• Zum ersten Mal seit dem russischen Angriff auf die Ukraine vor rund elf Monaten liegt der Gaspreis in Europa auf dem Vorkriegsniveau.
  • Finanzminister Christian Lindner dämpft aber die Erwartungen. Er rechnet weiter mit teureren Preisen als vor dem Einmarsch Russlands.
  • Die Verbraucher werden von den gesunkenen Preisen zunächst auch nichts zu spüren bekommen. Wie geht es mit der Energiekrise weiter?

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Erstmals seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 ist der Gaspreis wieder auf das Vorkriegsniveau gefallen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) dämpft aber zunächst die Erwartungen und prognostiziert teuer bleibende Energiepreise im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". Zuletzt hatte darüber hinaus die Ankündigung Russlands, kein Öl mehr an Länder verkaufen zu wollen, die einen Preisdeckel für Öl festgelegt haben, für Verunsicherung gesorgt.

Die gefallenen Preise werden sich wohl zunächst auch nicht bei den Verbrauchern bemerkbar machen. Dabei hat die Bundesregierung zuletzt mehrere Maßnahmen beschlossen, die die Energiepreise eindämmen und Verbrauchern zugutekommen sollen. Denn neben Gas haben auch die Öl- und Strompreise den Bürgerinnen und Bürgern zuletzt Sorgenfalten ins Gesicht getrieben. Wie geht es mit der Energiekrise im kommenden Jahr weiter?

Energiekrise und Preise: Gutes Wetter sorgt für Entlastungen an den Märkten

Das Jahr 2023 startet mit milden Temperaturen, die deutlich über den Vorjahren liegen. Der Maxar-Meteorologe Matthew Dross sagt den wärmsten Januar seit Jahrzehnten voraus. Für Europa "könnte die erste Monatshälfte zu den wärmsten der letzten Jahrzehnte gehören, wenn sich die Dinge wie erwartet entwickeln", erklärt Dross der Nachrichtenagentur Bloomberg. Durch höhere Temperaturen sinkt der Gasverbrauch, was wiederum Auswirkungen auf die Öl- und Strompreise haben kann.

So geht Blooomberg davon aus, dass die stark gefallenen Strompreise weiter sinken könnten. Denn laut Dross ist im Vereinigten Königreich und auf dem europäischen Festland mit stürmischem Wetter zu rechnen, das die Stromerzeugung aus Windkraft erhöhen und damit auch den Gasverbrauch senken wird. Das Wetter könnte also seinen Teil dazu beitragen, die Auswirkungen der Energiekrise zu begrenzen.

Strompreise fallen: Doch warum merken Verbraucher nichts davon?

Das milde Wetter hat sich zum Jahresende bereits an der Börse bemerkbar gemacht. An der Strombörse in Leipzig fiel der Preis teilweise sogar ins Minus. "Die Börsenstrompreise unterliegen erheblichen Schwankungen. Am 1. Januar 2023 war der Stromverbrauch gering und die Erzeugung aus erneuerbaren Energien groß," erklärt Bruno Burger, Energieexperte vom Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme,dem Focus.

Gleichzeitig führten fallende Gaspreise und ein geringerer industrieller Bedarf über Neujahr zu den billigeren Preisen. Wenn die erneuerbaren Energien viel Strom produzieren, kommt diese billigere Energie zuerst zum Einsatz, so der Experte Burger. Wenn dann der Verbrauch niedrig ist, braucht es die Gaskraftwerke zu diesem Zeitpunkt nicht. So erklärt sich der Zusammenhang der Preise der verschiedenen Energieträger untereinander.

Der deutsche Billig-Strom wurde aber vor allem ins Ausland exportiert. Zunächst profitieren von den Strompreisen deshalb nur Firmen oder Stadtwerke, erklärt Burger. Die Preiserhöhungen für Strom zum Jahresbeginn werden also Millionen Verbraucher treffen.

Hohe Strompreise in Energiekrise: Welche Maßnahmen ergreift die Politik?

Der Bundestag hat verschiedene Energiepreisbremsen beschlossen. Die Strompreisbremse ab dem 1. März begrenzt den Preis für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs auf 40 Cent brutto pro Kilowattstunde. Mit Inkrafttreten wirkt sich die Bremse auch rückwirkend auf Januar und Februar aus. Der Stromverbrauch, der über den genannten 80 Prozent liegt, muss aber über den höheren Vertragspreis abgerechnet werden. Und wie immer beim Strom gilt: Abgerechnet wird zum Jahresende.

Finanziert wird diese Preisbremse nach Plänen der Regierung teilweise über die Abschöpfung von sogenannten "Zufallsgewinnen" der Stromproduzenten, die es ohne die Energiekrise nicht gegeben hätte. Deshalb prüft das Bundeskartellamt, ob die Preiserhöhungen der Stromversorger zum Jahresbeginn tatsächlich mit höheren Kosten für die Anbieter verbunden sind. "Wir werden in konkreten Verdachtsfällen überprüfen, ob Energiepreise ungerechtfertigt erhöht wurden, also ob die Erhöhung missbräuchlich ist, weil ihr keine entsprechende Kostensteigerung gegenübersteht", erklärt Andreas Mundt, Kartellamtspräsident, der Rheinischen Post.

Die Chefin des Bundes der Energieverbraucher, Leonora Holling, hält Skepsis aufgrund der hohen Preise für angebracht: "Wir raten Verbrauchern, Widerspruch einzulegen", erklärt sie bei Bild. Ergänzt wird die Preisbremse durch eine Senkung der Umsatzsteuer auf Gaslieferungen von 19 auf sieben Prozent. Doch was dürfen Verbraucher für das Jahr 2023 erwarten?

Strompreise im neuen Jahr: Was erwartet uns 2023?

Zunächst lautet die Devise: Geduld haben. Denn die Einkaufspreise an der Strombörse kommen immer nur verzögert bei Verbrauchern an. Stromanbieter passen ihre Preise nicht permanent, sondern nur einmal pro Jahr an. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Energy Brainpool, Tobias Federico, sagt auf n-tv.de voraus, dass die hohen Preise aus dem Jahr 2022 daher noch weiter in die Zukunft ausstrahlen werden.

"Für das kommende Jahr gibt es abhängig vom Wetter zwei Möglichkeiten: Sie bleiben auf dem hohen Niveau, steigen aber nicht exorbitant; die Strompreisbremse würde dann bis zu ihrem geplanten Ende im April 2024 greifen. Oder aber wir kommen mit unseren Gasvorräten gut durch diesen Winter. Wenn die Speicher im April noch zu mehr als 40 Prozent gefüllt sind, wird sich der Markt entspannen."

Gaspreise fallen in Energiekrise: Doch warum merken Verbraucher nichts davon?

Was für die Strompreise gilt, lässt sich auch für die Gaspreise sagen. Folgerichtig fordert Federico: "Deswegen muss die Strom- und Gaspreisbremse auf jeden Fall bis April 2024 bestehen bleiben." Denn genau wie beim Strom merken Verbraucher erst einmal nicht allzu viel von den gesunkenen Gaspreisen am Markt. Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine ist der Preis für europäisches Erdgas im Januar 2023 laut dpa auf den tiefsten Stand gesunken. Doch die Gaspreise für Verbraucher hinken genau wie beim Strom den Großhandelspreisen hinterher.

Deutschland importiert Gas und ist daher an langfristige Verträge verbunden, wie auch von Pipelines abhängig. Durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine fällt ein großer Teil des importierten Gases aus. Um Preisschwankungen im Einkauf möglichst zu eliminieren, kaufen Versorger zu verschiedenen Zeitpunkten ein: "Aufgrund langfristiger Beschaffungsstrategien der Energieversorger über mehrere Jahre kommen die Preisentwicklungen an den Großhandelsmärkten nur mit Verzögerung bei den Kundinnen und Kunden an", teilt das Bundesamt für Energie- und Wasserwirtschaft dazu mit.

Genau wie beim Strompreis ist der starke Preisabfall an den Märkten auf das milde Wetter in Europa zurückzuführen, so der Energieexperte Lion Hirth von der Hertie School in Berlin laut Berliner Morgenpost. "Die Einsparungen sind viel größer als irgendjemand erwartet hat." Die Gasspeicher Deutschlands sind also voll. Die Bundesnetzagentur hatte in ihrem Lagebericht (Stand 06.01.2023; 13 Uhr) vermeldet, dass der Gasverbrauch der 52. Kalenderwoche 30 Prozent unter dem Durchschnittsverbrauch der letzten vier Jahre lag.

Gaspreise: Welche Maßnahmen ergreift die Regierung und was erwartet uns im Jahr 2023?

Auch für Gas hat die Bundesregierung eine Preisbremse entworfen, die ebenfalls für 80 Prozent des bisherigen Verbrauches gilt und gemeinsam mit dem Terminalausbau für Flüssiggas den Gaspreis drücken soll. Wirtschaftsminister Habeck sagt der dpa dazu: "Die Preise sind so hoch, weil die Hälfte des Gases, das Deutschland verbraucht, durch Putins Lieferstopp weggebrochen ist, und wir außer den Pipelines keine Lieferinfrastruktur hatten." Durch den Infrastrukturausbau solle Deutschland so schnell wie möglich wieder an den Weltmarkt angeschlossen werden. Für Dezember übernimmt der Staat außerdem einmalig komplett die Abschlagszahlung für Gaskunden.

Trotz der sinkenden Preise und der Maßnahmen der Bundesregierung gibt Kerstin Andrea vom Bundesamt für Energie- und Wasserwirtschaft keine Entwarnung: "Aus Russland werden wir vorerst kein Gas mehr erhalten. Gas bleibt dadurch am Weltmarkt knapp und teuer." Auch Robert Habeck prognostiziert keine Rückkehr zum Preisniveau von 2021.

Eine Preisvorhersage für Gas ist aber ohnehin kaum möglich. "Die Preisentwicklung im Gasgroßhandel ist und bleibt volatil", so Andreae. Zwar werden die Haushalte mehr als in den Vorjahren bezahlen müssen, meint auch Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox zur dpa. Doch die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung werden ihren Teil zur Preissenkung beitragen.

Ölpreise fallen: Maßnahmen und Erwartungen für das Jahr 2023

Was für Gas und Strom gilt, lässt sich großteils auch für Öl sagen. Seit Herbst 2022 ist bei den Heizölpreisen ebenfalls ein Abwärtstrend zu erkennen. Während für Gas und Strom Preisbremsen entworfen wurden, gibt es eine solche für Öl aber nicht.

Der baupolitische Sprecher der Unionsfraktion, Jan-Marco Luczak kritisiert daher im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass die Ampel-Koalition Haushalte, die mit Öl heizen, vergessen habe: "Das sind Millionen von Menschen, die genauso mit explodierenden Preisen konfrontiert sind und daher ebenso geschützt werden müssen."

Doch die Beantragung eines Zuschusses soll möglich werden. Die Hilfe beläuft sich pro Haushalt auf bis zu 2.000 Euro. Als Nachweis dient die Rechnung aus dem Jahr 2022. Das geht aus einem Eckpunktepapier hervor, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt. Dazu sagte der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Miersch: "Ich bin sehr froh, dass wir im parlamentarischen Verfahren nun auch Lösungen für Haushalte gefunden haben, die nicht mit Gas- oder Fernwärme heizen."

Experte: Preisentwicklung hängt von verschiedenen Faktoren

Der Geschäftsführer des Vergleichsportals HeizOel24, Oliver Klapschus, geht im Gespräch mit der Berliner Morgenpost davon aus, dass das Preisniveau für Heizöl im Jahr 2023 weiter sinken wird. Die Preisentwicklung hänge von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem der Wetterlage und der Entwicklung der Gaspreise, wobei derzeit mit dem geringen Rohölpreis ein weiterer günstiger Faktor dazukomme. Dieser liegt zu Beginn des Jahres deutlich unter dem Preisniveau von 2022.

Wie es mit den Preisen für Gas, Öl und Strom weitergeht, hängt also von verschiedenen Faktoren ab, die sich mitunter gegenseitig bedingen. Generell gilt: Der Gaspreis als teuerste Energieform bestimmt wesentlich den Preis der anderen Energieformen, wie Energieexperte Lion Hirth in den Tagesthemen erläutert hat.

Bleibt es bei den Prognosen für einen milden Winter, ist damit eine gute Grundlage gelegt, dass es zu weiteren Preissenkungen kommen kann. Gepaart mit den Maßnahmen der Bundesregierung, dürfen Verbraucher also vorsichtig auf Entlastungen hoffen. Ein Preisniveau wie vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist aber nicht zu erwarten.

Verwendete Quellen:

  • Bdew.de: Gaspreise
  • Bdew.de: "Pauschale Missbrauchsvorwürfe sind ein Unding"
  • Bild.de: So wird 2023 für Ihr Geld und Ihre Steuern
  • Bild.de: Unser Strom wird ins Ausland verschenkt
  • Bloomberg.com: Europe Set for Warmest January in Years as Gas Crisis Eases
  • Bmwk.de: Bundestag beschließt Energiepreisbremsen – Wichtige Entlastungen für Verbraucherinnen und Verbraucher
  • Bundesnetzagentur.de: Aktuelle Lage der Gasversorgung in Deutschland
  • Deutsche Presse-Agentur
  • focus.de: Strompreis fällt ins Minus – aber für Verbraucher bleibt es 2023 teuer
  • hertie-school.org: Lion Hirth analysiert Energiekrise in den Tagesthemen
  • morgenpost.de: Experte gibt eine gewagte Prognose zu Heizölpreisen ab
  • morgenpost.de: Gaspreis auf Vorkeigsniveau: Die Gründe für den Einbruch
  • n-tv.de: "Brownouts sind wahrscheinlicher als Blackouts"
  • rnd.de: Entlastungspaket und Gaspreisbremse: Was, wenn man mit Öl oder Pellets heizt?
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