• In einem aktuellen Wahlwerbespot warnt die SPD vor "erzkatholischen Laschet-Vertrauten".
  • Im Bild: der Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen, Nathanael Liminski.
  • Kritik an diesem Vorgehen kommt von links wie rechts.

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Die SPD sieht sich mit massiver Kritik konfrontiert. Der Grund: ihr aktuelles Wahlwerbevideo. Darin wird etwa vor einer Politik gewarnt, "die Reiche reicher und Arme ärmer" macht. Vor "Ministern, die für maue Leistungen statt für Mobilität von morgen stehen". Und vor "erzkatholischen Laschet-Vertrauten", "für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist".

Dazu wird eine Matroschka-Puppe mit immer neuen Gesichtern gezeigt. Erst ist Spitzenkandidat Armin Laschet zu sehen, dann wird quasi enthüllt, wer alles mitgewählt werde: Friedrich Merz, Verkehrsminister Andreas Scheuer und zu der "Kein Sex vor der Ehe"-Aussage: Nathanael Liminski, Chef der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen.

SPD-Video erreicht neue Schwelle im Wahlkampf

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil stellte das Video vergangene Woche als Teil der Wahlkampagne der SPD vor. Produziert wurde der Clip von der Agentur Brinkert Lück.

Es ist nicht das einzige Matroschka-Video, das vorgestellt wurde. Die SPD veröffentlichte ein zweites, das sich auf die Wahlkampf-Inhalte der Partei bezog.

Die religiöse Überzeugung von politischen Gegnern im Wahlkampf zu thematisieren: Für eine Regierungspartei ist das ein Novum. Als erstes hatte der "Tagesspiegel" das Thema aufgegriffen. Am Sonntag trendete der Begriff "Liminski" auf Twitter, der Politiker wurde hart angegangen und für seine Aussagen kritisiert.

Nathanael Liminski: Laschets konservativer Chefstratege

Liminski gilt als Laschets Chefstratege, sein Schattenmann, konservativ und streng katholisch. Interviews gibt er höchst selten, über seinen Glauben spricht er öffentlich gar nicht mehr. Beobachter nennen den 35-Jährigen den wichtigsten Mann im Umfeld des Ministerpräsidenten. Laschet warb ihn 2014 aus dem Bundesinnenministerium ab und machte ihn zum Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen.

Die Aussage, dass für ihn das Motto "Kein Sex vor der Ehe" gelte, tätigte Liminski mit 22 Jahren, 2007 in einer Ausgabe von "Maischberger". Damals machte er zudem einige despektierliche Aussagen über Schwule und Lesben, dem "Spiegel" sagte er etwa, einige Homosexuelle täten ihm leid und der Staat müsse "schon aus reiner Selbsterhaltung die natürliche Form der Ehe und Familie fördern".

CDU fordert SPD auf, Wahlkampfspot zurückzuziehen

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak forderte die SPD dazu auf, den Wahlkampfspot abzusetzen. "Das Beste wäre jetzt für alle, das nicht zu einer großen Debatte im Wahlkampf zu machen, sondern einfach schlicht und ergreifend, diesen Film zurückzuziehen", sagte er. Man solle "nicht weiter ein religiöses Bekenntnis dazu missbrauchen, um Wahlkampf gegen andere zu machen".

Ziemiak sagte weiter: "Die Bekenntnisse der SPD zu einem fairen Wahlkampf haben wir uns anders vorgestellt." Offenbar handele es sich um einen "neuen Stil der SPD". Ihr Spitzenkandidat Olaf Scholz müsse jetzt erklären, "ob er weiterhin die Religionszugehörigkeit, die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben missbrauchen will für eine Kampagne im Wahlkampf".

Aus der CDU-Zentrale hieß es gegenüber dem "Tagesspiegel", man sehe die Prinzipien des fairen Wahlkampfs verletzt. Wie alle Bundestagsparteien mit Ausnahme der AfD hatte die SPD die entsprechende Selbstverpflichtung unterzeichnet.

Liminskis Aussage sei zudem aus dem Zusammenhang gerissen, moniert die CDU. Er sei damals Teil eines innerkirchlichen Netzwerks - der "Generation Benedikt" - gewesen. Als solches habe er einen papsttreuen Glauben propagiert und diese Position in Talkshows vertreten.

Auch der Vorsitzende der NRW-Landesgruppe der CDU im Bundestag, Günter Krings, kritisierte das Video. "Dass höchstpersönliche Themen und religiöse Überzeugungen zum Gegenstand politischer Angriffe gemacht werden, hat es in der Nachkriegszeit so noch nicht gegeben", sagte Krings dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Kritik am SPD-Werbespot komm auch von den Grünen

Volker Beck, ehemals religionspolitischer Sprecher der Grünen und heute Lehrbeauftragter des Centrums für Religionswissenschaftliche Studien an der Uni Bochum, bezeichnete es als "völlig inakzeptabel, den Glauben von jemandem auf diese Weise abzuwerten". Auch der Begriff "erzkatholisch" sei daneben.

"Problematische Positionen und Beziehungen von Politikern sollten bei der Person allerdings konkret hinterfragt werden", mahnte Beck im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur an. Die Frage sei gestattet, ob Liminski seine Positionen von früher immer noch vertrete.

Grünen-Abgeordneter Konstantin von Notz kritisierte auf Twitter: "Menschen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit anzugreifen ist exakt so unterirdisch, wie sie wegen ihrer Nichtzugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft anzugreifen. Wir leben in einem pluralen und liberalen Rechtsstaat."

Parteienforscher erinnert an US-Wahlkampf

Parteienforscher Uwe Jun von der Universität Trier zieht eine Parallele zum Wahlkampf vor der US-Präsidentschaftswahl. Es handle sich bei dem SPD-Video um "eine ziemlich drastische Form des 'Negative Campaigning', die an amerikanische Vorbilder erinnert", sagte Jun dem "Tagesspiegel". Ihm seien "keine solch angreifenden Statements mit Blick auf religiöse Inhalte durch die etablierten Parteien bekannt".

Benjamin Höhne vom Berliner Institut für Parlamentarismusforschung sieht den Spot weniger kritisch. "Es geht ja augenscheinlich nicht um die Auseinandersetzung mit einer religiösen Frage, sondern darum, den politischen Gegner 'alt aussehen' zu lassen", sagte er der Zeitung.

Aber das Video rücke den politischen Gegner in den Mittelpunkt und nicht das eigene Wahlprogramm. Das sei in Deutschland "eine bisher eher ungewöhnliche Kampagnentechnik", zumal, wenn sie nicht von der AfD komme.

Verwendete Quellen:

  • Tagesspiegel.de: Die SPD bricht ein Tabu im Wahlkampf
  • Katholisch.de: Nathanael Liminski: Von der "Generation Benedikt" zu Armin Laschet
  • SPD-Werbespot
  • Twitter
  • dpa
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