- Bundeskanzler Olaf Scholz bereist zurzeit Argentinien, Chile und Brasilien.
- Bei den Gesprächen dürfte unter anderem der Zugang zu Rohstoffen wie Lithium ein wichtiges Thema sein.
Als das letzte Mal ein deutscher Regierungschef, damals noch eine -chefin, einen längeren Trip nach Südamerika unternahm, im Juni 2017 war das, machte ihr Regierungsflieger noch einen großen Bogen um Brasilien und flog gleich nach Mexiko weiter. Damals regierte zwar noch kein rechtsradikaler Jair Bolsonaro, aber der damalige Interimspräsident Michel Temer schien auch kein opportuner Gesprächspartner zu sein. Immerhin war er durch ein Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff als deren Vize ins Amt gekommen. Das Verfahren war mehr als umstritten und Temer hatte daran kräftig mitgeschraubt. Solche PR-Fotos wollte sich
Nun ist Bundeskanzler
Klimakrise: Lithium spielt zentrale Rolle
Aber wie seinerzeit Merkel scheint Scholz den Blick erst wieder in Richtung Südamerika gerichtet zu haben, seit die Rahmenbedingungen dazu zwangen. Als Merkel kam, hatte US-Präsident
Außerdem zwingt die Klimakrise zum Umdenken in Sachen Mobilität und da spielt Lithium eine zentrale Rolle. Ein Stoff, von dem – neben Bolivien – sowohl Chile als auch Argentinien reichlich zu bieten haben. "Deutschland ist im Vergleich zu China noch nicht sehr präsent im Lithiumdreieck Südamerikas", sagt Carl Moses, langjähriger Wirtschaftsexperte für Südamerika. "Vor allem in Argentinien ist eine starke Aktivität von Investoren zu beobachten", erklärt Moses. Denn anders als Chile und Bolivien sind die Rahmenbedingungen wesentlich investorenfreundlicher. "Aber auch Brasilien könnte demnächst in die Reihe der Lithium-Förderländer aufsteigen."
Neue Chancen unter Lula
Das letzte deutsche Regierungsmitglied in Brasilien war der damalige Außenminister
Brasilien ist der wichtigste deutsche Handelspartner in der Region. Die schwierige innenpolitische Lage im größten südamerikanischen Land haben die Zusammenarbeit im letzten Jahrzehnt nicht gerade beschleunigt.
Seit 2008 ist Brasilien das einzige lateinamerikanische Land, mit dem Deutschland eine strategische Partnerschaft hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel reiste 2015 gar mit ihrem halben Kabinett zu Gesprächen nach Brasília. Damals wurden die deutsch-brasilianischen Regierungskonsultationen ins Leben gerufen. Sie fielen 2017 wegen der innenpolitischen Krise in Brasilien aus und liegen seitdem auf Eis.
Unter Präsident Bolsonaro fror die Regierung sogar die finanzielle Unterstützung für den deutsch-norwegischen Amazonienfonds ein – Geld, das für die Pflege des Regenwalds eingesetzt werden sollte. Aber Bolsonaros katastrophale Umwelt- und Wirtschaftspolitik in diesem Raum ließ keine andere Wahl. Immerhin fließt das Geld wieder. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte die gute Botschaft zur Amtseinführung von Luiz Inácio Lula da Silva im Gepäck.
Endlich wieder ein Präsident, mit dem man sich in der Öffentlichkeit blicken lassen kann, ist immer wieder hinter vorgehaltener Hand zu hören. Und dieses Mal sieht es so aus, als wolle Lula Ernst machen mit dem Schutz des ökologisch so eminent wichtigen Amazonasraums, wie sein Berater Carlos Nobre web.de in einem exklusiven Interview dargelegt hatte.
Deutschland und Brasilien: Es wird Zeit für Beziehungsneustart
Es ist höchste Zeit, dass Brasilien und Deutschland wieder enger zueinander finden. Der Zug schien schon fast abgefahren. "Das wirtschaftliche Potenzial Südamerikas ist immens, stark komplementär zu Deutschland und der EU und bisher nicht annähernd erschlossen", sagt Carl Moses. "Gleichzeitig gefährdet der wachsende Einfluss Chinas die historisch gewachsene und immer noch starke Position Europas."
China ist momentan der lachende Dritte in der vorübergehend fremdelnden Beziehung der beiden Kontinente. Das "Reich der Mitte" ist inzwischen längst der größte Handelspartner vieler Länder, insbesondere Brasiliens. Für den Zugang zu dringend benötigten Rohstoffen wie Eisenerz, Kupfer, Lithium, Soja oder Rindfleisch hat sich China auf dem gesamten Kontinent in Position gebracht, zahlt gut und baut im Gegenzug Häfen oder Bahntrassen. Vordergründig sind das Infrastrukturinvestitionen, die willkommen erscheinen, weil viele Länder die Mittel dafür nicht haben. Nüchtern betrachtet dienen diese aber im Wesentlichen dazu, die benötigten Rohstoffe schnell außer Landes schaffen zu können.
Freihandelsabkommen könnte guter Neustart sein
Dagegen schienen die Bemühungen zur Schaffung einer Freihandelszone zwischen Mercosur und der EU eingeschlafen zu sein. Jahrzehnte war an dem Abkommen herumverhandelt worden, doch auch wegen der Umwelt- und Klimapolitik Bolsonaros war zuletzt an eine Ratifizierung nicht zu denken. Dabei wäre genau dies ein wirksames Mittel, die wachsende Vormachtstellung der Chinesen einzudämmen, findet Moses. Denn eines ist für ihn klar: "Wenn unsere deutsche Industrie es nicht schafft, die Ressourcen vor Ort selbst zu sichern, werden wir sie in zehn Jahren umso teurer von den Chinesen kaufen müssen." Lula hatte im Wahlkampf versprochen, das Abkommen auf den Weg zu bringen – allerdings zu nachverhandelten Konditionen. Da wird man den Mercosur-Staaten sicherlich noch entgegenkommen müssen.
Scholzens Reise kommt zwar spät, aber vielleicht noch nicht zu spät. Zwar ließ sich Scholz ein gutes Jahr Zeit, doch mit einem Jair Bolsonaro, der sein Land gezielt in die internationale Isolation geführt hatte und dem Multilateralismus misstraute, war auch kein Staat zu machen. Mit Lula, seit 1. Januar im Amt, der schon vor seinem Amtsantritt europäische Regierungen besuchte und die Klimakonferenz COP, sollte das wesentlich einfacher werden. Sicherlich sendet die Reise ein Zeichen in die Region, dass Deutschland und damit vielleicht auch die EU dabei ist, die strategische Bedeutung Südamerikas neu auszurichten. Potenzial gibt es reichlich, vor allem im Energiesektor. Brasilien verfügt über große Ölvorkommen. Wind- und Solarenergie sind zwar prinzipiell vorhanden, aber ernsthafte Bemühungen, diese zu einer tragenden Säule zu machen, hatte es zuletzt nicht gegeben.
Scholz ist in Südamerika sicherlich willkommen, ein Selbstläufer ist die Mission aber nicht. Die Staaten haben sich in den Jahren der Vernachlässigung umorientiert, umorientieren müssen. Zudem zeigt die sich zuspitzende Klimakrise, welch zentrale Rolle die Amazonasregion, genauer deren Schutz und Erhaltung, künftig für das globale Klima spielen wird. Alleine durch gutes Zureden wird Brasilien, auf dessen Staatsgebiet mehr als 60 Prozent der Regenwälder liegen, nicht dazu bewegen lassen. Das wird sich Deutschland, die EU, die ganze globale Staatengemeinschaft eine hübsche Summe kosten lassen müssen. Nicht als Wiedergutmachung, sondern eher als Zeichen einer neuen partnerschaftlichen Wertschätzung und Unterstützung.
Verwendete Quellen:
- deutschlandfunk.de: Verbündete im Kampf um freien Handel
- Auswärtiges Amt: Maas wirbt in Brasilien für Werte
- Gespräch mit Carl Moses, Wirtschaftsexperte
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