Uli Hoeneß wollte offensichtlich mal wieder etwas loswerden. Und immer, wenn der Ehrenpräsident des FC Bayern öffentlich loslegt, sind Schlagzeilen garantiert. Das freut die Beobachter, die mal wieder eine Woche etwas zu diskutieren haben. Doch für seinen FC Bayern bedeutet dies häufig auch: Wieder mal Unruhe. Wieder mal Klarstellungsbedarf. Ist das im Sinne des Clubs?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Steffen Meyer dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Hoeneß hatte in der vergangenen Woche in gleich mehreren Auftritten beim Bayerischen Rundfunk und bei RTL bemerkenswerte Aussagen getätigt. Kahn und Salihamidzic, Tuchel, die Bundesregierung. Alle bekamen etwas ab. Nun sind steile Thesen im 24/7-Geschäft Bundesliga alles andere als neu. Andere ehemalige Bayern-Stars wie Lothar Matthäus, Stefan Effenberg, Didi Hamann oder Mario Basler haben die Rolle als Stichwortgeber der deutschen Fußballdebatte perfektioniert. Was Widerspruch und Diskussionen auslöst, gewinnt. So weit, so gut.

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Hoeneß spricht immer für den FC Bayern

Doch Hoeneß hat, anders als die genannten TV-Experten, als Ehrenvorsitzender und Mitglied des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG immer noch eine herausgehobene Rolle beim Rekordmeister. Im Sommer wirkte er sogar wieder sehr operativ in der Transferkommission mit und war nun auch in die Kaderplanung wieder stärker eingebunden, als es ihm selbst wahrscheinlich lieb ist. Hoeneß spricht deshalb immer auch für den Verein und nicht als externer Beobachter. Wie könnte es anders sein. Und spätestens hier wird es dann etwas schräg.

Präsident Herbert Hainer, der - das vergisst man manchmal - auch Chef des Aufsichtsrats ist, dem Hoeneß angehört, hatte zuletzt viel Mühe investiert, um das offenbar zerrüttete Verhältnis zum ehemaligen Vorstandschef und Vereinslegende Oliver Kahn zu kitten. Kahn bleibe eine Bayern-Legende und man habe sich letztlich harmonisch auf eine Vertragsauflösung geeinigt, ließ Hainer vor einigen Wochen verlauten.

Selbst Trainer Tuchel kriegt einen mit

Das brachte letztlich Ruhe in die extrem aufgeladene Situation rund um den Rauswurf von Kahn und Salihamidzic kurz nach dem Meisterschaftsfinale in Köln. Nun trat - so nahmen es die meisten wahr - Hoeneß noch einmal nach.

“Die Berufung von Oliver Kahn als Vorstandsvorsitzender war ein großer Fehler”, sagte Hoeneß im BR; als er erkannt habe, dass dieser den Job nicht könne, hätten er und Karl-Heinz Rummenigge den Fehler korrigiert. Zudem sei auch die Nagelsmann-Entlassung nicht unbedingt klug gewesen. Rumms. War nicht auch Präsident Hainer an den Nagelsmann-Entscheidungen beteiligt? Zumindest verteidigte er sie im März öffentlich mit Blick auf schwankende Leistungen der Münchner. Und wie kommt das alles eigentlich beim aktuellen Trainer Thomas Tuchel an? Wieder stellen sich dadurch Fragen, die dem Club in dieser Phase wenig nützen.

Das gilt auch für den neuen Vorstandschef Jan-Christian Dreesen, der bisher in seiner Amtszeit sehr viel richtig gemacht hat. Auch er musste zuletzt behutsam eine sichtbare Auseinandersetzung mit Trainer Thomas Tuchel zur Breite des Bayern-Kaders abmoderieren. Tuchel zeigte sich unzufrieden, dass es auf mehreren Positionen zu wenig hochklassige Alternativen gäbe. Der Streit schien zuletzt gelöst. Dreesen äußerte Respekt für die Situation des Trainers, stärkte dem Kader aber insgesamt den Rücken und verwies auch auf die finanzielle Situation des Clubs.

Hoeneß machte das Fass nun selbst wieder auf: “Der ein oder andere von uns, inklusive des Trainers, haben ein paar unkluge Äußerungen gemacht. Weil ich mein eigenes Team nicht schlecht aussehen lasse, indem ich sage, wir sind zu dünn besetzt, wir sind dies, wir sind jenes“, kritisierte Hoeneß wohl vor allem die Kommunikation Tuchels. Auch das Thema geht nun also weiter.

Nachfolge noch immer nicht klar geregelt

Inhaltlich mögen die Hoeneß-Aussagen einen wahren Kern haben, doch es stellt sich die Frage, welche Strategie er mit diesen öffentlichen Auftritten verfolgt. Gibt es eine Strategie?

Schon vor fünf Jahren bezeichnete Hoeneß es als seine wichtigste Aufgabe, den Verein für die Zukunft aufzustellen und mit starken Nachfolgern in ruhiges Fahrwasser zu bringen. Bisher ist dies nicht gelungen. Und er muss wissen, dass er mit jeder öffentlichen Aussage, die den Kurs der aktuellen Bayern-Führung konterkariert, neue Zweifel sät.

Hoeneß war über Jahrzehnte so etwas wie der Schutzpatron des Clubs. Eine fleischgewordene Identifikationsfigur mit enormer Macht, die er einsetzte, um den FC Bayern an die Spitze zu bringen und dort zu halten. Manchmal als Visionär. Manchmal als Konfliktlöser hinter den Kulissen. Manchmal als Abteilung Attacke in der Öffentlichkeit. Manchmal wie ein Familienvater für Spieler, Legenden und Angestellte. Es ist klar, dass es da jeder Nachfolger schwer hat. Eine Kopie gibt es nicht. Eine neue Führung muss viel Gutes bewahren, aber am Ende doch einen eigenen Stil finden.

Wie geht es weiter mit Hoeneß?

Wie also weiter? Hoeneß Macht im Club ist ungebrochen. Mindestens seine informelle Macht. Er könnte diese einsetzen, um dem Club mit Dreesen, einem inhaltlich und kommunikativ starken Sportvorstand wie Max Eberl sowie einem Weltklasse-Trainer wie Tuchel die notwendige Zeit zu verschaffen, ihren Stil durchzutragen.

Und er könnte gleichzeitig da sein, wenn es brennt. Hinter den Kulissen Konflikte lösen, wenn es notwendig ist, oder als Moderator Grundsatzfragen, wie in der Vergangenheit das Streitthema Katar, so auflösen, dass der Club am Ende zusammenbleibt.

Hier hätte Hoeneß mit all seiner Integrationskraft nach innen weiter einen riesigen Wert für den Rekordmeister. Mit öffentlichen Aussagen wie zuletzt macht er es seinen Nachfolgern nur unnötig schwer.

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