Der frühere SPD-Kanzlerkandidat lobt bei Sandra Maischberger die Sparpolitik von Bundesfinanzminister Christian Lindner, da er große finanzielle Belastungen auf Deutschland zukommen sieht. SPD-Chef Lars Klingbeil kritisiert er für dessen Vorstoß beim Ehegattensplitting.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Christian Stüwe dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Am Mittwochabend schlug bei der ARD-Talkshow "Maischberger" die Stunde der Politik-Rentner. Der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, 76 Jahre alt, und der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, 90 Jahre alt, präsentierten sich bei ihren Auftritten bestens aufgelegt.

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Das waren die Themen des Abends bei "Maischberger"

Wird die Ukraine Teil der Nato? Und wenn ja, wann? Beim Gipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius trafen sich die Vertreterinnen und Vertreter der Nato-Staaten mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, doch vieles blieb vage.

Moderatorin Sandra Maischberger wollte von ihren Gästen wissen, ob die Enttäuschung der Ukraine nachvollziehbar ist. Danach ging es um Innenpolitik, das Heizungsgesetz, die anhaltende Inflation, Klimaschutz und den Umgang der Ampel-Regierung mit diesen Themen.

Mit folgenden Gästen diskutierte Sandra Maischberger

  • Gerhart Baum: Der FDP-Politiker wird im Oktober stolze 91 Jahre alt, ist aber nach wie vor Stammgast in Talkshows und hat eine starke Meinung vor allem zum Krieg in der Ukraine. Aber auch zur Ampel-Regierung äußerte sich Baum. "Wenn der Eindruck entsteht, die handeln nicht, sondern streiten nur, ist das fatal", sagte er. Ob er den Eindruck habe, dass die aktuelle Regierung stark und handlungsfähig sei, wollte Maischberger wissen. "Die Regierung macht nicht diesen Eindruck", antwortete Baum.
  • Alexander Rodnyansky: Da die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja aus technischen Gründen nicht zugeschaltet werden konnte, sprang der Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Selenskyj ein und berichtete von der Situation der Menschen in der Ukraine nach über 500 Tagen Krieg. "Es geht darum, dass man die europäische Friedensordnung nicht ewig alleine verteidigen will. Und das tun wir gerade mit unserem Blut. Unsere Männer sterben an der Front. Und Europa profitiert faktisch davon, dass wir den Aggressor weiter abhalten", sagte Rodnyansky und warb für weitere entschlossene Unterstützung der Ukraine durch den Westen.
  • Peer Steinbrück: Der ehemalige Bundesfinanzminister nahm vor sieben Jahren Abschied von der großen Politik, verfolgt das aktuelle Geschehen aber weiter aufmerksam. Mehrmals traf er in seiner Karriere den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Ich glaube nicht, dass man mit ihm verhandeln kann, auch wenn ich es mir wünschen würde. Weil er von einer fast imperialen Mission getrieben ist, den alten Macht- und Einflussbereich der Sowjetunion wieder herzustellen", sagte Steinbrück.
  • Béla Réthy: Der langjährige Fußball-Kommentator des ZDF sprach über einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine. "Ein sofortiger Beitritt wäre nichts anderes als Weltkrieg. Es geht also möglicherweise nur um die Zeit danach. Wer weiß, was aus der Ukraine dann geworden ist“, sagte Réthy. "Ich weiß nicht, ob es militärisch notwendig ist, das noch einmal mit einem weiteren Land anzureichern an der Grenze. Ich wäre da vorsichtig. Tendenz also eher nein. " Der Ampel-Regierung gab er später eine gerade noch befriedigende Note: 3-.
  • Susanne Gaschke: Bei der Journalistin, die als Autorin für die "Neue Zürcher Zeitung" in Berlin arbeitet, kam die Regierung schlechter weg. "Die Dreier-Kombination ist vielleicht doch unglücklich", sagte Gaschke: "Von der großen Koalition hatten wir eigentlich alle genug. Weil man sich nicht vorstellen konnte, dass es noch zäher oder schlimmer hätte kommen können. Jetzt stellen wir fest, wenn die FDP und Rot-Grün strukturell nicht gut zusammenpassen, geht es noch schlimmer."
  • Gregor Peter Schmitz: "Ich glaube, dass es insgesamt ein guter Gipfel für die Ukraine war", sagte der Chefredakteur des Magazins "Stern". Schmitz verwies darauf, dass US-Präsident Joe Biden zwar einen Nato-Beitritt der Ukraine ausgeschlossen hatte, gleichzeitig aber Sicherheitsgarantien wie beispielsweise für Israel in Aussicht stellte. "Wenn man das mal wirklich runterbricht, ist das eigentlich ein ungeheures Versprechen", sagte Schmitz. Dies sei ein bisschen untergegangen in den Diskussionen, die vor allem auf einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine fokussiert waren.

Das war der temperamentsvollste Auftritt des Abends

Gerhart Baum redete sich wie schon in anderen Talkshows beim Thema Ukraine und Putin ordentlich in Rage. "Das Hauptsignal ist, dass die Ukraine zum Westen gehört", zog er sein Fazit des Gipfels in Vilnius. "Das, was Putin ums Verrecken nicht wollte, ist nun geschehen."

Die Rücksichtnahme auf Putin störe ihn. "Was wird er dazu sagen? Wir wissen doch genau, was er dazu sagt", echauffierte sich Baum, als es um die Lieferung von Streumunition an die Ukraine ging.

"Er kümmert sich nicht um das Recht, seine Unterschrift ist nichts wert. Wenn er könnte, würde er morgen Moldawien oder die baltischen Staaten überfallen. Der Mann hat nichts mehr zu verlieren", war sich Baum sicher. Für seine Ausführung bekam er mehrfach Applaus.

Der Klartext des Abends

Zu Beginn des Interviews mit Peer Steinbrück verwies Maischberger auf die schlechten Umfragewerte für die Ampel und fragte den früheren SPD-Kanzlerkandidaten, ob er zu den 22 Prozent gehöre, die mit der Arbeit der Regierung zufrieden sind.

"Nein. Ich würde ja Ihre Urteilskraft und die aller Zuschauerinnen und Zuschauer beleidigen, wenn ich jetzt plötzlich in einen Lobgesang über die Ampel-Regierung fallen würde", antwortete Steinbrück und analysierte dann die aktuelle Politik so, wie es vermutlich nur jemand kann, der nicht mehr ins Tagesgeschäft eingebunden ist.

"Da lässt man nicht so einfach mal so einen Heißluftballon starten, ohne die damit verbundenen Fragen sehr genau abzuwägen", kritisierte er den Vorstoß von SPD-Parteichef Lars Klingbeil zur Abschaffung des Ehegattensplittings. Zunächst müsse bei solchen Maßnahmen Einigkeit bestehen, erst dann dürfe der Schritt in die Öffentlichkeit erfolgen.

Auch das Heizungsgesetz hätte von Bundeskanzler Olaf Scholz und den Ministern besser erklärt werden müssen. Der Ansatz und die Zielsetzung seien richtig gewesen, bei der Umsetzung sprach Steinbrück aber von "handwerklichen Fehlern".

Bundesfinanzminister Christian Lindner wurde von Steinbrück hingegen für seine Sparpolitik gelobt. "Ich halte den Grundsatz oder Ansatz von Herrn Lindner für völlig richtig, zumal auf Deutschland in der mittleren Perspektive ziemlich viele Haushalts- und Finanzprobleme zukommen", sagte der SPD-Politiker.

Erhöhte Ausgaben für Verteidigung und Klimaschutz, massiver Druck aus der demografischen Entwicklung auf die Sozialkassen, die Inflation und die Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zählte Steinbrück als Gründe für diese Finanzprobleme auf. Um dem entgegenzuwirken, schlug der frühere Bundesfinanzminister unter anderem eine Erhöhung der Erbschaftssteuer für hohe Vermögen vor.

So schlug sich Sandra Maischberger

Die Moderatorin stellte Rodnyansky zunächst als "Berater des russischen Präsidenten" vor, wenig später entschuldigte sie sich bei dem Ukrainer dafür. Es war der einzige Fauxpas von Maischberger, die ansonsten locker und mühelos durch die Sendung führte.

Das Fazit des Abends

Gestritten und diskutiert wurde am Mittwochabend nicht. Spannend war es vor allem, Peer Steinbrück zuzuhören, da der Politik-Pensionär ohne Rücksicht auf Partei-Interessen die aktuelle Politik analysierte. Große Hoffnung auf eine Besserung der Lage in der Ukraine konnten die Gäste bei Sandra Maischberger nicht machen, auch in der deutschen Politik dürfte die Lage angespannt bleiben.

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