Mit Blick auf die Handelspolitik der USA zeigte die "Markus Lanz"-Runde am Dienstag Chancen und Risiken für Deutschland auf. Kontrovers diskutiert wurde auch der schwarz-rote Koalitionsvertrag.

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Die SPD-Mitglieder stimmen noch bis zum 29. April über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Bei "Markus Lanz" zeigte sich SPD-Politiker Stephan Weil trotz aller Kritik optimistisch in Bezug auf die künftige Zusammenarbeit mit dem designierten CDU-Kanzler Friedrich Merz. Auch um die Folgen der US-Zollpolitik für Deutschland, Europa und die Welt ging es im ZDF-Talk. Ein Experte warnte eindringlich. Hatte aber auch gute Nachrichten für deutsche Konsumenten.

Das Thema der Runde

Sowohl Lars Klingbeil als auch Saskia Esken rühren aktuell vor dem Start des SPD-Mitgliedervotums die Werbetrommel für den Koalitionsvertrag mit der Union. ZDF-Moderator Markus Lanz nahm dies am Dienstagabend zum Anlass und debattierte über den bisherigen Verlauf der Regierungsbildung. Außerdem warf Lanz einen Blick auf den Handelsstreit zwischen Amerika und China - und analysierte die daraus resultierenden Auswirkungen auf Europa.

Moritz Schularick
Ökonom Moritz Schularick sieht Chancen für Europa im brodelnden Handelskrieg zwischen Amerika und China. © ZDF / Markus Hertrich

Die Gäste

  • SPD-Politiker Stephan Weil offenbart mit Blick auf seinen baldigen Rücktritt als niedersächsischer Ministerpräsident: "Ich habe Schlafstörungen."
  • Journalistin Eva Quadbeck kritisiert den Koalitionsvertrag und sagt: "Das Bittere ist: Für die jungen Menschen ist in diesem Vertrag nichts zu finden."
  • Ökonom Moritz Schularick sagt über die wirtschafts- und fiskalpolitischen Aspekte des Koalitionsvertrages: "Es ist ein Kessel Buntes."
  • Korrespondent Elmar Theveßen warnt vor dem Einfluss der US-Regierung auf die Bildungsinstitute im Land: "Hier wird die akademische Freiheit eingeschränkt."

Das Wortgefecht

Mit Blick auf die Berliner Regierungsbildung stellte SPD-Politiker Stephan Weil zunächst energisch klar, dass er dem Koalitionsvertrag "aus Überzeugung" zustimmen werde. Dass "Herr Merz am 6. Mai zum Kanzler gewählt wird", glaubt auch die Journalistin Eva Quadbeck. Bei "Markus Lanz" stellte sie zugleich klar: "Es ist aber kein guter Koalitionsvertrag." Laut Quadbeck handle es sich vielmehr um "ein Sammelsurium", bei dem "sehr viel Gegensätzliches" enthalten sei. "Streit zwischen den Koalitionspartnern" sei da bereits angelegt. Man könne "nur hoffen, dass sie diesen Streit nicht so austragen, wie die Ampel es getan hat."

Markus Lanz wollte von Stephan Weil wissen, wie es die SPD geschafft habe, "bei dem Wahlergebnis dem Merz sieben Ministerien abzuluchsen". Pointiert sagte der ZDF-Moderator: "Ich dachte, demnächst stellen die auch noch den Kanzler." Weil konterte trocken: "Da kann man mit uns sicherlich drüber reden."

Der SPD-Politiker wurde sogleich wieder ernst und sprach von einer "fairen Verteilung" der Ministerien. "Der eigentliche Schlüssel zum Erfolg der Koalition in den nächsten vier Jahren besteht darin, (...) nicht in die Falle reinzutappen, permanent sich untereinander zu streiten, sondern sich auch gegenseitig etwas zu gönnen und vier Jahre dafür zu nutzen, Vertrauen zurückzugewinnen", mahnte der Politiker mit strengem Blick.

Eine Aussage, die bei Eva Quadbeck erneutes Stirnrunzeln auslöste. Sie erinnerte unter anderem an die aktuelle Debatte zum Mindestlohn und sagte ironisch: "Da drücken wir mal ganz fest die Daumen, dass das klappt." Stephan Weil wollte sich auf die Provokation jedoch nicht einlassen und sagte, dass das Oberziel für alle Beteiligten der neuen Regierung sei, dass "wir (...) vier Jahre Zeit haben, um unsere Demokratie zu stabilisieren". Lanz hakte kritisch nach: "Haben die wichtigen Akteure das wirklich kapiert?"

Eva Quadbeck bemängelte, dass im Koalitionsvertrag nichts für die junge Generation enthalten sei: "Ich sehe wirklich nicht, wo da für die jüngeren Menschen irgendetwas ist." Als es in dem Zusammenhang um die vielen Finanzierungsvorbehalte ging, wies Weil Kritik von sich: "Da muss man sich schon mal entscheiden: Erwartet man von der Politik Realismus und Offenheit - oder erwartet man, dass sozusagen solche Versprechen abgegeben werden, von denen man nicht weiß, ob man sie halten kann?"

Die Offenbarung des Abends

Nicht nur die Regierungsbildung, auch der amerikanische Handelskrieg stand bei "Markus Lanz" im Fokus. "Wie sehr betrifft Sie das auch in Niedersachsen?", wollte der ZDF-Moderator wissen. Stephan Weil antwortete prompt: "Natürlich betrifft es uns. Wir haben (...), wie die ganze deutsche Wirtschaft, sehr viele Exportunternehmen." Der SPD-Politiker ergänzte mit finsterer Miene, dass Donald Trump aktuell "mit fast der ganzen Welt" Streit anzettle. Weil: "Die Amerikaner sind ja Teil einer völlig vernetzten Weltwirtschaft und sie sind auch angreifbar."

Der niedersächsische Ministerpräsident fügte hinzu, dass er "immer mehr in Zweifel" gerate, "ob es wirklich eigentlich darum geht, wirtschaftlich Amerika voranzubringen, oder ob da nicht eine ganz andere Agenda dahintersteht - nämlich die Zerstörung des Rechtsstaates, (...) die Zerstörung wohl dann am Ende auch der Demokratie und bürgerlicher Freiheiten. Und das, finde ich, macht einen alles in allem hoch besorgt." Ökonom Moritz Schularick konnte dem nur zustimmen.

In Bezug auf seine letzte Amerika-Reise sagte der Wirtschaftsexperte: "Die Stimmung, auch gerade in Washington, war schon verunsichert." Laut Schularick sei auch zu spüren gewesen, dass "keine ganz kohärente Strategie" hinter dem Handelskrieg stecke. Er warnte: "Das ist keine Eintagsfliege. Wir werden uns darauf einrichten müssen, dass dieser Sand, der da im Getriebe des Welthandelssystems von den USA willkürlich reingeworfen wurde (...), da bleiben wird."

Markus Lanz suchte das Positive: "Ist das auch eine Chance für uns?" Der Ökonom nickte: "Natürlich reißen auch diese chinesischen Exporte, die nicht mehr nach Amerika gehen, im amerikanischen Markt eine große Lücke. Und zurzeit sind die Zölle auf deutsche Produkte nur zehn Prozent, die auf chinesische über 100. Das heißt, da sind deutsche Exporteure, die in diese Lücke reingehen werden und durchaus auch davon profitieren werden." Eine Aussage, die den ZDF-Moderator aufhorchen ließ: "Das heißt, wir werden plötzlich wieder wettbewerbsfähig?" Moritz Schularick nickte erneut und prophezeite "deutliche Export-Zuwächse" in die USA: "Da wird sich eine Menge verschieben. Für den deutschen Konsumenten heißt es erst mal günstigere Preise."

Der Erkenntnisgewinn

Mit Blick auf die US-Wirtschaft gab Moritz Schularick zwar mehrfach Entwarnung und sagte: "Der Dollar ist immer noch die Leitwährung." Dennoch warnte der Ökonom eindringlich: "Wenn wir diesen Vertrauensverlust in den Dollar und den Vertrauensverlust in die Bonität des amerikanischen Staates sehen, dann sind wir in der Tat sehr nah, wenn nicht schon mitten in der nächsten globalen Finanzkrise." Schularick ergänzte streng: "Für mich ist es wahrscheinlicher als nicht, dass (...) die USA dieses Jahr in eine Rezession gehen. (...) Wir werden jedenfalls ganz haarscharf auch (...) mit der Rezession flirten."  © 1&1 Mail & Media/teleschau