• Auch die Bundes-CDU profitiert von Reiner Haseloffs Wahlsieg in Sachsen-Anhalt: Die Partei hat bewiesen, dass sie doch noch Wahlen gewinnen kann.
  • Für Grüne, Linke und SPD ist das Ergebnis bitter. Allerdings ist das Rennen bei der Bundestagswahl noch offen.
  • Das sind die Lehren aus der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt.
Eine Analyse

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Im März hat die CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz noch herbe Wahlschlappen eingefahren. Am Sonntagabend war der Jubel dagegen groß: Die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt haben die Christdemokraten klar gewonnen. Trotz Maskenaffäre und trotz innerparteilicher Streitereien in den vergangenen Wochen.

Die Abstimmung war auch in Berlin mit Spannung erwartet worden, weil sie der letzte Stimmungstest vor den Bundestagswahlen im Herbst ist. Welche Lehren lassen sich aus den Ergebnissen ziehen?

1. Armin Laschet kann aufatmen – auch wenn es nicht sein Sieg ist

Von einem "großen Tag für die CDU" sprach Generalsekretär Paul Ziemiak am Sonntagabend. Bundestagsfraktionschef Ralph Brinkhaus wertete das gute CDU-Ergebnis auch als Sieg für den Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

Ob Laschet wirklich einen großen Anteil daran hat, darf bezweifelt werden. Einer Vorwahl-Umfrage von Infratest Dimap zufolge halten nur 18 Prozent der Sachsen-Anhalter den CDU-Vorsitzenden für einen guten Kanzler für Ostdeutschland.

Zudem profitierte die CDU von einem Effekt, der sich schon bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen bemerkbar machte: Besteht vor der Wahl die Möglichkeit, dass die AfD sehr gut abschneidet, sammeln sich viele Wählerinnen und Wähler im letzten Moment hinter der Partei des amtierenden Ministerpräsidenten. Und das war dieses Mal eben die CDU.

"Die Bundes-CDU wird diesen Erfolg für sich beanspruchen, auch wenn es zum größten Teil der Erfolg von Reiner Haseloff und nicht von Armin Laschet war", sagt Oskar Niedermayer, emeritierter Professor für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, im Gespräch mit unserer Redaktion.

70 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt halten Haseloff für einen guten Ministerpräsidenten, 65 Prozent finden, dass er die Interessen der Ostdeutschen selbstbewusst vertritt. Trotzdem glaubt auch Niedermayer, dass diese Wahl der Bundes-CDU Rückenwind verschafft: "Das Ergebnis zeigt, dass die CDU noch Wahlen gewinnen kann – und dieses Gefühl war ja fast abhandengekommen."

Wichtig sei zudem, dass die Union nach seiner Einschätzung geschlossen aufgetreten ist: Sowohl Armin Laschet als auch sein CSU-Konkurrent Markus Söder haben sich im Landtagswahlkampf Sachsen-Anhalt engagiert.

2. Sachsen-Anhalt ist ein Warnschuss für die Grünen

Für die Parteien des linken Lagers war diese Landtagswahl bitter: Zusammengerechnet kommen Linke, SPD und Grüne auf 25,3 Prozent – 1998 zum Beispiel waren es noch fast 60 Prozent. Die Linke muss trotz einer forschen Spitzenkandidatin um ihren Status als Ost-Partei bangen.

Die SPD profitiert nicht von Errungenschaften wie Kurzarbeitergeld, Mindestlohn oder der Einigung auf eine globale Mindeststeuer, die ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz gerade ausgehandelt hat.

Auch bei den Grünen überwog am Sonntag Zerknirschung. "Das ist nicht das Ergebnis, das wir uns vorgenommen haben", sagte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in der ARD. Gerade mal 5,9 Prozent – passt so ein Ergebnis zu einer Partei, die mit einer Kanzlerkandidatin bei der Bundestagswahl um Platz 1 spielen will?

"Es war mit Sicherheit kein guter Tag für die Grünen im Bund", sagt Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer. Sachsen-Anhalt sei zwar ein relativ kleines Bundesland, das für mögliche Bundestagswahlergebnisse keine große Rolle spiele. "Die Grünen haben von dieser Wahl aber keinen Rückenwind bekommen. Das Ergebnis kann man nicht als Sieg verkaufen."

3. Die AfD hat sich im Osten etabliert – und bleibt doch außen vor

In der Woche vor der Wahl hatte eine Umfrage im Auftrag der BILD-Zeitung noch die Spekulation befeuert, die AfD könnte in Sachsen-Anhalt stärkste Partei werden. Daraus ist nichts geworden. Allerdings erreicht sie jetzt schon zum zweiten Mal ein Ergebnis über 20 Prozent.

"Bei der vorigen Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat die Flüchtlingskrise noch die überragende Rolle gespielt", sagt Politikwissenschaftler Niedermayer. "Mit den Themen, die danach in den Vordergrund gerückt sind – also der Klimawandel und Corona – konnte die AfD deutlich weniger punkten. Vor diesem Hintergrund hat sie auch jetzt noch ein gutes Ergebnis eingefahren."

Ein Ausrutscher war die Wahl 2016 also nicht. Die AfD hat sich in Sachsen-Anhalt etabliert – obwohl Rechtsextreme dort den Ton angeben und die Partei im Land vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

Gleichzeitig befindet sich die Partei in einer Sackgasse. Die anderen Parteien lehnen jegliche Zusammenarbeit mit der AfD ab. Ministerpräsident Haseloff hat gleich mehrere andere Möglichkeiten, eine Regierung zu bilden.

Zudem kann er sich in seinem Kurs, sich klar von der Partei abzugrenzen, bestätigt fühlen. Infratest Dimap zufolge wollen 94 Prozent der AfD-Wähler, dass die AfD mitregiert. Genau das ist bei den immer extremeren Tönen in der Partei aber nicht abzusehen.

4. Die Bundestagswahl ist noch nicht entschieden

Die CDU hat ab jetzt im Bundestagswahlkampf die Nase vorn, Grüne und SPD sind geschlagen? So einfach ist es nicht. "Entschieden ist bei der Bundestagswahl noch gar nichts", sagt Oskar Niedermayer.

Das Verhalten der Wählerinnen und Wähler sei deutlich flexibler, weil langfristige Bindungen an die Parteien zurückgehen. Das zeigen auch die sehr unterschiedlichen Ergebnisse der drei Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz in diesem Jahr.

Hinzu kommt: Bei diesen Landtagswahlen konnte die siegreiche Partei von der Popularität des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin profitieren. Der Vorwahlumfrage von Infratest Dimap zufolge machten 40 Prozent der CDU-Wähler wegen Ministerpräsident Haseloff ihr Kreuz bei den Christdemokraten.

Bei der Bundestagswahl im Herbst wird die Amtsinhaberin aber nicht mehr antreten – und einen klaren Favoriten gibt es unter den drei Kanzlerkandidaten bisher nicht.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Prof. Dr. Oskar Niedermayer, Freie Universität Berlin
  • Homepage der Landeswahlleiterin Sachsen-Anhalt.
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