• Klimagerechtigkeit ist der Schwerpunkt des Treffens im ägyptischen Scharm el Scheich. Doch was steckt dahinter?
  • Die zwölf wichtigsten Fragen zur globalen Klimagerechtigkeit, dem zentralen Thema der Weltklimakonferenz COP27.

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COP27 – was ist das überhaupt?

Die Abkürzung COP steht für "Conference of the Parties”. Das sind die 197 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, ⁠UNFCCC⁠) aus dem Jahr 1992.

Die Konferenz zur Klimarahmenkonvention findet jährlich statt, 2022 zum 27. Mal, daher heißt sie COP27. Sie findet vom 6. bis 18. November im ägyptischen Scharm el Scheich statt.

Worüber reden wir?

Wie immer beim Weltklimagipfel: Wie schaffen wir es, die Treibhausgas-Emissionen weltweit zu senken? Dabei geht es darum, wie das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 noch erreicht werden kann.

Außerdem stehen die Forderungen der Entwicklungsländer und die Verpflichtungen der Industrieländer im Mittelpunkt.

Was ist das 1,5-Grad-Ziel?

Das 1,5-Grad-Ziel markiert die Grenze, ab der vier sogenannte Klima-Kipppunkte überschritten werden. Das sind Entwicklungen, deren katastrophale Folgen nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Dazu zählen das Abschmelzen des grönländischen und westantarktischen Eisschilds, das Absterben der Korallenriffe und das Tauen des Permafrost-Bodens.

Im Pariser Klimaabkommen (COP21) hatten sich 2015 erstmals alle Staaten der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, einen eigenen Beitrag zum Klimaschutz zu erarbeiten: Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländer. Diese nationalen Beiträge sollten so bemessen sein, dass die globale Durchschnittstemperatur auf weniger als 2 Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts ansteigt – möglichst sogar nur bis auf 1,5 Grad.

Ein 2018 veröffentlichter Sonderbericht des Weltklimarats IPCC zeigte die große Bedeutung des 1,5-Grad-Ziels. Die Einhaltung des 1,5-Grad-Ziels wurde deshalb 2021 in der Abschlusserklärung der COP26 in Glasgow bekräftigt.

Schaffen wir das mit den 1,5 Grad?

Wenn es so weiter geht wie bisher: nein. Nach der Weltklimakonferenz in Glasgow 2021 besserten viele Staaten zwar ihre Selbstverpflichtungen nach – doch in Summe reichen die Korrekturen noch nicht aus. Eine Auswertung der Vereinten Nationen ergab kurz vor der COP27, dass wir auf 2,5 Grad zusteuern.

Was sind "Loss and Damage"?

"Loss and damage" bedeutet wörtlich "Verluste und Schäden". Der Begriff ist wichtig im Zusammenhang mit der Klimagerechtigkeit. Die Entwicklungsländer im globalen Süden leiden am stärksten unter Hitze, Dürren und Überschwemmungen – den Folgen der Erderwärmung. Betroffen sind vor allem afrikanische, asiatische und mittel- und südamerikanische Länder, die sich auf der Klimakonferenz in der G77-Gruppe organisieren.

Pakistan, das im Sommer 2022 von verheerenden Überschwemmungen litt, die sich über ein Drittel des Landes erstreckten und 33 Millionen Menschen aus ihren Unterkünften vertrieb, hat auf der COP27 den Vorsitz der G77-Gruppe. Es kündigte im Vorfeld an, "Loss and damage" zum Hauptthema machen zu wollen.

Es geht um die finanzielle Bewältigung von katastrophalen Naturereignissen. Hinzu kommen Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen wie der Bau von Dämmen, das Kühlen von Häusern, die Umsiedelung von Menschen, die Einrichtung von Naturschutzparks für naturbasierten Klimaschutz oder die Erschließung erneuerbarer Energien. All das kostet sehr viel Geld.

Die Entwicklungsländer verlangen einen Ausgleich für die Verluste und Schäden von den Ländern, die historisch am meisten zur Klimakrise beigetragen haben. Die Industriestaaten lehnen bislang solche Ausgleichszahlungen ab. In der Schlussvereinbarung von Glasgow wurden fast alle Hinweise auf das Thema entfernt. Eine Befürchtung ist, dass sie damit ihre Verantwortlichkeit eingestehen würden und damit eventuell juristisch zu diesen Zahlungen gezwungen werden könnten. Eine andere, dass die Schäden und Verluste so hoch werden, dass sie nicht mehr bewältigt werden können.

Auf der COP27 werden die Klimadiplomaten Wege ausloten, um Zahlungen an die am stärksten betroffenen Länder zu bewerkstelligen. Das könnte in Form eines Fonds, einer neuen Versicherung oder einer vertraglich vereinbarten Reparationszahlung erfolgen. Den Industriestaaten geht es dabei darum, dass die Zahlungsverpflichtungen künftig nicht zu hoch werden.

Wird Klimawandel als Fluchtursache anerkannt?

Weltweit sollen schon heute bis zu dreimal mehr Menschen auf der Flucht vor Naturkatastrophen sein als vor Kriegen. Doch verändernde Klimabedingungen werden auch in Deutschland noch nicht als Fluchtursache anerkannt. Die Klimakrise ist kein anerkannter Asylgrund.

Inwieweit auf der COP27 unter dem Punkt "Loss and Damage" die Frage von Flucht und Vertreibung in Folge von Dürren und Hungersnöten abgedeckt werden kann, ist unklar. Denn mit Klimaflucht sind weitere Fragen verbunden: Welche Aufnahme erhalten die Klimaflüchtlinge in ihren Zufluchtsländern? Können sie auf rasche Einbürgerung vertrauen, wenn ihr Staat, etwa ein Inselstaat, nicht mehr bewohnbar ist? Oder müssen sie mit einem generationenübergreifenden Zustand der Staatenlosigkeit rechnen?

Stoßen die Industrieländer noch immer mehr CO2 aus als die Schwellenländer?

Jein. Das Wirtschaftswachstum in einigen Schwellenländern führte in den letzten Jahren zu einem starken Anstieg der Treibhausgase. 2019 war China mit 27 Prozent der größte Emittent der Welt, gefolgt von den USA mit 11 Prozent, Indien mit 7 Prozent und der Europäischen und mit 6 Prozent. 2030 sollen die Emissionen der Entwicklungsländer die der Industriestaaten übersteigen.

Aber: Betrachtet man die Pro-Kopf-Emissionen, sieht das anders aus: 2018 waren die USA mit 16 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr Spitzenreiter, Deutschland kam auf neun Tonnen.

Erderwärmung: Katastrophe oder nicht - Die Unterschiede zwischen 1,5 und 2 Grad Klimaerwärmung

Bei steigenden Temperaturen steigt auch das Risiko für Naturkatastrophen. Wie stark diese ausfallen und wie häufig sie vorkommen, erklären wir im Video. (Foto: iStock-Brasil2)

Wer verursacht die meisten Emissionen?

Laut dem World Resources Institute emittiert jemand, der in den USA, Luxemburg, Katar oder Saudi-Arabien zum reichsten einen Prozent gehört, mehr als das Zweitausendfache eines armen Bewohners von Ländern wie Ruanda, Honduras oder Tadschikistan.

Auch innerhalb der Industriestaaten sind es die wohlhabendsten Bürgerinnen und Bürger, die die meisten Treibhausgase verursachen: "Die einkommensstärksten zehn Prozent der europäischen Haushalte sind für 27 Prozent der Emissionen in der EU verantwortlich, während die untere Hälfte etwa 26 Prozent der klimaschädlichen Gase verursacht," stellte der Soziologe Klaus Dörre 2022 fest. Das reichste Prozent verursache einen jährlichen Pro-Kopf-Ausstoß von 55 Tonnen CO2 und liege damit um etwa das Siebenfache über dem europäischen Durchschnittswert. Der Hauptgrund ist das Fliegen.

Wie unterstützen die Industrieländer die Entwicklungsländer bei Klimaschutz und Klimaanpassung?

Zu wenig. Auf der Weltklimakonferenz COP15 in Kopenhagen im Jahr 2009 haben sich die Industrieländer verpflichtet, den Entwicklungsländern ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Mitteln für Schutz- und Anpassungsmaßnahmen gegen die Klimakrise zur Verfügung zu stellen. 2020 kamen allerdings laut Auswärtigem Amt nur 83,3 Milliarden statt 100 Milliarden US-Dollar für die kollektive Klimafinanzierung zusammen.

Nach der COP26 stellten die Industrieländer einen Klimafinanzierungsplan auf. Demnach erhöhen die Industrieländer ihre Zahlungen weiterhin und verbessern gleichzeitig den Zugang der Entwicklungsländer zur Klimafinanzierung – offenbar konnten nicht alle Gelder abgerufen werden. Außerdem sollen die Industrieländer mit multilateralen Entwicklungsbanken zusammenarbeiten und das Auftreiben privater Klimafinanzierung verbessern. Dabei spielen nicht Kredite, sondern Zuschüsse für die meisten Klimafinanzierungsprogramme eine entscheidende Rolle.

Gibt es Industriestaaten, die mehr zahlen?

Eine Reihe von Staaten hat auf der COP26 sowie in den anschließenden Verhandlungen weitere individuelle Zusagen zur Klimafinanzierung gemacht. Dazu gehören Italien, Japan, die Niederlande, Norwegen und Schweden. Deutschland erhöhte ebenfalls seine Mittel und gehört damit zu den größten einzelnen Geldgebern: Während es 2020 rund fünf Milliarden bereitstellte, waren es im vergangenen Jahr 8,1 Milliarden Dollar. Die USA wollen – abhängig von einem noch ausstehenden Kongressbeschluss – bis 2024 über drei Milliarden Dollar jährlich bereitstellen.

Wie viel Geld steht für naturbasierten Klimaschutz bereit?

Im Vorfeld der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 wurden einige Fortschritte beim sogenannten "naturbasierten Klimaschutz" erzielt. Dabei geht es zum Beispiel um Renaturierungs- und Aufforstungsprogramme, um natürliche CO2-Senken wie Moore, Auen und Wälder sowie Mangroven, Algenwälder und Seegraswiesen zu bewahren und vergrößern.

Im Rahmen des auf der COP26 in Glasgow angekündigten Global Forest Finance Pledge (GFFP) sollen zwischen 2021 und 2025 zwölf Milliarden US-Dollar für forstbezogene Klimafinanzierung bereitgestellt werden. In Scharm el Scheich wollen sich eine Reihe von Ländern treffen, um an der Umsetzung der in Glasgow besprochenen Erklärung zum Waldschutz und Landnutzung weiterzuarbeiten. Ziel sind ein Entwaldungsstopp und die Aufforstung bis 2030 sowie eine Verbesserung der Bodenqualität. Die Erklärung hatten 140 Länder auf der COP26 unterzeichnet.

Welche Rolle spielt der Ukraine-Krieg für die Weltklimakonferenz?

Eine große. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat vieles verändert. Auf der COP26 in Glasgow galten die vereinbarten Klimagespräche zwischen den USA und China als vielversprechender Fortschritt. 2025 wollten beide ihre Fortschritte der Öffentlichkeit präsentieren. Doch seit dem Krieg sollen die Gespräche zum Stillstand gekommen sein.

Der Weltklimarat IPCC setzt in seinem aktuellen Sachstandbericht für den Ausbau fossiler Infrastrukturen ein großes Stoppschild. Doch unter dem Mantra der Energiesicherheit geht dieser jetzt weiter. In Deutschland werden LNG-Terminals gebaut. Spanien, Frankreich und Portugal beschlossen den Bau einer neuen Gaspipeline. Außerdem drängen Deutschland und andere führende Industriestaaten wie Frankreich und Spanien mehrere afrikanische Staaten dazu, fossile Energien zu fördern und ihre Gas-Infrastruktur auszubauen.

Die EU-Länder wollen jedoch auch ihre Emissionen stärker mindern und den Ausbau der erneuerbaren Energien stärker vorantreiben, um speziell von russischem Öl und Gas unabhängiger zu werden. Laut einem Beschluss des europäischen Parlaments zur Energieeffizienz-Richtlinie soll der End- und Primärenergieverbrauch bis 2030 um mindestens 40 Prozent und der Primärenergieverbrauch um 42,5 Prozent im Vergleich zu den Prognosen von 2007 gesenkt werden.

Dieser Beitrag stammt vom Journalismusportal RiffReporter. Auf riffreporter.de berichten rund 100 unabhängige JournalistInnen gemeinsam zu Aktuellem und Hintergründen. Die RiffReporter wurden für ihr Angebot mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet.

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