Am Sonntag (14.) war CDU-Chef Friedrich Merz beim "ARD"-Sommerinterview zu Gast. Der mögliche Kanzlerkandidat gab sich auffallend sachlich und konnte in vielen Fragen Lösungsvorschläge anbieten. Eine Frage von Moderator Markus Preiß brachte Merz jedoch kurz aus dem Konzept – und an anderer Stelle verlangte der CDU-Politiker von der Bundesregierung schnelle Aufklärung.
Er ließ ihn nicht lange zappeln: Markus Preiß kündigte CDU-Chef
Den thematischen Einstieg bot dann zunächst der Mordversuch an Donald Trump. "Ich bin völlig entsetzt gewesen", gab Merz zu. Es zeige, in welchem Zustand Amerika sei. "Das, was heute Nacht passiert ist, wird wahrscheinlich Einfluss haben auf das Wahlergebnis", sagte er. Schon vor dieser dramatischen Zuspitzung habe man mit Blick auf die USA lernen können: In der Sache hart streiten ist in Ordnung, aber es brauche Respekt vor dem politischen Gegner.
Attentat in Deutschland? "Nicht ausgeschlossen"
Merz berichtete vom deutschen politischen Diskurs: "Die Auseinandersetzungen mit der AfD werden immer verletzender, immer persönlicher". Es sei "nicht ausgeschlossen", dass sich ein solcher Vorfall auch in Deutschland ereigne.
Der Wahlkampf in den USA werde mehr denn je durch Bilder entschieden. Da habe man diesmal auf der einen Seiten Biden als gebrechlichen Präsidenten, auf der anderen Seite nun
Merz spart an Angriffen auf die Ampel
Preiß kam dann auf eine Äußerung von Merz im Bundestag zu sprechen. Dieser hatte Kanzler
Olaf Scholz habe von einer Zeitenwende gesprochen, dem sei aber nichts gefolgt. "Er hat viele Dinge einfach weiterlaufen lassen, so wie vorher", so Merz. Eine Spitze gegen den Kanzler – aber es blieb bei wenigen davon. Merz vermied auffallend, einen scharfen Ton gegenüber der Ampel-Partei anzuschlagen, sondern gab sich vielmehr sachlich und redebereit.
Merz: "Bahn muss Angebot reduzieren"
Stellung nehmen musste er dann zum Thema Infrastruktur in Deutschland. Nach aktuellem Stand wird die Verkehrswende – der sogenannte "Deutschlandtakt" – erst 2070 abgeschlossen sein. "Wie stellt ein Bundeskanzler Friedrich Merz sicher, dass das ein paar Jahre eher kommt?", fragte Preiß.
Merz antwortete: "Netz und Betrieb müssen getrennt werden voneinander. Das Netz muss in der Hand des Staates bleiben, der Betrieb auf den Schienen kann im Wettbewerb stattfinden." Außerdem müsse man aufhören, der Bahn immer zusätzliche Aufgaben aufzuhalsen. "Die Bahn muss ihr Angebot reduzieren, damit das reduzierte Angebot zuverlässig erbracht werden kann", so Merz. Die Bahn werde derzeit strukturell überfordert.
Offene Fragen in der Pflegepolitik
Ungewöhnlich deutlich und klar antwortete Merz auf die Frage, wo die kalkulierten 92 Milliarden für die Bahn herkommen sollen. "Das Geld muss von den Nutzern miterbracht werden", sagte er. Aber auch der Staat stehe in Verantwortung. Der Erlös aus dem Verkauf der Bahn-Tochter Schenker müsse beispielsweise in die Infrastruktur der Bahn gesteckt werden.
Von einem Problem ging es zum nächsten: die Pflegepolitik. Die Durchschnittsrente in Deutschland liegt bei 1.550 Euro, der Eigenanteil für einen Heimplatz aber liegt bei 2.871 Euro, rechnete Preiß vor. Wie man dabei ohne Angst vor finanziellen Ruin altern solle, wollte er wissen.
Merz: "An der Stelle müssen wir aufpassen"
Auch hier gelang es Merz zu punkten. Statt der Ampel Vorwürfe zu machen, bot er einen Lösungsansatz an. "Die wichtigste Aufgabe wird sein, die häusliche Pflege zu stärken", sagt er. Denn der Großteil der älteren, pflegebedürftigen Menschen lebe nicht im Pflegeheim, sondern in der Familie. Ein wichtiger Baustein sei deshalb die finanzielle Förderung der Pflege zu Hause. Wo das Geld dafür herkommen soll, erklärte Merz allerdings nicht.
"Ich würde uns davor bewahren wollen, ständig weiter steigende Sozialversicherungsbeiträge zu erheben", so Merz. Das schwäche die Einkommen, den Arbeitsmarkt und den Standort Deutschland. "An der Stelle müssen wir aufpassen", warnte er. Im System Pflege- und Krankenkasse gebe es nach wie vor große Effizienzreserven. Er wolle aber nicht mit Repression, Druck und staatlicher Regulierung arbeiten, sondern mit Anreizen und Boni.
In Ampel herrsche "Gift des Misstrauens"
So viel zu den Idealvorstellungen des CDU-Chefs – Preiß brachte dann wieder die politische Realität ins Spiel und fragte angesichts weiter zersplitternder politischer Verhältnisse: "Gehen der CDU die Koalitionspartner aus?"
Merz meinte: "Wir sind als CDU und CSU der Fels in der Brandung. Wir sind die mit Abstand stärkste, stabilste politische Kraft in Deutschland." Man werde nach der kommenden Wahl hoffentlich nur einen Koalitionspartner brauchen und habe dann hoffentlich zwei zur Auswahl.
In der Ampel herrsche mittlerweile eine "Gift des Misstrauens". Wenn so etwas einmal in einer Gruppe sei, komme man nur schwer wieder heraus. Ziemlich selbstbewusst und siegessicher behauptete Merz: "Ich bemerke, dass viele Sozialdemokraten beginnen, ziemlich freundlich zu uns zu werden, was sie zu Beginn der Wahlperiode in der ersten Hälfte nicht waren. Weil sie offensichtlich auch merken, dass das nach der nächsten Bundestagswahl möglicherweise ganz anders werden wird."
Keine Koalition mit dem BSW
Eine Zusammenarbeit mit dem BSW auf Bundesebene schloss Merz aus. Was auf der Landesebene denkbar und möglich sei, müsse jedoch auf Landesebene entschieden werden. Zur Frage der Kanzlerkandidatur äußerte er sich wenig überraschend nicht.
Man werde im Spätsommer einen Vorschlag machen und dabei auch die Landtags- und Europawahlergebnisse miteinbeziehen. "Markus Söder ist ein sehr guter Ministerpräsident in Bayern", konstatierte Merz. Den Rest werde man hinter verschlossenen Türen diskutieren.
Flug für über 111.000 Euro
Dann kam Preiß auf das Thema zu sprechen, dass er Merz schon eingangs angekündigt hatte: der Eurofighter-Flug. Merz war im Juni bei einem Trainingsflug des Eurofighters in Laage bei Rostock mitgeflogen. Die Kosten dafür beliefen sich auf 111.242,38 Euro. Zwischenzeitlich flog Hobby-Pilot Merz das Flugzeug auch selbst.
"Ich habe eine Einladung der Bundeswehr angenommen", rechtfertigte Merz. Er habe sich von der Einsatzfähigkeit der Luftwaffe über der Ostsee überzeugen wollen. Die Ostsee sei eine der empfindlichsten Stellen im Konflikt mit Russland. Preiß setzte nach: "Was haben Sie über die Bundeswehr gelernt, was man nur beim Durchbrechen der Schallmauer lernen kann?"
Eine Frage reizt ihn ziemlich
Merz hatte das gesamte Interview über mit einer solchen Frage rechnen können und antwortet entsprechend schlagfertig: "Zu sehen, wie Soldaten im Einsatz gefordert werden, welche physischen Anforderungen so etwas stellt und auch mal diesen Luftraum zu sehen über der Ostsee, der zu den gefährdetsten Lufträumen in Europa in dem Konflikt mit Russland gehört."
Der Flug hätte auch ohne ihn stattgefunden, so Merz weiter.
Eine Frage schien in dann aber doch ziemlich zu reizen. Preiß setzte nämlich noch ein drittes Mal an: "Wer hat bei diesem Flug mehr gelernt, der Politiker oder der Hobby-Pilot?"
Merz antwortete leicht angesäuert: "Ganz eindeutig der Politiker, aber der Hobby-Pilot hat eine neue Dimension kennengelernt, die er bisher in dieser Form nicht kannte."
Merz fordert Aufklärung
Preiß brachte dann noch die Stationierung von neuen US-Waffen ab 2026 in Deutschland auf den Tisch. Die Marschflugkörper und Mehrzweckraketen können Ziele in mehr als 2.000 Kilometer Entfernung treffen.
"Ich bin über diese Entscheidung sehr überrascht gewesen. Ich habe bis zum heutigen Tag keine Unterrichtung durch die Bundesregierung erhalten", beschwerte sich Merz. Er erwarte in den nächsten Tagen eine präzise Berichterstattung der Bundesregierung über das Vorhaben. "Das ist eine fundamentale Veränderung der strategischen, militärischen Lage in Europa und in Deutschland. Das kann man nicht mal so mit einer Pressemitteilung machen", kritisierte er.
Was unter dem Strich hängenblieb
Es handele sich vermutlich um eine Reaktion auf die vermehrte Bombardierung ziviler Ziele in der Ukraine durch Russland. Er wolle aber über die genauen Umstände der Entscheidung informiert werden.
Zum Schluss ging es dann noch um den Zustand der Bundeswehr. Er sei "grundsätzlich gegen neue Sondervermögen", sagte Merz. Es brauche im laufenden Etat höhere Ausgaben für die Verteidigung. Man werde nicht darum herumkommen, im Bundeshaushalt neue Prioritäten zu setzen und an anderer Stelle einzusparen.
Merz blieb eine Antwort schuldig
Wo diese Einsparungen konkret erfolgen sollen – diese wichtige Antwort blieb Merz dann aber doch schuldig. Unter dem Strich: Merz dürfte mit seiner Performance im Sommerinterview zufrieden sein. Hängen blieb das Bild eines nüchternen und anpackenden Politikers.
Die Eurofighter-Fragen stellten als hässlicher Fleck manche der gut genutzten Chancen in den Schatten. Moderator Preiß hätte Merz stellenweise mehr aus der Reserve locken dürfen. Reizthemen wie Bürgergeld, Migration, Energiepolitik und Klimapolitik umschiffte er fast vollständig. Ob Merz auch hier so nüchterne Lösungsvorschläge gehabt hätte, bleibt offen.
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