Wer ist schuld am Corona-Schlamassel? Markus Söder nicht, sagt Markus Söder am Mittwochabend bei "Maischberger". Bei der Suche nach Verantwortlichen macht der CSU-Mann auch vor Virologen und einem Parteifreund nicht halt. Schlagerstar Roland Kaiser erzählt offen über die Schattenseiten seiner Lebens.

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Die Corona-Inzidenz in Deutschland steigt, die Nervosität auch: Am Donnerstag beraten Bund und Länder über Gegenmaßnahmen von 2G über eine Impfpflicht in bestimmten Branchen bis hin zu einem Teil-Lockdown.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat bereits "die Woche der Wahrheit" ausgerufen, bei "Maischberger" am Mittwochabend appelliert er an die "moralische Impfpflicht" - und beweist mal wieder seine besonderen Fähigkeiten in den Fachgebieten "Sündenböcke suchen" und "Parteifreunde an die Wand nageln". Derweil liefert Schlagerstar Roland Kaiser einen Einblick in sein bewegtes Leben.

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Das sind die Gäste bei "maischberger. die Woche"

Gleich zwei gefährliche Viren grassieren derzeit in Deutschland, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU): "Das Coronavirus und das Virus der Unvernunft." Schuld an der dramatischen Lage sind für ihn vor allem die Ungeimpften aus Überzeugung: Querdenker, Reichsbürger, Esoteriker.

"Totales politisches Versagen" ortet "Welt"-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld angesichts der Corona-Lage. "Was wir jetzt erleben, hat man wissen können und müssen."

Und zwar schon im Sommer, meint auch ARD-Hauptstadtkorrespondentin Julie Kurz. Dass die Bevölkerung einfach sorglose Ferien verleben wollte, sei verständlich: "Aber wir können erwarten, dass irgendjemand regiert und sich Gedanken macht."

Ein Gutes bringe das Corona-Chaos mit sich, ätzt Comedian Micky Beisenherz: "Wir haben uns befreit vom Image der ordnungsliebenden und obrigkeitshörigen Deutschen."

Schon geboostert ist Schlagersänger Roland Kaiser, der gerade eine große Tournee beendet hat, auf der sein Tross "wie unter einer Käseglocke" gelebt habe, inklusive täglicher Tests. Impfunwillige kann er nicht verstehen: "Meine Freiheit endet da, wo die Gemeinschaft beginnt."

Der Moment des Abends

Kaiser, 90 Millionen verkaufte Platten, hat sich noch nie gescheut, Position zu beziehen. In Dresden sprach er 2015 auf einer Anti-Pegida-Demonstration, wohlwissend, dass er damit Fans verlieren wird. "Ich kann meine politischen Überzeugungen nicht von merkantilen Interessen abhängig machen", sagt er in seinem Einzelinterview mit Sandra Maischberger, die ihn zu seinem bewegten Leben befragt, das Kaiser in seiner Autobiographie "Sonnenseite" aufgeschrieben hat. Es begann ohne Mutter, Kaiser war ein Findelkind, großgezogen von einer alleinerziehenden Putzfrau in ärmlichen Verhältnissen im Berliner Wedding. Und trotzdem war er "ein glückliches Kind", betont Kaiser: "Wenn alle auf dem gleichen Level sind, ist das nicht wichtig."

Als Schlagersänger feierte er in den 80ern und in den 2000ern große Erfolge, aber verheimlichte eine schwere Lungen-Erkrankung, weil er lieber "der strahlende Held" sein wollte: "Ich habe geglaubt, die Menschen tolerieren nicht, dass ich schwach bin. Ich habe sie unterschätzt."

Der Schlagabtausch des Abends

Das große "Polit-Duell" Roland Kaiser vs. Markus Söder, das die Fachpostille "schlager.de" ihren Lesern für den Mittwochabend angekündigt hatte, muss leider ausfallen – Markus Söder verzichtet auf den Besuch im Studio und lässt sich aus Bayern zuschalten. Von dort aus muss er mitanhören, wie Micky Beisenherz ihn zum "Verlierer der Woche" erklärt, weil "sein Anti-Laschet-Booster dafür gesorgt hat, dass nun Merz die CDU übernimmt und ihm die Stirn bieten wird. Und Stirn hat Merz viel."

Entsprechend frostig fällt Söders Auftritt aus. In der jetzigen Corona-Lage wolle er "keine Witze machen, sondern ernst arbeiten", was Markus Söder laut Markus Söder ohnehin immer macht, nicht müde wird Bayerns Ministerpräsident, die Bemühungen seiner Regierung aufzuzählen. Warum die RKI-Karte des Freistaats trotzdem immer mehr lila Flecken bekommt? Das haben, Söder-Kenner werden es ahnen, andere zu verantworten.

In loser Reihenfolge: Christian Drosten ("Er hielt noch im August einen Booster für die meisten Menschen für sinnlos."), die Stiko, die MPK minus Markus Söder, die Ampel, die AfD, Joshua Kimmich, Ungeimpfte sowie Menschen, die "sich schwertun, die Regeln zu befolgen". Und last but not least: "Der zuständige Chef der Gesamtbehörde, unser Freund Jens Spahn, hat als Erster das Ende der epidemischen Lage ausgerufen."

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So hat sich Sandra Maischberger geschlagen

Nicht fehlen dürfen in der Aufzählung natürlich auch die "Welt", die "Süddeutsche Zeitung" und all die anderen Medien, die laut Markus Söder Druck ausgeübt hätten, endlich von der Spaßbremse zu steigen. Merklich angestachelt von Söders Rundumschlag greift Sandra Maischberger zu beißendem Spott: "Sie hören also immer auf SZ und Welt, Wahnsinn ..."

Im Großen und Ganzen beschränkt sich die Gastgeberin aber auf journalistische Kernkompetenzen und die Tatsache, dass man Politiker manchmal auch mit Fakten quälen kann.

Im Stakkato zitiert Maischberger vier Virologen und das RKI, die schon im Sommer klare Maßnahmen vorgeschlagen haben, während Söders Gesicht immer länger wird, genau wie seine Antworten, stets ein verlässliches Zeichen, dass man den wortgewandten Franken auf dem falschen Fuß erwischt hat – Botschaften, die hängenbleiben sollen beim Publikum, formuliert er in prägnanten Hauptsätzen.

Das Ergebnis bei "maischberger. die Woche"

Wenn laut Markus Söder also vor allem die Ungeimpften uns den ganzen Schlamassel eingebrockt haben – wer trägt eigentlich die Verantwortung dafür, dass die Impfkampagne hinterherhinkt? Klarer Elfmeter für Micky Beisenherz: "Also Markus Söder kann's nicht sein."

"ARD"-Hauptstadtkorrespondentin Julie Kurz erinnert an die MPK Ende Juli, bei der auch die Einführung einer 2G-Regel diskutiert worden war: "Das Thema wollte aber lieber keiner anfassen." Weil, ergänzt "Welt"-Chefredakteurin Dagmar Rosenfeld, Wahlkampf war, und der Wahlkampf war corona-freie Zone.

Sich an den Ungeimpften abzuputzen, finden die Gäste im Studio auch zu einfach. Eine Art nachträgliche Impfpflicht sei Gift für das Vertrauen in den Staat, warnt Rosenfeld: "Bevor wir das machen: lieber 2G plus." Beisenherz befürchtet jedoch, dass im politischen Vakuum erstmal gar nichts passiert.

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Und dann komme "das Phantom" Olaf Scholz, der die Taktik, die ihn zum Wahlsieg getragen hat, dringend ändern müsse: "Sich durchscholzen ist plötzlich das schlechteste, was passieren kann."

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