Ein bayerisches Monster frisst sich durch die Liga, Montage sind uns persönlich völlig egal - und der Fußballgott hat auch den letzten Funken Anstand verloren. Unsere - wie immer nicht ganz ernst gemeinten - Lehren des 23. Spieltags der Bundesliga.

Fabian Teichmann
Eine Glosse

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1. Lehre: Dem Fußballgott sind die Fans egal

In Köln hängen sämtliche Fahnen auf Halbmast. Eigentlich ist das zu dieser Jahreszeit auch überhaupt nicht verwunderlich.

Schließlich ist der Karneval seit einigen Tagen zu Ende. Die Jecken motten ihre Kostüme wieder ein - und der Kölsch-Konsum in den Kneipen sackt urplötzlich in lange nicht mehr gesehene Tiefen ab.

In dieser ohnehin schon harten Phase macht dann auch noch zu allem Überfluss der ortsansässige 1. Fußballklub den Kölnern das Leben zur Hölle.

Dabei zeigte der "Effzeh" beim 1:1 gegen Hannover 96 am Samstag eine durchaus ansprechende Leistung.

Der Tabellenletzte drängte am Ende auf drei Punkte und belohnte sich in Person von Claudio Pizarro in der Nachspielzeit sogar mit dem viel umjubelten, vermeintlichen Siegtreffer.

Allerdings hatte sich der Fußballgott zuvor entschlossen, Einfluss auf diese entscheidende Szene zu nehmen. Er sorgte dafür, dass Vorbereiter Marcel Risse ein kleines Stück ins Abseits lief, ehe er auf Pizarro flankte.

Und wen hatte der DFB zu Beginn der Saison etabliert, um solche Winks des Allmächtigen zuverlässig zu erkennen? Natürlich den lieben Videobeweis.

Der machte sich umgehend ans Werk und die grenzenlose Freude im Rheinenergiestadion wurde mit der Entscheidung, das Tor nicht anzuerkennen, im Keime erstickt.

Für den 1. FC Köln war es aus rein sportlicher Sicht eine Katastrophe. Der Abstand zum Relegationsplatz beträgt inzwischen wieder satte neun Punkte - und am nächsten Spieltag steht die schwierige Auswärtsfahrt nach Leipzig an.

Noch bedenklicher stimmt allerdings der emotionale Aspekt der ganzen Geschichte. Zumindest sollte jeder auch nur annähernd fußballinteressierte Mensch nachvollziehen können, welche Gefühle bei einem Siegtreffer in letzter Sekunde frei werden.

Ob es der richtige Ansatz ist, den Fans derart intensive Momente zugunsten einer richtigen Schiedsrichter-Entscheidung zu entreißen? Wahnsinnig schwer zu beantworten ...

2. Lehre: Eiskunstläufer Reus ist der Untergrund egal

Aus deutscher Sicht war die sagenhafte Goldmedaille der Eiskunstläufer Aljona Savchenko und Bruno Massot vermutlich DER bisherige Höhepunkt der Olympischen Winterspiele von Pyeongchang.

Mit einer emotionalen Weltrekord-Kür holten die beiden einen riesigen Rückstand nach dem Kurzprogramm auf und sicherten sich am Ende sensationell doch noch den Titel.

Dass diese Sportart mit Bundesliga-Fußball mehr zu tun hat als man denken könnte, bewiesen am Sonntagabend die beiden Borussias aus Mönchengladbach und Dortmund.

So mancher Eiskunstläufer wurde angesichts der dargebotenen Pirouetten von Mario Götze, Christoph Kramer und Co. mit Sicherheit neidisch.

Grund war der Untergrund im Gladbacher Borussia-Park. Die katastrophalen Platzverhältnisse machten beiden Teams extrem zu schaffen.

Man wurde den Eindruck nicht los, dass einige Akteure mit Kufen unter den Fußballschuhen besser zurechtgekommen wären.

Den Dortmunder Siegtorschützen Marco Reus störten die Bedingungen offenbar am wenigsten. Zumindest konnte er sich bei seinem Traumtor zum 1:0 über perfekten Grip unter den Füßen freuen.

Nach dem Spiel gab er sich im Sky-Interview gelassen: "Der Platz war nicht so gut", erklärte der 28-Jährige und lieferte so die Untertreibung des Jahres.

Rein sportlich war es für Marco Reus der nächste Schritt zurück nach langer verletzungsbedingter Leidenszeit.

Sein Trainer Peter Stöger lobte den Matchwinner nach der Partie. Für ihn stehe außer Frage, dass er, sofern er gesund bleibt, auch bei der Weltmeisterschaft im Sommer dabei sein werde.

Ob nach der Fußball-WM in Russland als nächstes Winter-Olympia 2022 in Peking für Reus infrage kommt, bleibt abzuwarten. Noch ist über eine mögliche endgültige Umschulung zum Eiskunstläufer leider nichts bekannt.

3. Lehre: Der Bundesliga-Montag ist uns völlig egal

Als aufmerksamer Leser der Lehren des Spieltags wird Ihnen längst aufgefallen sein, dass dieses Format - irgendwie logischerweise - immer nach der vollständigen Beendigung der jeweiligen Bundesliga-Runde veröffentlicht wird - meistens im Laufe des Montagmorgens.

Als aufmerksamer Fußballfan wird Ihnen aber genauso aufgefallen sein, dass der 23. Spieltag eigentlich noch gar nicht beendet ist.

Erst heute Abend ab 20:30 Uhr machen Eintracht Frankfurt und RB Leipzig den Deckel drauf auf das erste XXL-Fußball-Wochenende der laufenden Saison.

Bundesliga am Montagabend - klingt komisch, wird aber tatsächlich so stattfinden. Doch wofür soll das eigentlich gut sein?

Von Seiten der DFL ist die Idee ganz klar: "Die Montagsspiele wurden mit Zustimmung der Klub-Vertreter zur Vermeidung von Donnerstag-Samstag-Ansetzungen der Europa-League-Starter und zum Schutz des Amateur-Fußballs am Sonntag eingeführt", erklärte DFL-Chef Christian Seifert in der "Bild am Sonntag".

Naja, klingt vernünftig. Doch es bleibt die Frage, ob sich irgendjemand auch mal Gedanken darüber gemacht hat, was diese Maßnahme für die Fans der betroffenen Mannschaften bedeutet.

Intensive Proteste sind für heute Abend in jedem Fall angekündigt. Eintracht-Anhänger wollen auf Anfeuerungen des eigenen Teams verzichten, dafür bei Leipziger Aktionen umso lauter schreien und pfeifen.

Man wolle keine "farbenfrohe und lautstarke Kulisse liefern" und somit auch keine "wirksame Vermarktung des Produkts Bundesliga ermöglichen", hieß es im Vorfeld aus dem Frankfurter Fan-Lager.

Und warum die ganze Aufregung? Es scheint als hätte den Grund tatsächlich nur ein einziger direkt Beteiligter wirklich kapiert, nämlich Eintracht-Trainer Niko Kovac.

"Man muss die Kritik der Fans verstehen. Die Leute müssen arbeiten und haben deshalb schwierige An- und Abfahrtsprozeduren", sagte dieser am Sonntag. Na halleluja, Herr Kovac. Danke fürs Mitdenken!

Uns Autoren der Lehren des Spieltags bleibt natürlich nichts anderes übrig als die neuen Anstoßzeiten zu akzeptieren. Als kleiner Protest gegen den Unfug gibt es diesen Artikel trotzdem schon wie gewohnt VOR Montagabend.

Nur ein kleines Zeichen freilich, aber irgendwie fühlt es sich richtig an.

4. Lehre: Dem FC Bayern ist sowieso alles egal

Dass es auch ohne irgendwelche Wut auf Videoassistenten, Fußballgötter, Platzverhältnisse oder Anstoßzeiten geht, bewies mal wieder der deutsche Rekordmeister aus München.

Wie ein gefräßiges, nimmersattes Monster fällt der FC Bayern nach wie vor über alles her, was nicht bei drei auf den Bäumen ist - jüngstes Opfer war beim 2:1-Auswärtserfolg am Samstag der VfL Wolfsburg.

Dass der Tabellenführer beim Tabellen-14. drei Punkte einfährt, erscheint dabei auf den ersten Blick alles andere als überraschend. Was dem Rest der Liga allerdings zu denken geben sollte, ist die Art und Weise, wie es dazu gekommen ist.

Denn eigentlich sollte man meinen, dass es der designierte Meister ruhig angehen lassen könnte. Ein Remis oder sogar eine Niederlage in Wolfsburg hätten auf den Ausgang der Saison aller Voraussicht nach überhaupt keinen Einfluss gehabt.

Unglaubliche 19 Punkte beträgt momentan der Vorsprung auf "Verfolger" Borussia Dortmund. Heute Abend kann Leipzig nochmal für mehr "Spannung" sorgen und auf 18 Punkte herankommen.

Doch was macht das Team von Jupp Heynckes? Es stemmt sich nach einer bemerkenswert schwachen ersten Halbzeit gegen den VfL mit aller Macht gegen die Pleite - als wäre die Bundesliga tatsächlich spannend.

Sandro Wagner jubelt nach seinem Ausgleichstreffer ausgelassen, danach kämpft die Mannschaft verbissen und mit hoher Aggressivität um die drei Punkte.

Am Ende belohnen sich die Bayern mit dem Siegtreffer durch Robert Lewandowski. Das Spannendste an seinem Tor sind jedoch die Sekunden danach.

Das Team rennt geschlossen Richtung Fankurve und feiert den Erfolg völlig frenetisch - ein bisschen als hätte man gerade den Einzug ins Finale der Champions League perfekt gemacht.

Thomas Müller brachte es nach der Partie am Sky-Mikrofon auf den Punkt: "Dieser Wille, Spiele gewinnen zu wollen, obwohl es vermeintlich vorne nicht mehr spannend wird, das macht einfach Spaß. Die Mannschaft ist einfach geil."

Es ist bitter für alle anderen Bundesligisten, doch solange sich an dieser von Müller beschriebenen, außergewöhnlichen Einstellung nichts ändert, scheint eine Veränderung der Machtverhältnisse im deutschen Fußball nur schwer vorstellbar.

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