neben mir auch in den Bundestag gegangen sind, mussten sich diese Frage nie gefallen lassen."
Einmal in Fahrt griff Kramp-Karrenbauer Gabor Steingart wegen dessen Aussage an, das "Ministerpräsidentenamt im Saarland sei ein besseres Bürgermeisteramt". Kramp-Karrenbauer echauffierte sich darüber, wie über manche Regionen geredet werde. Steingart verteidigte sich, er habe nur auf die ökonomischen Zahlen des Saarlands verwiesen: "Es ist armselig." Da platzte Kramp-Karrenbauer der Kragen, die ehemalige Ministerpräsidentin verteidigte den "beinharten Weg" des Bundeslandes. So angefasst sieht man Kramp-Karrenbauer selten.
Der Fragezeichen-Moment des Abends:
Während eines Einspielers verließ Martin Schulz seinen Platz, kam kurz nach Ende des Einspielers wieder zurück. Eine Erklärung gab es nicht, Anne Will kommentierte dem Zuschauer die Situation nur knapp: "Herr Schulz ist kurz draußen gewesen, aber sofort wieder reingekommen. Willkommen!"
So schlug sich Anne Will:
Will wird an diesem Abend wahrscheinlich selbst nicht zufrieden gewesen sein. Sie wollte der Frage nachgehen, ob mit Annegret Kramp-Karrenbauer ein Neustart bei der CDU gelingen kann. Das schien eigentlich nach wenigen Minuten schon durchdiskutiert gewesen zu sein und dementsprechend zerfaserte die Diskussion bis man irgendwann beim saarländischen Strukturwandel landete.
Das Fazit:
"Neustart mit Kramp-Karrenbauer?" Wer einen Tag nach der Wahl so eine Frage stellt, der muss wissen, dass es bei der Suche nach einer Antwort nur höchst spekulativ zugehen kann. Trotzdem lieferte die Runde interessante Einblicke darüber, wie Kramp-Karrenbauer die aktuelle Situation ihrer Partei sieht, welchen Politikstil sie bevorzugt und dass sie, als eigentlicher "Anti-Lautsprecher", auch Zähne zeigen kann.
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