Bill und Tom Kaulitz, da würden beide sicher nicht widersprechen, reden gerne. Gerne auch mit und durcheinander. Bei ihrem Podcast "Kaulitz Hills" sorgt das bisweilen für Verständnisprobleme. In der neuesten Folge geben die beiden aber, wenn auch unbewusst, den Anstoß, einmal nicht übers Reden, sondern übers Zuhören nachzudenken und wann das wichtig ist und wann nicht.
Na, wieder erholt? Der Tinnitus langsam abgeklungen? War ja ganz schön wild in der vergangenen Woche, als
Tom verspricht trotzdem, es in dieser Woche langsamer angehen zu wollen und das begrüße ich. Schließlich haben die beiden Kaulitz-Brüder diesmal wieder eine ganze Menge zu sagen. Über die Moostöne der Studio-Couch und den hohen Anteil abgelaufener Lebensmittel in Bills Snack-Vorrat kommen die beiden zum Beispiel zu Bills Fahrstil, über den Bruder Tom aufgrund kürzlich gemachter Erfahrung sagt: "Du bist im Auto ein junger Straßenproll." Er hingegen fahre bedachter und am Ende seien beide zur gleichen Zeit am Ziel angekommen.
Außerdem findet Bill, "er müsse sich sehen lassen", schließlich sei gerade Grammy-Verleihung. Das "Müssen" kann man natürlich grundsätzlich anders sehen, aber Bill findet in dieser Folge eine ganze Reihe von Dingen. Zum Beispiel findet Bill den RTL-Moderator
Über Müsli, Disney und die Tournee
Seinen Bruder Tom beschäftigen in dieser Folge andere Dinge. Er zum Beispiel ist fasziniert von der technischen Möglichkeit, Gesang, bewegte Bilder und Musik aufnehmen zu können. In der Causa Köppen findet Tom wiederum: "Es gibt kaum Männer, die du nicht heiß findest." Den Valentinstag findet Tom aber auch wichtig. Außerdem findet Tom, er habe eine angenehmere Sprechstimme als Bruder Bill und er hält den Wunsch, dass Bildschirme immer hochauflösender sein müssen, für "einen der größten Irrtümer der Menschheit".
Das sind bereits jetzt eine Menge Themen, aber die Kaulitz-Brüder haben noch mehr im Warenkorb. So sprechen sie davon, gerne einen Disney-Film synchronisieren zu wollen, über den Unterschied zwischen Porridge, Cornflakes und Müsli, über die Haltungsbedingungen von Orchideen, über Bills neuen Hund namens Alfia Pearlpop, über die anstehende Tournee, über die Bedeutung des Ausdrucks "Netflix and chill" und darüber, ob es besser ist, Italienisch zu verstehen oder Tiere.
Hui, ist Ihnen auch schon ganz schwindelig? Wenn man sich dieses Themen-Potpourii so ansieht, dann hat man irgendwie das Gefühl, dass es nicht nur darauf ankommt, wie man etwas sagt und ob man den anderen dabei ausreden lässt. Nein, irgendwie scheint es auch wichtig zu sein, was man da so alles sagt. Denn zum einen gehört zum Sagen auch das Gehört-werden und zum anderen scheint beim Gesagten nicht alles gleich wichtig zu sein. Um es mal so zu formulieren. Zumindest ist mir nicht alles, was Bill und Tom Kaulitz da so sagen, so wichtig wie es für Bill und Tom Kaulitz ist.
Wann Zuhören nicht so wichtig ist
Der Fahrstil von Bill zum Beispiel. Dennoch erkenne ich an, dass Bill und Tom in Bezug aufs Autofahren unterschiedliche Bedürfnisse haben. Im Fall Köppen hingegen verhält es sich bei mir wie bei Pastinaken oder dem 1. Newtonschen Gesetz – dazu habe ich wirklich überhaupt keine Meinung. Eine Meinung habe ich hingegen zu Toms Ansicht immer hochauflösendere Displays seinen "einer der größten Irrtümer der Menschheit". Ich denke, da unterliegt er einer Fehleinschätzung. Es gibt größere Irrtümer. Dazu gleich mehr.
Es wurde also wieder einmal viel gesagt bei "Kaulitz Hills" und dementsprechend viel konnte gehört werden – auch wenn das Interesse am Gesagten von Sagenden und Hörenden unterschiedlich beurteilt wird. Zumindest, was mich betrifft. Dabei muss ich allerdings zwei Dinge einräumen. Zum einen fände ich es von Tom und Bill Kaulitz zu viel verlangt, würde die beiden vorher bei mir und allen anderen Zuhörern durchklingeln und fragen, worüber sie denn sprechen sollen. Das würde einen erheblichen Mehraufwand bedeuten oder ein sehr langer Podcast werden. Beides kann niemand wollen. Zum anderen erkenne ich natürlich die Not an, in Podcasts etwas sagen zu müssen. Das bietet sich einfach an.
Gleichzeitig geht bei so viel Geplapper der Reiz der Stille natürlich verloren und ich persönlich finde Stille sehr reizvoll. "Na, dann hör doch einfach nicht zu!", kann man da völlig zu Recht einwerfen und in der Tat mache ich das häufig. Ich weiß nicht, wie es Tom Kaulitz handhabt, aber ich zum Beispiel höre Heidi Klum sehr gerne nicht zu. Das kann ich stundenlang. Nicht zuzuhören kann für beide Seiten ja auch entlastend sein. Da kann der eine schnattern, was er will und der andere hat die Ohren frei für Wichtigeres.
Lesen Sie auch
Wann Zuhören sehr wichtig ist
Es gibt aber Momente, da ist Zuhören ganz wichtig. Da kommt es nicht nur darauf an, wie etwas gesagt und was gesagt wird, sondern auch, wer es sagt. Denken wir uns einmal ein Beispiel aus. Wenn sich etwa in einem Hotel Rechtsextreme mit angeblichen Nicht-Rechtsextremen treffen und Rechtsextremen-Kram erzählen, dann sollte man da genau zuhören. Vor allem, wenn bei dem Treffen Vertreter einer Partei dabei sind, die von sich gerne behauptet, nicht rechtsextrem zu sein.
Wenn sich diese Partei dann aber über das Zuhören aufregt, weil dieses Treffen angeblich privater Natur gewesen sei, sollte man ebenfalls genau zuhören und sich fragen, was das denn für eine Partei ist, deren Vertreter sich privat mit Rechtsextremen treffen, obwohl die Partei ja angeblich nicht rechtsextrem ist. Ich denke, das muss auch für rechtsextreme Wähler dieser Partei verwirrend sein. Die wissen ja dann gar nicht, ob sie die Partei wählen sollen, weil sie rechtsextrem ist oder lieber doch nicht, weil sie behauptet, es nicht zu sein.
Ist ja nur ein fiktives Beispiel, aber gäbe es so einen Fall, sollte diese Partei zur Klärung, dass sie wirklich nicht rechtsextrem ist, wie sie behauptet, das Ganze ein bisschen deutlicher machen. Also sich zum Beispiel nicht mit Rechtsextremen treffen, auch nicht privat. Sie sollte Rechtsextreme in ihrer Partei auch so nennen und sie rausschmeißen. Und vor allem sollte sie keinen rechtsextremen Scheiß erzählen. Ich denke, die Partei wäre dann zwar viel kleiner und würde von weniger Menschen gewählt, aber dann wäre die Behauptung wenigstens glaubwürdiger.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.