Donald Trump hat es geschafft: Die US-amerikanischen Wählerinnen und Wähler haben ihn erneut zum Präsidenten gewählt. Der USA-Experte Josef Braml schätzt im Gespräch mit unserer Redaktion ein, was die Wahl Trumps für die globalen Märkte und die Europäische Union bedeutet und worauf sich die deutsche Wirtschaft einstellen muss.
Herr Braml,
Josef Braml: Die Sorge um die deutsche Exportwirtschaft ist durchaus berechtigt. Donald Trump plant, hohe Zölle auf Importe zu erheben, was deutsche Exporte erheblich verteuern würde. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die Handelsbeziehungen tatsächlich entwickeln werden. Es gibt auch Stimmen, die hoffen, dass eine mögliche Eskalation vermieden werden kann. Denn Trump nutzt Zölle auch als Druckpotenzial, um wirtschaftliche Vorteile für sein Land zu verhandeln. Trump plant, bestehende Handelsabkommen neu zu verhandeln und neue, protektionistische Maßnahmen einzuführen. Dies könnte aber zu weiteren Handelskonflikten führen und die globalen Lieferketten stören.
Welche Branchen sind in Deutschland besonders betroffen, wenn die USA hohe Zölle einführen?
Besonders betroffen wären die Automobil- und Maschinenbauindustrie, die stark von Exporten in die USA abhängen. Ein solcher Schritt könnte nicht nur die direkten Exporte in die USA reduzieren, sondern auch einen globalen Handelskonflikt auslösen, der die deutsche Wirtschaft weiter belasten würde.
Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Moritz Schularick, spricht vom "ökonomisch schwierigsten Moment in der Geschichte der Bundesrepublik". Und dann zerbricht auch noch die Ampel-Koalition. Welche Rolle spielt diese innerdeutsche Krise?
Die politische und wirtschaftliche Lage in Deutschland ist besorgniserregend. Die Wiederwahl von Donald Trump und das Zerbrechen der Ampel-Koalition könnten die wirtschaftlichen Probleme verschärfen. Vorgezogene Neuwahlen schaffen zusätzliche Unsicherheit und beeinträchtigen die Handlungsfähigkeit der Regierung. Dies könnte das Vertrauen der Investoren und Verbraucher schwächen, was zu weniger Investitionen und Konsum führen würde. Insgesamt steht Deutschland vor großen Herausforderungen, sowohl intern als auch extern.
Donald Trump hat im Gegensatz zu 2016 einen klaren Sieg beim popular vote, also bei der Auszählung der Stimmen, die direkt von den Wählerinnen und Wählern abgegeben wurden, verzeichnet. Die Republikaner haben eine Mehrheit im Senat und voraussichtlich auch im Repräsentantenhaus. Das heißt, er kann seine Vorhaben wohl ungehindert umsetzen. Welche anderen wirtschaftspolitischen Maßnahmen hat Trump neben den Strafzöllen angekündigt?
Neben den Strafzöllen hat Donald Trump eine Reihe weiterer wirtschaftspolitischer Maßnahmen angekündigt, die sowohl die USA als auch andere Länder beeinflussen könnten: Trump plant etwa, die Unternehmenssteuer weiter auf 15% zu senken und Steuern auf Trinkgelder und Sozialversicherungsleistungen abzuschaffen. Diese Maßnahmen sollen die Wirtschaft ankurbeln, könnten aber auch das Haushaltsdefizit erheblich erhöhen. Mit Blick auf die Einwanderungspolitik hat Trump angekündigt, die größte Deportationsoperation in der Geschichte der USA durchzuführen. Dies könnte zu Arbeitskräftemangel in bestimmten Branchen führen und die Preise für Güter und Dienstleistungen erhöhen. Ohnehin werden Trumps Zölle die Preise für Konsumgüter erhöhen und zu einer höheren Inflation führen. Trump möchte auch mehr Einfluss auf die Entscheidungen der US-Notenbank nehmen, insbesondere in Bezug auf Zinssätze. Dies könnte die Unabhängigkeit der Federal Reserve gefährden und langfristig die wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen.
Welche Rolle spielt dabei das "Project 2025", von dem sich Trump im TV-Duell noch distanzierte?
Unter diesem Namen haben Hunderte Konservative schon seit Längerem die erhoffte zweite Amtszeit von Trump vorbereitet. Ein mit mehr Machtfülle ausgestatteter Präsident soll nach seiner Machtübernahme "eine ganze Armee loyaler, gut vorbereiteter und politisch gut bewaffneter Konservativer zum Einsatz bringen für die Schlacht gegen den 'tiefen Staat'." Der Begriff "deep state" wird von Trump und seinen Anhängern verwendet, um die etablierte, als linksliberal wahrgenommene Regierungsbürokratie zu bezeichnen, die ihrer Meinung nach beseitigt werden soll. Allen voran will Elon Musk, der als "Staatsfeind Nummer Zwei" bezeichnete Milliardär, in der künftigen Trump-Nichtregierungsorganisation mitmischen, um dafür zu sorgen, dass der Staat und dessen Regulierungen und Steuern – auch im Sinne seiner Geschäftsinteressen – auf ein Minimum zurechtgestutzt werden.
Sie sprachen bereits vom Haushaltsdefizit. Wie wirkt sich hier Trumps expansive Fiskalpolitik aus?
Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Trump mithilfe staatskritischer Republikaner sein wichtigstes Ziel, die Steuerreform, erreicht. Mit der künftigen Umsetzung von Trumps Wirtschaftsplänen, die an die "Zauber-Ökonomie" Ronald Reagans erinnern, werden – wie schon in den 1980er-Jahren – die ohnehin schon exorbitanten Staatsschulden weiter ansteigen. Bereits jetzt laufen sie aus dem Ruder: Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/2008 haben sie sich auf derzeit 35 Billionen Dollar vervierfacht; darin sind die Schulden der Einzelstaaten und Kommunen nicht einmal eingerechnet. Der amerikanische Staat könnte schon bald handlungsunfähig werden, besonders angesichts der demografischen Entwicklungen und der Aufrüstung gegen China, die weitere Verschuldung verursachen werden.
Was erwarten Sie im Bereich Umwelt von Trump und welche Auswirkungen könnte seine Politik auf die Rohstoffmärkte und die Energiewende haben?
Trumps Politik wird darauf abzielen, die heimische Ölproduktion zu erhöhen und regulatorische Hürden abzubauen, um die Energiepreise zu senken. Um die Benzinpreise nachhaltig zu senken, ist Trump aber auf Saudi-Arabien angewiesen. Saudi-Arabien ist der einzige Swing Producer (Ein Produzent, der flexibel seine Produktion nach Bedarf erhöhen oder senken kann, um den Marktpreis stabil zu halten, Anm.d.Red.), der in der Lage ist, durch sein Produktionsverhalten die Öl-Preise und damit Benzin-Preise merklich nach oben oder unten zu beeinflussen.
Donald Trump hat in der Vergangenheit deshalb enge Beziehungen zu Saudi-Arabien gepflegt. Während seiner ersten Amtszeit hat er mit Saudi-Arabien und Russland zusammengearbeitet, um im Zuge der durch die Pandemie bedingten Nachfrageflaute die Ölproduktion zu reduzieren und die Preise zu stabilisieren. Diese Zusammenarbeit war entscheidend, um die US-Ölindustrie zu unterstützen, die unter den niedrigen Preisen litt.
In seiner neuen Amtszeit könnte Trump hingegen versuchen, ähnliche Absprachen zu treffen, um die Benzinpreise zu senken. Allerdings ist dies keine einfache Aufgabe, da die globalen Ölpreise von vielen Faktoren beeinflusst werden, einschließlich der globalen Nachfrage und geopolitischen Spannungen. Sollte etwa der Konflikt zwischen Israel und dem Iran eskalieren und der Iran die für Öl-Lieferungen wichtige Straße von Hormus blockieren, würden die Ölpreise extrem ansteigen.
Bleiben wir auf der internationalen Ebene. Joe Bidens Politik gegenüber China war protektionistisch. Doch Trumps Ankündigungen sind noch viel schärfer. Inwiefern betrifft es auch Deutschland, wenn Trumps Kurs in Richtung China noch protektionistischer wird?
Ein stärker protektionistischer Kurs von Donald Trump gegenüber China könnte beträchtliche Auswirkungen auf Deutschland haben und die bestehenden wirtschaftlichen Herausforderungen verschärfen. Geplante Zölle Trumps auf chinesische Importe könnten Vergeltungsmaßnahmen Chinas nach sich ziehen. Dies könnte globale Lieferketten unterbrechen und die Kosten für deutsche Unternehmen erhöhen, die auf chinesische Vorprodukte angewiesen sind.
Höhere Zölle auf Importe aus China und anderen Ländern könnten zudem deutsche Exporte vor allem der Automobil- und Maschinenbauindustrie in die USA verteuern. Ein eskalierender Handelskonflikt könnte das globale Wirtschaftswachstum bremsen und die Unsicherheit auf den Märkten erhöhen. Dies könnte zu einem Rückgang von Investitionen und Konsum führen, was die deutsche Wirtschaft zusätzlich belasten würde.
Deutsche Unternehmen könnten außerdem verstärkter Konkurrenz ausgesetzt sein, wenn die USA ihre Produktion zurück ins Land verlagern und protektionistische Maßnahmen ergreifen. Dies könnte den Wettbewerb auf dem globalen Markt intensivieren und deutsche Exporteure unter Druck setzen.
Welche Maßnahmen sind von Seiten der EU in Richtung USA zu erwarten?
Die EU hat meines Erachtens noch keine umfassende Strategie entwickelt, um auf mögliche Strafzölle der USA zu reagieren. Aber eine Reihe von Maßnahmen wurden bereits angekündigt: Die EU plant, zunächst den Dialog mit den USA zu suchen, um eine Eskalation zu vermeiden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angedeutet, dass die EU bereit ist, mehr amerikanisches Flüssigerdgas (LNG) zu kaufen, um die Handelsbeziehungen zu verbessern. Sollte es zu Strafzöllen kommen, ist die EU gewappnet, ihrerseits Zölle auf US-Produkte zu erheben. Dies könnte eine breite Palette von Waren betreffen, um den wirtschaftlichen Druck auf die USA zu erhöhen. Gleichzeitig plant die EU, den Binnenmarkt weiter zu vertiefen und eine Wettbewerbsstrategie zu entwickeln, um unabhängiger von externen Schocks zu werden. Schließlich wäre die EU gut beraten, ihre Handelsbeziehungen zu anderen globalen Partnern, etwa dem MERCOSUR, dem gemeinsamen Markt im südlichen Lateinamerika, zu stärken, um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren.
Müssen wir angesichts des angekündigten Rückzugs der USA von der internationalen Ebene – gerade mit Blick auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine – abschließend noch einmal konstatieren: Deutschland bräuchte gerade aufgrund dieser anstehenden Herausforderungen unbedingt einen ordnungsgemäßen Haushalt für 2025?
Sowohl Deutschland als auch die EU brauchen mehr Geld, um externen Herausforderungen zu begegnen. Da China als militärischer Rivale der USA aufsteigt und die USA ihren Fokus vermehrt nach Asien richten, sollte Europa seine Verteidigungsfähigkeit stärken. In Zukunft müssen die Europäer mehr für ihre Landesverteidigung und den Wiederaufbau der Ukraine ausgeben. Unter Trump verliert das NATO-Schutzversprechen an Wert, daher muss Europa mehr in seine Sicherheit investieren. Dabei sollten die Europäer nicht einfach 2 % ihrer Wirtschaftsleistung für US-Militärgüter ausgeben, sondern eigene militärische Fähigkeiten entwickeln, um sich unabhängig von den USA zu machen und Erpressungen vorzubeugen.
Dafür sind umfangreiche Investitionen nötig…
Richtig. In einer Zeit knapper Haushalte könnte indes jede Umschichtung von Sozialausgaben zur Verteidigung oder Ukrainehilfe extremistischen Parteien Zulauf verschaffen, die bereits durch ungelöste politische Probleme bei Wahlen profitieren. Durch gemeinsame Schulden könnte Europa gestärkt und der Wiederaufbau der Ukraine finanziert werden, was den Konflikt zwischen Sozial- und Verteidigungsausgaben entschärfen würde. Anstatt Währungsreserven und Ersparnisse zur Unterstützung der US-Wirtschaft und -Militärausgaben zu nutzen, könnten europäische Länder und Investoren diese in die Stärkung des Euro, Europas sicherheitspolitische Fähigkeiten, digitale Infrastruktur und Zukunftstechnologien investieren, um im geoökonomischen Wettbewerb vorbereitet zu sein.
Das böte auch eine Möglichkeit der Risikodiversifizierung für Anleger…
Ein tiefer und liquider Markt für sichere EU-Anleihen könnte angesichts der enormen US-Staatsverschuldung internationalen Investoren eine Möglichkeit zur Risikodiversifizierung bieten. Sie könnten ihr Geld in Euro-Bonds anlegen, statt in US-Staatsanleihen. Mit einem Staatsdefizit von 35 Billionen US-Dollar, steigenden Zinsen und weiterer Verschuldung wird die finanzpolitische Lage der USA unhaltbar.
Europäische Staaten und institutionelle Anleger könnten ihre Kapitalreserven gewinnbringend in den Euro und die Stärkung Europas investieren, statt die US-Verschuldung zu finanzieren. Dies würde Europa für den geoökonomischen Wettkampf rüsten. Ein starker Euro sichert der EU wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und ermöglicht eine eigenständige europäische Außen- und Sicherheitspolitik.
Über den Gesprächspartner
- Dr. Josef Braml ist Politikwissenschaftler, USA-Experte und European Director der Trilateral Commission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider/innen Amerikas, Europas und Asiens. Zuletzt erschienen beim Verlag C.H.Beck sein mit Mathew Burrows verfasstes Buch „Die Traumwandler. Wie China und die USA in einen neuen Weltkrieg schlittern“ und sein weiterhin aktueller Bestseller „Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können“.
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