Der Internetdienst Starlink von Elon Musk ist für die Ukraine im Krieg gegen Russland extrem wichtig. Doch was würde passieren, wenn Musk Starlink abschalten würde? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Eine Analyse
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Die USA wollen den Krieg zwischen Russland und der Ukraine schnellstmöglich beenden. Um dieses Ziel zu erreichen, ist Präsident Donald Trump wohl jedes Mittel recht. Zwischenzeitlich hatte er Kiew von US-Geheimdienstinformationen abgeklemmt und die US-Militärhilfen herunter gefahren, um den Druck auf die Ukraine zu erhöhen. Auch über das Abschalten des satellitengestützten Internetdienstes Starlink von Trump-Berater Elon Musk wurde bereits spekuliert.

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Was ist Starlink?

Starlink ist ein satellitengestützter Internetdienst von Elon Musks Weltraumunternehmen SpaceX, der einen weltweiten Breitbandzugang ermöglicht. Über ein Netz aus rund 7.000 Satelliten im erdnahen Orbit bietet es schnellen Internetzugang, insbesondere in abgelegenen Gebieten. Nutzer benötigen ein Terminal, um sich mit dem Netz zu verbinden. Starlink verspricht hohe Geschwindigkeiten, in Deutschland um die 300 Mbit pro Sekunde unter günstigen Bedingungen. Das ist mit Glasfaser-Internet vergleichbar.

Wofür benötigt das ukrainische Militär Starlink?

Das ukrainische Militär nutzt Starlink für eine sichere und zuverlässige Kommunikation im Kriegsgebiet. Da viele herkömmliche Internet- und Mobilfunknetze durch russische Angriffe zerstört oder gestört wurden, bietet Starlink eine unabhängige und stabile Verbindung. Es wird für die Koordination von Truppenbewegungen, die Steuerung von Drohnen und den Austausch von Informationen in Echtzeit genutzt. Darüber hinaus hilft es der Zivilbevölkerung und Regierungsstellen, online zu bleiben. Rund 40.000 Starlink-Terminals sollen im gesamten Land im Einsatz sein.

Was würde passieren, wenn Starlink abgeschaltet würde?

"Ich hielte die Folgen für erheblich bis dramatisch", sagt Andreas Knopp, Professor für Satellitenkommunikation und Inhaber des Lehrstuhls für Informationsverarbeitung an der Universität der Bundeswehr München. "Es gibt kein anderes System mit so kurzen Signallaufzeiten, das dazu geeignet ist, in der sogenannten Kill-Chain zwischen Aufklärung und Bekämpfung eines Ziels eingesetzt zu werden." Die militärischen Fähigkeiten der Ukraine würden dadurch erheblich dezimiert. Auch Elon Musk selbst teilt diese Einschätzung. "Wenn ich es abschalten würde, bräche ihre gesamte Front zusammen", schrieb Musk auf X.

Es gibt jedoch auch andere Meinungen. Laut Greg Austin, Cyberexperte von der Technischen Universität Sydney, wird Starlink inzwischen hauptsächlich dann verwendet, wenn keine anderen Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. "Mittlerweile ist es unwahrscheinlich, dass die Ukrainer ohne das System große Verluste erleiden", sagte er dem Spiegel.

Auch aus der Ukraine kommen optimistische Signale. Verteidigungsminister Rustem Umerow erklärte erst kürzlich: "Es gibt eine Lösung, es gibt Alternativen." Wie der britische Economist schreibt, könnte das Land innerhalb von drei Monaten eine breitere Kommunikationslösung aufbauen, sollte Starlink ausfallen.

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Was kann der Dienst "OneWeb" von Eutelsat?

In der Ukraine wird bereits der europäische Starlink-Konkurrent Eutelsat mit seinem Dienst OneWeb genutzt, sagt Forscher Andreas Knopp. OneWeb betreibt derzeit 630 Satelliten, doch das Angebot soll Berichten zufolge teurer als Starlink sein. "Was die Signallaufzeit angeht, sind die Dienste vergleichbar", sagt der Experte. Allerdings hat OneWeb einen großen technischen Nachteil. "Die Terminals sind ein ganzes Stück klobiger, und da habe ich Zweifel, dass man die so ohne Weiteres mit ein bisschen Klebeband auf einer Drohne befestigen kann, wie es die Ukrainer häufig machen." Wohl auch deshalb wird OneWeb wahrscheinlich nicht direkt an der Front, sondern derzeit eher für strategische Zwecke eingesetzt. "OneWeb kann Starlink in Sachen Kapazitäten noch nicht ersetzen", sagt Knopp.

Dennoch könnte eine Kombination aus OneWeb und den geostationären Eutelsat-Satelliten in seinen Augen langfristig eine Alternative bieten. "Dann müssen die Verbindungen nach Anwendungsfall aufgeteilt werden. Wenn es nur um einfaches Surfen oder das Übertragen von Logistikdaten geht, können wir längere Signallaufzeiten in Kauf nehmen. Die erdnahen Satelliten von Eutelsat mit schnellerer Übertragungsgeschwindigkeit würden dann für die Kill-Chain-Daten genutzt", erklärt Knopp.

Was hat es mit IRIS2 der Europäer auf sich?

Die EU arbeitet an einer Starlink-Alternative namens IRIS2 (sprich: Iris Square), an der auch Eutelsat beteiligt ist. Das Projekt ist eine Weiterentwicklung von OneWeb und sieht den Start neuer Satelliten vor, beginnend im Jahr 2028. "OneWeb hat deswegen nicht mehr so viel Interesse, an der alten Satellitenflotte noch Verbesserungen vorzunehmen oder sie zu ergänzen", sagt Knopp. Für den Ukraine-Krieg dürfte IRIS2 keine Relevanz mehr haben. Aber der Experte bewertet den Plan für ein europäisches Alternativsystem, um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren, grundsätzlich positiv. Noch hat Starlink aber einen technologischen Vorteil. "Ich bin sehr zuversichtlich", sagt Knopp, "dass Europa mit mehr Geld und Konzentration auf seine wichtigsten Grundlagen gute Chancen hat, das aufzuholen."

Welche Alternativen zu Starlink gibt es noch?

Vor allem in der bisher teilweise besetzten russischen Region Kursk nutzen die Ukrainer neben Starlink Berichten zufolge auch Glasfaserkabel, Drohnen mit mobilen Kommunikationsrelaisstationen und bestehende Datennetze zur Datenübertragung. "Es wird alles benutzt, was verfügbar ist", sagt Knopp. "Die Ukrainer sind Meister der Improvisation, aber gleichwertige Alternativen zu Starlink sind das alles nicht."

Zudem sollen Satellitenkommunikationssysteme aus Schweden und Deutschland im Einsatz sein, über die allerdings nur wenige Details bekannt sind. Wie weit der Einsatz alternativer Lösungen beim ukrainischen Militär tatsächlich fortgeschritten ist, bleibt schwer einzuschätzen.

Wird Elon Musk Starlink abschalten?

Musk hat kürzlich versichert, dass er die Ukraine niemals von Starlink abklemmen würde. "So etwas würden wir niemals tun oder als Druckmittel einsetzen", schrieb er auf X.

Dennoch gibt es Spekulationen, dass Berater von US-Präsident Donald Trump die Verfügbarkeit schrittweise einschränken könnte ("Downscaling"), um die Ukraine zu einem Friedensschluss oder zu Zugeständnissen gegenüber Moskau zu drängen. Knopp hält eine komplette Abschaltung für unwahrscheinlich: "Je mehr Musk jetzt Zweifel an dem System streut, umso mehr werden die Europäer sich auf die Hinterbeine stellen und ein Konkurrenzprodukt mit mehr Geld schneller in den Orbit bringen. Und warum sollte er das wollen? Er hat momentan ein Alleinstellungsmerkmal mit Starlink und auch aus finanziellen Gründen kein Interesse daran, dass Europa eine eigene Lösung aufbaut." Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Europäer Musk sein Alleinstellungsmerkmal nehmen.

Verwendete Quellen:

Zur Person:

  • Andreas Knopp ist Professor für Satellitenkommunikation und Inhaber des Lehrstuhls für Informationsverarbeitung an der Universität der Bundeswehr München.