Borussia Dortmund gegen den FC Bayern - am Samstag messen sich die Bundesliga-Giganten. Für Sky ist einmal mehr Wolff-Christoph Fuss dabei. Im Interview spricht der Kommentator über Vergleiche zwischen Erling Haaland und Robert Lewandowski, Kritik an BVB-Coach Lucien Favre - und die polarisierende Personalie David Alaba.

Ein Interview

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Herr Fuss, Borussia Dortmund gegen den FC Bayern ist gleichzeitig das Duell Erling Haaland gegen Robert Lewandowski.

Wolff-Christoph Fuss: Haaland ist auf dem Weg, ein Lewandowski zu werden. Ich traue ihm diese Klasse kurz- bis mittelfristig zu. Zwei absolut prägende Figuren für ihre Klubs. Beide sind in der Lage, das Spiel für Dortmund beziehungsweise für Bayern zu entscheiden.

Was unterscheidet die Beiden?

Der größte Unterschied ist sicher die Erfahrung und dieses unglaubliche Leistungsniveau über Jahre hinweg. Lewandowski kennt beide Seiten dieses Duells. Er ist eine der prägenden Figuren in der jüngeren Geschichte dieses Spiels. Ich habe den Eindruck, dass Haaland einen Tick schneller ist und von Haus aus etwas breiter gebaut ist. Wobei Lewandowski schon vor der letzten Saison nochmal an sich gearbeitet hat und körperlich noch stabiler geworden ist. Er hat in puncto Athletik und Dynamik zugelegt, was ungewöhnlich ist für dieses Alter. Vieles bringt Haaland von Natur aus mit. Er ist als Naturgewalt auf die Welt gekommen. Was ihm im Vergleich zu Lewandowski fehlt, ist die Routine in ganz großen Spielen.

Ist Haaland noch mehr dieser klassische Typ Knipser?

Nein. Beide haben den klassischen Mittelstürmer-Instinkt. Wenn man typische Haaland-Tore sieht, bei denen er einmal von Haustür zu Haustür sprintet, zeigt das seine besondere Qualität. Diese von Gott gegebene Dynamik, das fast Maschinengleiche.

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Fuss über den FC Bayern: "Edelrösser" wie Lewandowski brauchen Pausen

Lewandowski wirkte trotz seiner Tore zuletzt wiederholt sehr müde auf dem Platz - zum Beispiel im Supercup gegen Dortmund. Muss Bayern-Trainer Hansi Flick ihn häufiger rausnehmen?

Das ist so. Die Edelrösser, die wahnsinnig viel laufen, brauchen bei dem eng gestrickten Terminkalender zwischendrin eine Pause. Lewandowski ist so von Ehrgeiz beseelt, dass Hansi Flick sich fast nicht traut, ihn mal nach 80 Minuten rauszunehmen. Weil sich Lewandowski denkt: "Zehn Minuten, da kann ich doch noch vier bis fünf Tore machen." Trotzdem muss Flick in diesen engen Wochen mit den Ressourcen haushalten. Für Köln hat er ihn nicht in den Kader berufen, damit er erst gar nicht in die Versuchung gerät. Sonst wird er von Lewandowski von der Bank aus stramm angeguckt.

Sky-Experte "Didi" Hamann vertritt die These, dass die Bayern angesichts dieser Belastung zwangsläufig müde werden und schwächeln könnten.

Das ist ein fast reflexartiger Ansatz, dass irgendwann nach großen Erfolgen die Delle kommt. Warum? Weil sie bei jedem Team bislang gekommen ist. Ich sehe im Moment keinen Anhaltspunkt, warum es bei den Bayern zu einer solchen Delle kommen sollte. Die Spielweise wurde in manchen Spielen etwas ökonomischer, dem Terminplan angepasst. Nach dem 1:4 bei Hoffenheim haben alle gesagt: "Siehst du, jetzt ist es so weit!" Es war letztlich ein Ausrutscher, eine Laune der Natur, ein Ergebnisirrtum. Danach hatten die Münchner sofort wieder Kurs.

"Favre kommt zu schlecht weg"

Vor dem Bundesliga-Topspiel hat sich Borussia Dortmund dagegen insbesondere defensiv stabilisiert. Lucien Favre setzt auf die Viererkette, manche sagen, endlich. Ist der BVB-Coach fast schon ein Sturkopf, der immer wieder Hinweise braucht?

Grundsätzlich favorisiert Lucien Favre die Viererkette. In den vergangenen Monaten hat sich Borussia Dortmund aber mit dem Dreierkonstrukt wohler gefühlt. Die Viererkette wollte er im Sommer festzurren, dann hat er aber wieder mit der Dreierkette angefangen. Zuletzt ging es gegen sehr tiefstehende Mannschaften, deshalb hat er auf Viererkette umgestellt, um im Mittelfeld einen Mann mehr zu haben. Man muss Lucien Favre nicht zu seinem Glück zwingen. Er weiß, was er tut. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass er die Mannschaft verloren hat. Ich finde, dass Lucien Favre in der öffentlichen Wahrnehmung zu schlecht wegkommt. Er macht einen sehr, sehr guten Job.

"Zum Glück zwingen" ist ein gutes Stichwort. Mit BVB-Abwehrchef Mats Hummels, sofern er fit wird, und den Münchnern Jerome Boateng sowie Thomas Müller werden wohl drei Spieler auf dem Platz stehen, die viele deutsche Fans in der Nationalmannschaft sehen.

Ich auch. Es muss einer Nationalmannschaft sehr gut gehen, wenn sie auf Spieler wie Hummels, Boateng und Müller verzichten kann. Ich kann nachvollziehen, dass Jogi Löw jüngeren Spielern eine Chance geben will. Mein Verständnis von Nationalmannschaft ist nichtsdestotrotz, dass die Besten des Landes spielen. Deshalb ist es für mich nicht nachvollziehbar, dass die drei Genannten nicht nominiert werden. Für alle drei ist es im Moment jedoch ein Segen. Wegen der Belastung. Nach dem Topspiel können sie 14 Tage für individuelle Zerstreuung oder das Sauerstoffzelt nutzen.

"David Alaba wird auf Top-Level abliefern"

Im Fokus steht derzeit ein Bayern-Star, der seinen Vertrag nicht verlängert hat: David Alaba. Ein hausgemachtes Problem?

Das sind keine unüblichen Vorgänge für diese Branche. Unüblich ist, dass es in der Öffentlichkeit ausgetragen wird. Der Spieler hat das Interesse, das Bestmögliche für sich herauszuholen, mit allen Unterhändlern, die mit dranhängen.

Auf der anderen Seite steht der Klub, der das große Ganze im Blick hat, ökonomische Grenzen ziehen muss. Alles vollkommen normal. Dass jetzt Details bekannt werden, befeuert eine öffentliche Debatte. Hansi Flick macht es in dieser Situation ziemlich gut. Er sagt einerseits, dass er den Verein versteht, aber für den Zeitpunkt kein Verständnis hat. Gleichzeitig weiß er, dass er den Innenverteidiger Alaba braucht. Schließlich ist er einer der Besten seines Fachs.

Der erste große Stresstest für Flick beim FC Bayern?

Das glaube ich nicht. Er ist in die Rolle des Bayerns-Trainers hineingewachsen. Dazu gehört, intern mit großen Egos umzugehen. Ich sehe das größte Spiel im deutschen Fußball und Hansi Flick, der gegen Borussia Dortmund ungeschlagen ist. Auch David Alaba, der jetzt Ende 20 ist, ist erfahren genug. Er wird trotz dieses Schwebezustands auf Top-Level abliefern.

Zur Person: Wolff-Christoph Fuss, Jahrgang 1975, ist ein populärer Fußball-Kommentator. Der gebürtige Hesse, der in München lebt, arbeitete für Premiere, Sport1, ESPN und Sat.1. Seit 2012 kommentiert er Spiele der Bundesliga und der Champions League für den Pay-TV-Sender Sky. Auch beim Klassiker zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern ist Fuss am Samstag wieder live als Kommentator für Sky Deutschland mit dabei.
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