Deutschland setzt die Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge im Rahmen des UN-Resettlement-Programms vorerst aus. Grund sind die laufenden Koalitionsverhandlungen – Hilfsorganisationen hoffen auf eine baldige Fortsetzung.
Deutschland hat bei der Umsiedlung besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge einen vorübergehenden Aufnahmestopp verhängt. Mit Verweis auf die laufenden Koalitionsverhandlungen von CDU, CSU und SPD werden vorläufig keine Zusagen für neue Aufnahmen über das Resettlement-Programm mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) gemacht, wie Innenministerium und UNHCR der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.
Bis zu einer Entscheidung einer neuen Bundesregierung würden alle Verfahren ausgesetzt und keine weiteren Anträge angenommen, heißt es in einer Mitteilung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) an das UNHCR von Mitte März, die der dpa vorliegt. Nur Fälle, in denen die Verfahren schon weit fortgeschritten seien, würden ausnahmsweise noch zugelassen.
Bundesregierung hatte jährlich 6.550 Aufnahmen zugesagt
Deutschland hatte dem Flüchtlingswerk und der EU-Kommission, die die Aufnahmen finanziell unterstützt, für die Jahre 2024 und 2025 insgesamt 13.100 Plätze zugesagt. Davon sind nach Daten des UNHCR bislang 5.061 Menschen eingereist. Darunter fallen auch die humanitären Aufnahmen syrischer Flüchtlinge aus der Türkei, die EU und Türkei 2016 vereinbart haben.
Beim Resettlement-Verfahren, an dem Deutschland sich seit 2012 beteiligt, schlägt das UNHCR den Aufnahmestaaten besonders schutzbedürftige Menschen vor, die weder in ihr Heimatland zurückkehren noch im Erstaufnahmeland bleiben können. Deutsche Behördenvertreter führen dann Befragungen und Sicherheitsüberprüfung noch vor Ort durch.
Wer aufgenommen wird, muss in Deutschland keinen Asylantrag stellen, sondern bekommt einen Aufenthaltstitel für drei Jahre. Bei erfolgreicher Integration ist später der Weg zur unbefristeten Niederlassung möglich.
UNHCR hofft auf Fortsetzung unter neuer Bundesregierung
Neben dem Resettlement gibt es zusätzliche humanitäre Aufnahmen, dazu zählen seit 2022 jährlich bis zu 12.000 Plätze für besonders gefährdete Menschen aus Afghanistan. Union und SPD hatten in ihrem Sondierungspapier festgelegt, freiwillige Bundesaufnahmeprogramme wie das für Afghanistan so weit wie möglich zu beenden und keine neuen solchen Programme aufzulegen.
Das UN-Flüchtlingswerk in Deutschland nimmt nach Angaben eines Sprechers an, dass die neue Bundesregierung das Resettlement dennoch weiterführen wird, auch wenn andere Programme beendet werden. Deutschland habe sich unter den Regierungen von
Deutschland war zuletzt mit im Schnitt rund 5.000 Aufnahmen im Jahr meist das drittgrößte Aufnahmeland nach den USA und Kanada. Aufgenommen wurden auf diesem Weg vor allem Menschen, die zuvor als Flüchtlinge in der Türkei, in Ägypten, Jordanien, Kenia, Libyen und Ruanda lebten. Mehr als die Hälfte dieser Flüchtlinge sind Syrerinnen und Syrer, dazu kommen in kleinerer Zahl vor allem Menschen aus dem Irak, Jemen, dem Sudan, Südsudan, der Demokratischen Republik Kongo, Somalia und Eritrea.
Machtwechsel in den USA bedroht Zukunft Hunderttausender
Die größte Sorge aus Sicht der Helfer ist momentan allerdings der drohende Rückzug des größten Aufnahmestaats USA aus dem Resettlement-Programm. In den vergangenen Jahren nahmen die USA etwa zwei Drittel der darüber umgesiedelten Flüchtlinge auf. Unter dem vorherigen US-Präsidenten Joe Biden hatten die USA für das Jahr 2024 ab Oktober bis zu 125.000 Plätze zugesagt.
Bidens Nachfolger Donald Trump beendete am Tag seines Amtsantritts das US-Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen. Ein Gericht erklärte das Dekret für unrechtmäßig, doch die Absicht der Regierung ist erkennbar. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump die Aufnahmen erst ausgesetzt und später drastisch gesenkt.
Bamf-Chef stößt Diskussion um mehr humanitäre Aufnahmen an
Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass 2,9 Millionen Flüchtlinge unter dem Resettlement-Programm umgesiedelt werden müssten – ein Hundertstel der insgesamt 29 Millionen Flüchtlinge unter seiner Obhut. Infrage kommen beispielsweise verwitwete Mütter kleiner Kinder, Minderjährige, Folteropfer oder Menschen mit Behinderungen oder dringendem Behandlungsbedarf.
Das sind im Prinzip die Gruppen von Menschen, die unter den Asylbewerbern, die unerlaubt nach Deutschland einreisen, unterrepräsentiert sind – weil sie das Geld für den Schlepper nicht aufbringen können beziehungsweise körperlich dazu nicht in der Lage oder ein zu hohes Risiko sehen, etwa für ihre Kinder.
Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Hans-Eckhard Sommer, hatte Ende März bei einer Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung gesagt, es sei falsch, am individuellen Asylrecht festzuhalten. Sinnvoller wäre es, das aktuelle System durch humanitäre Aufnahmen "in beachtlicher Höhe" zu ersetzen.
Neben humanitären Gesichtspunkten könne hier auch die Integrationsfähigkeit des Arbeitsmarkts eine Rolle spielen. Wer dennoch unerlaubt nach Deutschland einreise, hätte dann keine Aussicht mehr auf ein Bleiberecht. Sommer, der CSU-Mitglied ist, hatte zu Beginn seiner Rede betont, nicht als Bamf-Präsident zu sprechen, sondern seine "persönliche Einschätzung" und eine Zusammenfassung seiner Erfahrungen zu präsentieren. (dpa/bearbeitet von skr)