• Stimmungstest für die Bundestagswahl: In Rheinland-Pfalz gewinnt Amtsinhaberin Malu Dreyer (SPD) klar vor der CDU und dürfte ihre Ampel-Koalition fortführen können.
  • Auch bei den Nachbarn in Baden-Württemberg ist das eine ernstzunehmende Option. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) könnte SPD und Liberale der abgestürzten CDU als Koalitionspartner vorziehen.
  • Ist das auch ein Modell für den Bund? Politikwissenschaftler Thomas König von der Universität Mannheim gibt Antworten.

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Auftakt im Superwahljahr 2021: Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben über ihren künftigen Landtag entschieden und damit einen ersten Stimmungstest für die kommende Bundestagswahl geliefert.

Die Grünen punkten in beiden Ländern, die CDU hingegen wird abgestraft und erzielt den ersten Hochrechnungen zufolge historische Niederlagen. Die SPD mit Amtsinhaberin Malu Dreyer bleibt in Rheinland-Pfalz stärkste Kraft und dürfte die Ampel-Koalition mit Grünen und FDP, die seit 2016 besteht, wohl fortführen.

Scholz sieht Signale für den Bund

Aber auch in Baden-Württemberg ist das Modell aus Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen eine echte Option: Hier könnte Ministerpräsident Winfried Kretschmer (Grüne) den bisherigen Koalitionspartner CDU zugunsten einer Ampel-Koalition in den Wind schießen.

SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz sieht das als Signal für den Bund: "Regierungsbildung ist ohne CDU in Deutschland möglich", sagte Scholz in der "ARD". Er wolle Kanzler werden – heute sei "sichtbar geworden, dass das möglich ist", so der SPD-Politiker.

Programmatische Hürden

Aber ist die Ampel-Koalition tatsächlich eine ernstzunehmende Option auf Bundesebene? Bislang ist die Zusammenarbeit von SPD, Grünen und FDP nur auf Kommunal- und Landesebene zustande gekommen – etwa in Bremen oder Brandenburg. Mehrmals scheiterten aber auch bereits Versuche zur Bildung einer Ampel-Koalition, zuletzt 2010 in Nordrhein-Westfalen.

Politikwissenschaftler Thomas König ist hinsichtlich einer Vorlage für den Bund skeptisch. "Die Wahlergebnisse in den beiden Ländern sind sehr unterschiedlich und spiegeln nicht die Konfiguration der Parteiführungen im Bund wider", erinnert er.

Die Grünen in Baden-Württemberg und die SPD in Rheinland-Pfalz seien deutlich konservativer als ihre Parteiführungen auf Bundesebene. "Für den Bund ist das Modell daher keine vielversprechende Option", schätzt der Experte.

Rechnerischer Hoffnungsschimmer

Dabei scheitere die Ampel nicht an rechnerischen, sondern vor allem an programmatischen Hürden. Bei der aktuellen Sonntagfrage auf Bundesebene (Stand 14.März) kommen die Grünen nach Erhebungen von Kantar (Emnid) auf 19 Prozent, die SPD auf 16 Prozent und die FDP auf 8 Prozent. Zusammen wären das also 43 Prozent. Die Union landet bei 31 Prozent.

"Die Parteiführung der SPD hat sich in letzter Zeit im Bund eher nach links bewegt – wodurch es noch schwieriger sein dürfte, mit der FDP zu koalieren", so König. Für die SPD-Parteiführung, die außer Rot-Rot-Grün keine Aussicht auf Regierungsbeteiligung hat, sei die Ampel-Koalition deshalb nur ein rechnerischer Hoffnungsschimmer, der allerdings Olaf Scholz mehr Beinfreiheit verschaffen könnte.

"Die aktuelle Führung der SPD und die Politik, die von ihr gemacht wird, harmoniert eher mit den Linken als mit der FDP", betont der Politikwissenschaftler.

Führungspersonal ausschlaggebend

Denn die Vorlieben für Koalitionspartner seien auch immer davon abhängig, wer sich innerparteilich durchsetzen könne. "Eine SPD mit Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an der Spitze sowie Kevin Kühnert und Rolf Mützenich im Hintergrund, wird keine Nähe zur FDP eines Christian Lindners suchen", ist sich König sicher.

Streitigkeiten seien durch die teils gegensätzliche inhaltliche Ausrichtung vorprogrammiert. "In der Pandemie wird zum Beispiel das unterschiedliche Verhältnis zum Staat deutlich", erinnert König.

Während die Führung der Grünen und der SPD auf staatliche Regeln durch den Bund setzten, fordere die FDP unter Christian Linder massive Lockerungen.

"Am anderen Ende der Skala"

"In der Frage ‚Mehr Staat oder mehr privat?‘ steht die FDP am anderen Ende der Skala", so König. Die FDP versuche inhaltlich eher auf die Union zu setzen, während SPD und Grüne an ihrem Linkskurs festhielten Auch eine Aufteilung der Ressorts dürfte diese grundsätzlichen Unterschiede überbrücken.

"Dreyers Kurs in Rheinland-Pfalz grenzt sich inhaltlich von der Bundes-SPD ab: Sie hat in der Pandemie die Geschäfte beispielsweise recht früh geöffnet und es gelten moderatere Regelungen als in anderen Bundesländern", erinnert König. Um eine Ampel-Koalition auf Bundesebene zu einer realistischen Option zu machen, müsste sich die Parteiführung entweder der SPD oder der FDP neu ausrichten.

Dreierbündnisse werden wahrscheinlicher

"Ansonsten ist unter den momentanen Verhältnissen der jeweiligen Parteiführungen eine Ampel-Koalition sehr unwahrscheinlich", bilanziert König. Ohnehin hält er eine Koalition mit CDU-Beteiligung für am wahrscheinlichsten. "Die Union hat sich mit Armin Laschet die Möglichkeit offengehalten, in jede Richtung zu koalieren", sagt König.

Eine Koalition als Dreierbündnis ist auf Bundesebene bislang nicht vorgekommen. Zuletzt scheiterten 2017 Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition, bestehend aus Union, Grünen und FDP. In Zukunft dürften solche Koalitionen – wozu etwa auch die Kenia-Koalition (Schwarz-Rot-Grün) zählt, aber wahrscheinlicher werden: Durch das zunehmend zersplitternde Parteienspektrum braucht es immer mehr Partner für Mehrheiten.

Über den Experten:

Prof. Dr. Thomas König ist Politikwissenschaftler an der Universität Mannheim. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die europäische Integration, Parteiendemokratie und Polarisierung im internationalen Vergleich. König ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.

Verwendete Quellen:

  • ZDF.de: Aktuelle News zu den Wahlen in BW und RLP:
  • Tagesschau.de: Scholz: Regierung im Bund ohne CDU möglich
  • Wahlrecht.de: Sonntagsfrage Bundestagswahl, Kantar Emnid vom 14.03.2021






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