• Armin Laschet hat seinen Rückzug vom CDU-Vorsitz angedeutet. Auch eine Jamaika-Koalition mit einem anderen Kanzler der Union hält er für möglich.
  • Gleichzeitig hat Laschet neue Fragen aufgeworfen und für Verwirrung gesorgt. Wie genau die personelle Neuaufstellung der CDU erfolgen soll, ist noch unklar.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Fabian Busch sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Tritt er nun zurück oder nicht? Will er noch Kanzler werden oder nicht? Von Armin Laschets Auftritt am Donnerstag hatten sich seine Partei, die Presse und nicht zuletzt auch viele Menschen im Land Klarheit erhofft.

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Doch der CDU-Vorsitzende hat zwar Veränderungen angekündigt – aber gleichzeitig vieles offengelassen. Rückfragen der Presse waren nicht möglich. Was wissen wir also nach seinem Statement? Und was wissen wir nicht?

1. Ist Laschet bereit, den CDU-Vorsitz abzugeben?

Zurückgetreten ist Laschet noch nicht. Er hat auch nicht ausdrücklich gesagt, dass es einen neuen Vorsitzenden oder eine neue Vorsitzende geben soll. Allerdings will er "einen Kandidaten oder eine Kandidatin" für die personelle Neuaufstellung nach der Wahlniederlage suchen. "Wir müssen dieses Ergebnis aufarbeiten und die Neuaufstellung der CDU vorantreiben." Das ist wohl Laschets Art zu sagen, dass er bereit ist, sich zurückzuziehen.

2. Gibt es nur einen Kandidaten oder eine Kandidatin für Laschets Nachfolge?

2018 und 2021 bewarben sich jeweils drei Personen um den CDU-Vorsitz. Sie besuchten die Basis und traten dann beim Parteitag gegeneinander an. Diesen Weg will Laschet dieses Mal nicht gehen. Der innerparteiliche Wettbewerb vor den vergangenen Vorsitzendenwahlen hat aus Sicht vieler in der CDU eher der Geschlossenheit geschadet.

Der scheidende Vorsitzende will selbst eine Person für seine Nachfolge suchen. In den kommenden Wochen will Laschet mit den Landesvorsitzenden beraten, wer infrage kommt. Er wolle einen "Konsens aller, die in Betracht kommen". Es soll so laufen wie in Nordrhein-Westfalen, wo sich die Landes-CDU gerade auf Hendrik Wüst als neuen Ministerpräsidenten geeinigt hat.

Das würde aber auch bedeuten, dass die Parteibasis wenig mitreden kann. Der Prozess würde eher hinter den Kulissen statt in Regionalkonferenzen stattfinden. Auch von einem Mitgliederentscheid hat Laschet nicht gesprochen. Es wäre also die Aufgabe der 1.001 Delegierten eines Parteitags, die Person zu bestätigen, auf die die Wahl gefallen ist.

3. Wie realistisch ist Laschets Plan?

Als sich Annegret Kramp-Karrenbauer Anfang 2020 vom CDU-Vorsitz zurückzog, hatte sie Ähnliches im Sinn wie Laschet jetzt. Allerdings machten ihr die Männer, die ihren Posten übernehmen wollten, einen Strich durch die Rechnung. Nach kurzer Zeit erklärten zunächst Norbert Röttgen, dann Armin Laschet und Friedrich Merz ihren Willen zur Kandidatur.

Auch dieses Mal sind mehrere Aspiranten im Gespräch, wie beim letzten Mal bisher ausschließlich Männer. Norbert Röttgen und Gesundheitsminister Jens Spahn könnten ihr Glück erneut versuchen. Friedrich Merz hält sich eine Kandidatur offen. Auch die Namen von Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Carsten Linnemann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union, sind zu hören.

"Wir wollen dieses Mal einen anderen Weg gehen, wir wollen einen Weg des Konsenses gehen. Und jeder ist auch klug, sich jetzt daran zu halten", sagte Laschet. Allerdings ist fraglich, ob ihm dieser Konsens gelingt. Er müsste eine Person finden, hinter der sich alle Teile der Partei versammeln können. Auch die Kontrahenten müssten sich hinter dieser Person einreihen und ihren eigenen Ehrgeiz zügeln. Die Zeitung "Die Welt" fragte bereits: "Wird es Stunden, Tage oder doch wenige Wochen dauern, bis diese Pläne ihm alle um die Ohren fliegen?"

4. Wie sieht der Zeitplan aus?

"Zügig anpacken" will Laschet die Neuaufstellung. Schon in der kommenden Woche will er den Parteigremien vorschlagen, einen Parteitag einzuberufen. Ort und Datum stünden aber noch nicht fest, sagte er am Donnerstag.

Nach den Statuten der CDU beträgt die übliche Frist für die Einberufung eines Parteitags einen Monat. Allerdings steht dort auch, dass die Delegierten spätestens zwei Monate vor dem Termin eingeladen werden müssen. Der Parteitag könnte also frühestens Mitte Dezember über die Bühne gehen. Aus der Partei ist zu hören, dass er voraussichtlich Anfang kommenden Jahres stattfinden wird.

Laschet nannte am Donnerstag weitere Termine: Im November soll eine "Ost-Konferenz" und im Dezember eine Konferenz der Kreisvorsitzenden stattfinden. Ob dort auch die personelle Neuaufstellung ein Thema sein wird, ließ er aber offen.

5. Ist Jamaika noch eine Option?

Die Verwirrung, die Laschet ausgelöst hat, hängt auch mit dem Aufbau seines Statements zusammen. Zunächst sprach er nämlich über die Bereitschaft seiner Partei, eine Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP zu bilden. Wenn deren Gespräche über eine Ampel-Koalition mit der SPD ergebnislos bleiben, will die Union es versuchen. Laschet sprach von "zahlreichen Gemeinsamkeiten", von einer "Bereitschaft zum Kompromiss": "Wir werden mit unseren Ideen bereitstehen."

In der Schwesterpartei CSU hatte sich das in den Tagen zuvor noch anders angehört: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bezeichnete die Ampel-Sondierungen als "de facto eine Absage an Jamaika".

6. Welche Rolle könnte Laschet in einer möglichen Jamaika-Koalition spielen?

Derzeit stehen die Zeichen eher auf Ampel. Doch Armin Laschet betont, er stehe als "Ansprechpartner" für Verhandlungen über eine Jamaika-Koalition bereit. Gleichzeitig wäre er aber auch bereit, auf das Kanzleramt zu verzichten: "Es geht nicht um die Person Armin Laschet. Wenn man zu anderen Lösungen kommen will, ist das möglich."

Auch dieser Schritt wirft Fragen auf: An wen richtet er sich? Glaubt Laschet, dass Grüne und FDP eher mit sich reden lassen, wenn sie ihn nicht zum Kanzler wählen müssen? Und wer sollte an seine Stelle treten? Konsequenterweise müsste das der neue CDU-Vorsitzende sein. Der müsste dann aber auch recht schnell gefunden werden.

Auch dann würde sich aber eine weitere Frage ergeben: Ist es den Bürgerinnen und Bürgern zu vermitteln, dass eine Person zum Kanzler gewählt wird, die dafür im Wahlkampf gar nicht als Kandidat angetreten ist?

Fazit: Es bleiben mehr Fragen als Antworten

Wer sich von Laschets Auftritt Klarheit erhofft hatte, muss enttäuscht sein. Denn der CDU-Vorsitzende sendete zum Teil widersprüchliche Signale. Einerseits betonte er, die Union wolle weiterregieren. Erneuerung sei in der Regierung sogar einfacher als in der Opposition. Andererseits fragte er: "Kann es nicht dieses Mal gelingen, dass wir eine gemeinsame Lösung in der Opposition finden?"

Die CDU befindet sich in einem ähnlichen Machtvakuum wie nach der Rückzugsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer 2020. Die Stimmung in der Partei dürfte jetzt unter dem Eindruck des desaströsen Wahlergebnisses aber noch unruhiger sein.

Der verstorbene Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki beendete seine Fernsehsendungen immer mit einem Brecht-Zitat, das auch zu Laschets Auftritt am Donnerstag passt: "Und so sehen wir betroffen – der Vorhang zu und alle Fragen offen."

Quellen:

  • CDU.de: Statutenbroschüre der CDU Deutschlands
  • Welt.de: Gehen, um vielleicht doch zu bleiben
  • Süddeutsche.de: CDU-Chef Laschet - Sein Blick auf die Welt

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