In der neuen Dokumentation "Generation Wembley" geht es um den Weg des FC Bayern zum Triple 2013. Die damaligen Spieler und einige Gegner gewähren Einblicke in ihre Erinnerungen von damals. So wird das "Finale dahoam" nur durch besondere Akribie entschieden.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Markus Bosch dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

"Ganz München war tot." Bei diesen Worten von Bayern-Legende Bastian Schweinsteiger wird so mancher Zuschauer aus dem Fernseh-Sessel schrecken.

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Dabei charakterisiert der frühere Mittelfeldspieler damit in der neuen Dokumentation "Generation Wembley" beim Streaming-Dienst "Prime Video" lediglich die Stimmungslage in der bayerischen Hauptstadt nach dem "Finale dahoam" 2012.

Aus heutiger Sicht kaum zu glauben, aber es gab tatsächlich eine Zeit, in der der FC Bayern nicht jedes Jahr Meister in der Bundesliga wurde, wie es seit 2013 der Fall ist. In jenem Jahr gewannen die Münchner um Schweinsteiger und Co. zudem erstmals das Triple.

Klinsmann zerstört "Buddha-Mythos"

Die vereinsintern produzierte Dokumentation mit sechs Folgen zeichnet anhand von Interviews und Spiel- sowie Trainingsbildern den Weg dorthin nach. Dabei begnügt man sich aber nicht mit einer Nacherzählung der Saison 2012/13, sondern beginnt bereits im Jahr 2008, als unter Jürgen Klinsmann infrastrukturelle und auch sportliche Veränderungen angestoßen wurden. Unvergessen sind dabei die Buddha-Statuen, die laut Klinsmann aber nicht seine Idee waren, sondern vom Architekten hinzugefügt wurden. Ein Mythos wird also gleich einmal zu Beginn der Dokumentation zerstört.

In der Folge nimmt die Ära Louis van Gaal viel Platz ein, da der Niederländer es war, der das Spielsystem der Bayern maßgeblich änderte. Anhand der Interviews der beteiligten Protagonisten wird aber deutlich, dass van Gaal dabei vor allem seine Meinung wichtig war.

"Es gab zu dieser Zeit drei Meinungen: die von Uli Hoeneß, die von Karl-Heinz Rummenigge und die von Louis van Gaal. Jeder fand seine die richtige", blickt Bayern-Urgestein Thomas Müller auf die damalige Zeit zurück. Trotz aller Unstimmigkeiten, habe man heute ein gutes Verhältnis zueinander, betont Hoeneß in der Dokumentation. Die Gespräche mit den beteiligten Protagonisten sind der große Pluspunkt von "Generation Wembley", denn teilweise kommen so neue Details ans Licht oder manche Situationen erscheinen in einem neuen Licht.

"Finale dahoam": Schweinsteiger scheitert an Akribie des Chelsea-Keepers

Bestes Beispiel hierfür ist das "Finale dahoam", das die wohl schmerzlichste Niederlage der Klub-Geschichte ist. Nach der Führung durch Thomas Müller glich der FC Chelsea damals kurz vor Schluss der regulären Spielzeit durch Didier Drogba nach einer Ecke aus. Zuvor war Bayern-Verteidiger Daniel van Buyten eingewechselt worden, der mit Drogba bereits bei Marseille gespielt hatte. Darum wollte er sich bei Standards um den Ivorer kümmern, was ihm aber verwehrt wurde.

So kam es später zum dramatischen Elfmeterschießen, mit Schweinsteiger als tragischer Figur, was aber auch an der irrsinnig detaillierten Vorbereitung des damaligen Chelsea-Keepers Petr Cech lag. Der Tscheche verriet, dass er sich alle Elfmeter Schweinsteigers seit dem Jahr 2007 angeschaut hatte und, als der Deutsche beim Anlauf kurz abstoppte, ihm klar gewesen sei, was kommen würde. Der Rest ist Geschichte.

Den Frust danach spülte der damalige Stürmer Mario Gomez mit zwei Teamkollegen am folgenden Tag mit alkoholischen Getränken hinunter. In einer Münchner Kneipe spendierten sie den anwesenden Gästen Runde um Runde und standen anschließend auf und riefen unisono: "Vergessen!" Irgendwann habe er sich im Eisbach mit einem Aperol wiedergefunden, sagt Gomez.

Doch eine Nachricht von Thomas Müller an alle Teamkollegen hat die Mannschaft kurze Zeit später wieder aus dem Loch geholt und für die neue Saison motiviert. Es folgte die Triple-Saison. Die Intensität jedes Einzelnen in jedem Training, gepaart mit einem unglaublichen Teamgeist á la "Elf Freunde müsst Ihr sein", seien die wichtigsten Schlüssel für den historischen Erfolg gewesen, erzählen die Spieler von damals und Trainer Jupp Heynckes. Zweifel am eigenen Können existierten nicht zu dieser Zeit. So wurde auch das Champions-League-Finale gegen Dauerrivale Dortmund gewonnen und ein Stück weit auch der Grundstein für die bis heute anhaltende Bundesliga-Dominanz gelegt.

Mourinho weint nach Aus gegen Bayern

Der Ausgang der Geschichte ist natürlich schon im Vorfeld bekannt und auch der Weg dorthin ist kein großes Geheimnis, schließlich waren alle Spiele der Bayern in dieser Zeit live im Stadion oder am TV-Bildschirm zu sehen. Und doch bietet "Generation Wembley" einen Mehrwert – und das nicht nur für nostalgische Bayern-Fans.

Denn es kommt nicht nur die Bayern-Seite zu Wort, sondern auch prominente Gegner wie Star-Coach José Mourinho, der erzählt, wie er nach dem Halbfinal-Aus mit Real Madrid gegen die Bayern im Jahr 2012 zuhause geweint habe, dann aber nach einem Anruf des Beraters zu Cristiano Ronaldo fuhr, der am Boden zerstört gewesen sein soll. Bemerkenswert ist allerdings, dass Toni Kroos nicht zu Wort kommt, obwohl er in jenen Jahren ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Bayern war.

Obwohl es keine Bilder aus der Kabine oder von besonderen Ansprachen zu sehen gibt, schafft es die Dokumentation, Emotionen zu vermitteln. Denn durch die Schilderung der Ereignisse von damals leben bei den Spielern die Emotionen noch einmal auf.

Und so ist auch Schweinsteiger noch immer die bleierne Schwere anzumerken, als er vom Tag nach dem verlorenen "Finale dahoam" spricht, obwohl er inzwischen weiß, dass die folgenden Jahre deutlich besser gelaufen sind.

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