Mit Charlotte Dujardin ist eine der erfolgreichsten und prominentesten Reiterinnen der Welt kurzfristig vom Start bei ihren vierten Olympischen Spielen ausgeschlossen worden. Ihr wird ein vier Jahr altes Video zum Verhängnis. Auf dem ist zu sehen, wie sie ein Pferd schlägt. Der Vorfall reiht sich ein in eine lange Liste bisheriger Skandale im Reitsport. Die Tierschutz-Organisation PETA fordert schon lange ein Verbot des kommerziellen Pferdesports.

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Charlotte Dujardin wird ihren vierten Start bei Olympischen Spielen frühestens 2028 in Los Angeles erleben. Paris 2024 fällt für die dreimalige Olympiasiegerin aus Großbritannien aus. Grund dafür ist ein Video. Es stammt aus dem Jahr 2020. Wie der "Guardian" berichtet, soll Dujardin in dem Video während der Reitstunde einer Jugendlichen ein Pferd mehrfach geschlagen haben. Dabei beruft sich die Zeitung auf den Anwalt der heute 19-Jährigen. Diese hatte offiziell Beschwerde gegen Dujardin eingereicht.

Dujardin bestätigte durch ihre Meldung über die sozialen Netzwerke, den beschriebenen Vorgang und entschuldigte sich für ihr Fehlverhalten. Sie habe beschlossen, sich vorläufig aus allen Wettkämpfen zurückzuziehen - einschließlich der Olympischen Spiele in Paris.

Dujardins Fall reiht sich ein in eine lange Liste von Skandalen im Reitsport.

Liste der bekannter Skandale im Reitsport:

1990 – Als Deutschland das Barren kennenlernt: 1990 zeigten Bilder Reitsport-Legende Paul Schockemöhle dabei, wie er mit einer Holzstange gegen die Beine der Pferde schlug. Das Barren wurde daraufhin nach langem Hin und Her verboten und durch das Touchieren ersetzt, was den Reitsport aber wegen Problemen bei der richtigen Umsetzung und wegen regelmäßiger Verstöße bis heute begleitet.

2008 – Dopingsumpf: Ein Dopingfall erschütterte den deutschen Reitsport: Christian Ahlmann wurde bei den Olympischen Reitwettbewerben in Hongkong überführt, sein Pferd Cöster mit der verbotenen Salbe mit dem Wirkstoff Capsaicin behandelt zu haben. Er wurde international für acht Monate gesperrt, national für zwei Jahre aus dem Nationalteam ausgeschlossen und aus den Olympia-Ergebnislisten entfernt, die deutsche Equipe wurde zudem auf Platz neun statt auf Rang fünf gewertet.

Viel schwerer wog jedoch die Krise, in die die Reiterei dadurch gestürzt wurde, denn Ahlmann war kein Einzelfall, sondern im Grunde nur die Spitze des Eisbergs. Im feinen Reitsport wurde ein Dopingsumpf offengelegt.

Doping-Geständnis: Beerbaum sorgt für Beben im Reitsport

2009 – Heftiges Doping-Geständnis: Ludger Beerbaum gab bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) offen und unumwunden zu: "In der Vergangenheit hatte ich die Haltung: Erlaubt ist, was nicht gefunden wird." Und: "Im Laufe der Jahre habe ich mich darin eingerichtet, auszuschöpfen, was geht." Er betonte zwar, dass das "heute nicht mehr aufrechtzuerhalten" sei, doch der Reitsport kam dadurch weiterhin nicht zur Ruhe. Dass die Dunkelziffer wohl hoch war, blieb offen, war aber wahrscheinlich.

Der brisante Hintergrund: Bei Beerbaums Pferd "Goldfever" waren bei Olympia 2004 Spuren von Betamethason gefunden worden. Offiziell kein Doping, aber eine verbotene Medikation. Die Goldmedaille musste die deutsche Springreiter-Mannschaft zurückgeben.

2013 – Auch die Dressurkönigin steht im Fokus: Isabell Werth wurde von der FN zunächst für sechs Monate gesperrt, weil die positive Medikationskontrolle bei ihrem Pferd "El Santo" auf eine "fahrlässige Sorgfaltspflichtverletzung" im Stall der Reiterin zurückzuführen sei. Das Pferd wurde 2012 positiv auf die im Wettkampf verbotene Substanz Cometidin getestet. Werth legte Berufung ein, und 2014 wurde das Verfahren vom Großen Schiedsgericht der FN eingestellt, weil der Verstoß als leicht beurteilt wurde.

Wie bei Beerbaum brisant: Werth galt damals als Wiederholungstäterin, 2009 wurde sie wegen Dopings für sechs Monate gesperrt. Ihr Pferd "Whisper" war positiv auf ein Psychopharmakon getestet worden.

Auch Dressur-Wunderpferd Totilas geriet in die Schlagzeilen

2013 – Totilas sorgt für Schlagzeilen: Das Dressur-Wunderpferd, für das Paul Schockemöhle und Ann-Kathrin Linsenhoff zehn Millionen Euro zahlten, sorgte auch für Negativ-Schlagzeilen. Denn mit Totilas wurde der Begriff "Rollkur" berühmt, als der Niederländer Sjef Janssen sein Trainer wurde. Er war ein Verfechter der umstrittenen Rollkur-Trainingsmethode, bei der der Hals des Pferdes stark gedehnt, das Pferdemaul in Richtung Brust gezogen wird.

Eigentlich gibt es beim Thema Rollkur keine zwei Meinungen. "Die Überbeugung des Genicks oder des Halses als Folge des Reitens oder Longierens mit sehr enger und/oder in Richtung Vorderbrusteingerollter Kopf-Hals-Position des Pferdes ist laut Tierschutz-Leitlinien verboten", betont die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN), die dazu 2014 einen Kriterienkatalog erstellt hat. Dabei wird insbesondere die gezielt durch reiterliche Einwirkung erzeugte fortlaufend extrem tiefe Kopfposition in Verbindung mit enger Kopf-Hals-Haltung als nicht pferdegerecht definiert. Doch auch hier sind Kontrollen schwierig, die Grenzen fließend.

2017 – Peitschenschläge im Galopprennsport: Auch die Galopper hatten ihren großen Skandal, der die Szene spaltete. Beim Derby 2016 wurden bei Siegerhengst Isfahan und beim Zweitplatzierten Savoir Vivre eine unerlaubt hohe Zahl von Peitschenhieben eingesetzt. Fünf sind laut Rennordnung erlaubt – bei korrektem Einsatz sollen sie als Hilfsmittel zur Aufforderung des Pferdes und auch zur Korrektur eingesetzt werden, die Vorgaben sind dabei klar definiert, die Verstöße trotzdem zahlreich.

Das Derby hatte Folgen: Der Besitzer des Drittplatzierten klagte, am Ende wurden aber lediglich die Jockeys mit empfindlichen Strafen belegt. Zu einer Disqualifikation der Pferde kam es nicht, da das Renngericht des Galopprennsports ein Revisionsurteil des Oberen Renngerichtes als "Nicht-Urteil ohne Bindungswirkung" ignorierte.

Olympia-Skandal im Modernen Fünfkampf

2021 - Der Moderne Fünfkampf am Scheideweg: Die Bilder von Olympia in Tokio gingen um die Welt und sorgten für Entsetzen. Annika Schleu sah beim Modernen Fünfkampf ihre Gold-Chancen davonschwimmen und malträtierte das völlig verängstigte Pferd "Saint Boy" mit Gerte und Sporen. Auch die Worte von Trainerin Kim Raisner ("Hau richtig drauf") und ein Faustschlag heizten die Diskussionen um Tierquälerei zusätzlich an. Eine Folge des Skandals: Nach 2024 findet der Moderne Fünfkampf ohne die Disziplin Reiten statt.

2023 - Misshandlungen in einem dänischen Reitstall: Eine Dokumentation im dänischen Fernsehen deckte auf, wie der Dressurreiter Andreas Helgstrand ihm anvertraute Pferde misshandelte. Der Journalistin Rebekka Klubien gelangen erschreckende Aufnahmen. Sie hatte sich zuvor als Pflegerin in Helgstrands Stall eingeschleust. Die Bilder zeigten unter anderem aggressives Reiten mit teilweise unerlaubten Praktiken. Zudem waren Pferde zu sehen, die schwere Wunden von Sporeneinsatz sowie Gertenstriemen hatten. Wenn sich Kunden die Pferde angesehen haben, sollen die Wunden mit Decken und Schuhcreme abgedeckt worden sein. Helgstrand ist seitdem durch den dänischen Reitsportverband bis 1. Januar 2025 von der Teilnahme an Turnieren ausgeschlossen und verpasst auch Olympia in Paris.

2024 - Schläge im Dressur-Training einer Olympiasiegerin: Charlotte Dujardin aus Großbritannien schlug im Rahmen einer einstündigen Reitstunde auf das Pferd einer damals 15-jährigen Schülerin ein. "Sie griff zur langen Peitsche und schlug das Pferd mehr als 24 Mal in einer Minute", schilderte der Anwalt des Mädchens, was die Aufnahmen aus dem Jahr 2020 zeigten.

Die Gründe, warum der Reitsport seit Jahren ein Problem mit Tierquälerei hat, liegen für die PETA auf der Hand. "Die Gier nach Prestige und nach Profit kommen bei Pferdesport-Wettbewerben zusammen – leider steht dann nach unserer Beobachtung das Wohl der Tiere regelmäßig ganz hinten an", betont Peter Höffken, Fachreferent von PETA 2022 gegenüber unserer Redaktion.

Die PETA fordert seit Jahren ein Verbot des kommerziellen Pferdesports, "aber bis es zu gesetzlichen Änderungen kommt, vergeht gerade im Tierschutz leider oft viel Zeit", sagt Höffken. Deshalb soll die breite Öffentlichkeit auf die Tierquälereien im Turniersport aufmerksam gemacht werden, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Höffkens Ansage: "Wir kämpfen unablässig dafür, dass der Gesetzgeber die notwendigen Schritte auf den Weg bringt."

Verwendete Quellen:

Hinweis: Diesen Artikel haben wir bereits am 19. Januar 2022 erstmals publiziert und aus aktuellem Anlass aktualisiert.

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