Gleichstand mit der AfD in einer Umfrage und Kritik, dass die SPD die Verhandlungen zu sehr dominiere: In der neuen Verhandlungswoche wächst der Druck auf die Union. Die Zeit drängt.

Mehr News zur Innenpolitik

Wegen sinkender Umfragewerte und interner Kritik von der Basis steht die Union bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD unter Druck. An diesem Montag wollen die Unterhändler wieder in Berlin verhandeln – führende Köpfe der Union zeigten sich zuletzt optimistisch, dass diese Woche die Schlussrunde eingeläutet wird.

CDU und CSU pochen in dieser entscheidenden Phase darauf, dass der Koalitionsvertrag eine deutliche schwarze Handschrift tragen muss. So sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit Blick auf das Wahlergebnis: "Grundsätzlich gilt: Zwischen Union und SPD besteht auf Bundesebene ein enormer prozentualer Abstand. Das muss sich im Koalitionsvertrag klar abbilden."

Hintergrund ist der Unmut innerhalb der Unionsbasis darüber, dass CDU-Chef Friedrich Merz den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel bei Themen wie Migrations-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik nicht gegen die Sozialdemokraten durchsetzen könne.

CDU-Abgeordnete kritisiert Abkehr von Wahlkampfversprechen

Zu den Kritikerinnen gehört etwa die Brandenburger CDU-Bundestagsabgeordnete Saskia Ludwig. "Seit der Gründung der AfD 2013 ist klar, warum diese Partei wächst. Die CDU hat die Anhänger einer Mitte-Rechts-Politik all die Jahre nicht bedient", sagte sie dem "Tagesspiegel".

"Im Wahlkampf 2025 haben wir dann deutlich gemacht, dass wir wieder eine liberal-bürgerliche Politik machen wollen." Aus ihrer Sicht werde dieses Versprechen aktuell nicht eingehalten.

"Es darf weder Steuererhöhungen für Bürger noch für die Wirtschaft geben", sagte Ludwig. In der Migrationspolitik fordert die CDU-Politikerin eine Umsetzung von Merz' Fünf-Punkte-Plan, der auch Zurückweisungen an der Grenze vorsieht – zur Not gegen den Willen der Nachbarstaaten.

Besonders wichtig ist der CDU-Abgeordneten eine "ehrliche Aufarbeitung" der Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie – etwa durch einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Einem Koalitionsvertrag, der dies nicht vorsieht, will Ludwig nicht zustimmen.

Kritik auch vonseiten der Jungen Union

Auch in der Jungen Union (JU) wird Kritik an den bisherigen Verhandlungen laut. JU-Chef Johannes Winkel (CDU) sagte der "Süddeutschen Zeitung" am Sonntag auf die Frage, ob er gegen eine Koalition mit der SPD stimmen würde, wenn es keinen Politikwechsel in den Bereichen Migration, Wirtschaft und Bürokratieabbau gebe: "Alles andere entspräche ja dem Motto 'Macht als Selbstzweck'."

"Die CDU darf keinen Koalitionsvertrag unterschreiben, ohne dass ein Politikwechsel kommt", forderte der Chef der Nachwuchsorganisation. "Die Zeiten, in denen das Motto galt, wir bekommen das Kanzleramt und die Sozialdemokraten die Inhalte, die sind tatsächlich vorbei."

Auch der Chef der Jungen Union Nordrhein-Westfalen, Kevin Gniosdorz, äußerte klare Erwartungen an das Verhandler-Team der Union. "Wir wollen Vertrauen zurückgewinnen, und dazu muss der Koalitionsvertrag bestimmte Erwartungen erfüllen, derentwegen die Union gewählt worden ist", sagte er dem "Tagesspiegel".

Gniosdorz forderte im Zuge dessen zukunftssichere Renten und Sozialsysteme und eine Wirtschaftswende. Zudem müssten die irreguläre Migration "so schnell wie möglich drastisch" reduziert und die Gelder aus dem Sondervermögen "zukunftsgerichtet und effizient" verwendet werden.

Esken: Wollen ganz klar an Grundrecht auf Asyl festhalten

Derweil schlug SPD-Chefin Saskia Esken beim Knackpunkt Migration eher konfrontative Töne an. Es sei ganz klar, dass die SPD am Grundrecht auf Asyl festhalten wolle, sagte sie am Abend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt". Es sei zu Recht in der Verfassung verankert.

Darauf angesprochen, ob Asylverfahren auch in Drittstaaten ausgelagert werden könnten, sagte Esken, dass andere Staaten das bereits ausprobiert hätten. "Es hat überall nicht funktioniert", sagte sie etwa mit Blick auf Italien. "Wir sollten unsere Energie nicht auf solche Versuche verschwenden."

Die Union hatte vor der Bundestagswahl einen deutlich härteren Kurs in der Migrationspolitik gefordert. Merz hatte im Wahlkampf gesagt, er wolle am ersten Tag einer Amtszeit als Bundeskanzler das Innenministerium mittels seiner Richtlinienkompetenz anweisen, "ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen".

AfD gewinnt, Union verliert seit Bundestagswahl 4,5 Punkte

Die Wählerinnen und Wähler straften die Union zuletzt ab. Sechs Wochen nach der Bundestagswahl hat die Konkurrenz von Rechtsaußen aufgeholt: AfD und CDU/CSU liegen in einer Erhebung des Meinungsforschungsinstitutes Insa für die "Bild"-Zeitung jeweils bei 24 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl am 23. Februar holte die Union noch 28,5 Prozent, die AfD landete dahinter mit 20,8 Prozent.

Für die Umfrage wurden zwischen dem 31. März und dem 4. April 1.206 Bürgerinnen und Bürger befragt. Die maximale statistische Fehlertoleranz liegt Insa zufolge bei 2,9 Prozentpunkten.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende Karin Prien zeigte Verständnis für eine mögliche Ungeduld in der Bevölkerung. "Ich verstehe, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich schnelle und deutliche Veränderungen wünschen", sagte sie der Funke Mediengruppe. Das Ziel sei, eine Regierung für alle Deutschen zu bilden. "Das wird gelingen und das werden auch die sehen, die sich jetzt in den Umfragen weiter den Rändern zuwenden", sagte die schleswig-holsteinische Bildungsministerin.

Lesen Sie auch

CSU-Generalsekretär Martin Huber erklärte, der künftige Koalitionsvertrag werde eine starke Handschrift der Union tragen, um den hohen Zustimmungswerten der AfD eine Politik der Stabilität entgegenzusetzen. "Der versprochene Politikwechsel kommt", sagte Huber der "Augsburger Allgemeinen".

"Wir stärken Deutschland in unsicheren Zeiten und werden das Land wieder in Ordnung bringen", betonte der CSU-Politiker. Die Bürgerinnen und Bürger könnten sich darauf verlassen, dass man in den Koalitionsverhandlungen ein gutes Ergebnis für das Land erreichen werde Die aktuell hohen Umfragezahlen der AfD führte der Generalsekretär auch auf äußere Umstände zurück.

Thomas Kemmerich liebäugelt mit Kandidatur für FDP-Vorsitz

Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich wurde bundesweit bekannt, als er sich 2020 mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpräsidenten von Thüringen wählen ließ. Wenige Tage später trat er zurück. Nun kann er sich vorstellen, für den FDP-Vorsitz zu kandidieren.

Schlussrunde auf dem Weg zu neuer Regierung?

Wann aber ein Koalitionsvertrag vorliegen könnte, ist unklar. CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Torsten Frei sagte am Wochenende, er sei "sehr zuversichtlich, dass wir nächste Woche zu einem Ergebnis kommen". Auch CSU-Chef Markus Söder schrieb auf X von der "Schlussrunde". (dpa/AFP/bearbeitet von ank)

Teaserbild: © Michael Kappeler/dpa