Die Not der Ukraine ist auch mehr als zwei Jahre nach Kriegsbeginn groß, nun mischt die Europawahl die Karten in manchen Staaten noch einmal neu: Macron hat entschieden, das französische Parlament aufzulösen. Geht Deutschland dadurch ein wichtiger Verbündeter verloren? Und wie steht es um die deutsche Ukraine-Unterstützung? Zwei der Fragen bei "Maybrit Illner" am Donnerstagabend (13. Juni).

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Anfang der Woche sprach der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Bundestag. Nicht anwesend waren Abgeordnete der AfD und des Bündnis Sahra Wagenknecht. Der Vorwurf: Selenskyj setzt "auf eine offene Eskalation". Ist der Vorwurf haltbar und machen AfD und BSW jetzt gemeinsame Sache?

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Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"

Unter dem Titel "Europa hat gewählt – Kiews Schicksal ungewiss?" diskutierte Maybrit Illner mit ihrer Runde erneut über die Nachwehen der Europawahl. In Deutschland haben vor allem die Ampel-Parteien eine Klatsche erlitten, die AfD geht besonders gestärkt aus der Wahl hervor. Was bedeutet das für die Unterstützung der Ukraine? Die Frage ließ sich nicht ohne einen Blick ins Nachbarland Frankreich beantworten – denn dort hat Präsident Macron das Parlament aufgelöst.

Das sind die Gäste

  • Lars Klingbeil (SPD): "Ich hielte es für falsch, wenn wir die Debatte über Frieden Sahra Wagenknecht und der AfD überlassen. Die wollen ein Einknicken vor Putin und das ist nicht der Friedensbegriff, mit dem wir als SPD unterwegs sind", so der Parteivorsitzende. Das schlechte Wahlergebnis bei der Europawahl habe nichts mit der Unterstützung der Ukraine zu tun. In Zukunft werde man die SPD wieder stärker bei Themen wie Rente und Wohnungsnot kämpfen sehen.
  • Nicole Deitelhoff: "Viele Menschen haben der SPD nicht abgenommen, dass sie für den Frieden steht, sondern haben sie eher als Partei gesehen, die für den Krieg steht. Man muss besser erklären, dass die militärische Unterstützung ein Weg zum Frieden ist", so die Friedensforscherin. Die Politik habe bislang nicht geschafft, das zu transportieren.
  • Amira Mohamed-Ali (BSW): Die Vorsitzende vom BSW erklärte, warum ihre Partei der Rede des ukrainischen Präsidenten nicht beigewohnt hatte: "Wir sind mit dem Kurs, den Selenskyj verfolgt, nicht einverstanden." Das BSW habe sich an Standing Ovations und Applaus für die Forderung nach weiteren Waffenlieferungen nicht beteiligen wollen. "Jetzt kann man darüber debattieren, was höflicher ist: Dasitzen und nicht klatschen, oder gar nicht erst hingehen", so Mohamed-Ali.
  • Norbert Röttgen (CDU): Der Außenpolitiker meinte: "Die Westeuropäer haben es zu verantworten, dass die Ukraine in der jetzigen Situation ist. Wir haben vor einem Jahr die Munition nicht in Auftrag gegeben." Frankreichs Präsident Macron habe bereits einen Kurswechsel im Kopf vollzogen, alle müssten nun mit Taten folgen.
  • Wolfgang Ischinger: "Macron geht mit der Entscheidung, das Parlament aufzulösen, ein erhebliches Risiko ein", war sich der ehemalige Vorsitzende der Münchener Sicherheitskonferenz sicher. Zu Führungsverantwortung gehöre aber ein gewisses Maß an Risikobereitschaft dazu. Wenn Macron nach der Wahl nichts getan hätte, wäre seine Glaubwürdigkeit massiv beschädigt gewesen.
  • Thomas Walde: "Die Möglichkeit, dass Macron den Vorsitzenden des Rassemblement National zum Premierminister machen muss, die besteht durchaus", so der ZDF-Korrespondent. Wenn dem so wäre, würden zwei diametral unterschiedliche Positionen in vielen Bereichen gegenüberstehen – auch in der Ukraine-Politik.
Illner
(v.l.n.r.) Nicole Deitelhoff, Norbert Röttgen, Maybrit Illner, Lars Klingbeil, Amira Mohamed Ali und Wolfgang Ischinger diskutieren über die Folgen der Europawahl. © ZDF/Svea Pietschmann

Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"

Ischinger plauderte aus dem Nähkästchen: "Ich war vor ein paar Wochen bei einem Staatschef eines mit Russland benachbarten Landes außerhalb der Europäischen Union. Dieser Staatschef kennt Putin sehr gut. Ich habe ihn gefragt: Was muss passieren, damit Putin ernsthaft über die Zukunft der Ukraine verhandelt?", berichtete er. Die Antwort sei wie aus der Pistole geschossen gekommen: "Putin wird ernsthaft verhandeln, aber erst in dem Augenblick, in dem seine Generäle zu ihm kommen und sagen: 'Wir beginnen zu verlieren'", so Ischinger. Es müsse der Punkt erreicht werden, wo Putin erkenne, dass der Einsatz weiterer militärischer Mittel für Russland nichts mehr bringe. Davon sei man im Augenblick jedoch weit entfernt.

Das ist das Rede-Duell des Abends

CDU-Mann Röttgen sprach über die Europawahl: "Dass die AfD 16 Prozent bekommt, dass das BSW sechs Prozent bekommt, das ist für mich ein Krisenanzeichen. Mohamed-Ali intervenierte direkt energisch: "Das ist ein Framing, mit dem ich wirklich nicht einverstanden bin." Aus dem Off warf Klingbeil aus der Talkrunde ein, "Sie gehen zusammen raus", und spielte damit auf die Rede von Selenskyj im Bundestag an, die auch die AfD boykottiert hatte.

Mohamed-Ali beschwerte sich: "Sie stellen es so dar, als hätten wir uns mit der AfD abgesprochen und wären gemeinsam rausgerannt. Mich regt das auf, wenn Sie uns permanent mit Rechtsextremisten in einen Topf werfen. Ich habe die Nase voll davon." Röttgen schaltete sich wieder ein: "Wenn Sie die gleichen Demonstrationen machen, weil Sie es nicht ertragen können, dem Präsidenten des Landes, das angegriffen wird, nur zuzuhören, dann zeigen sie, dass BSW und AfD die beiden Pro-Putin-Parteien sind."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Illner machte eine gute Figur. Sie war beispielsweise aufmerksam, als Klingbeil von ihrer eigentlichen Frage über die Zukunft der SPD ablenkte und hakte energisch nach: "Darum geht es doch nicht. Was wird anders?" Auch gegenüber Mohamed-Ali schlug sie einen bestimmten Ton an, als sie wissen wollte: "Warum wollten Sie die Rede nicht sehen?", "Was hätten Sie gemacht, wenn Putin gesprochen hätte?" und "Warum spielen Sie so mit der Angst?"

Das ist das Ergebnis bei "Maybrit Illner"

"Auf uns kommt noch eine Verantwortung zu", kündigte Klingbeil an und meinte damit nicht nur das Worst-Case-Szenario aus deutscher Sicht: Trump wieder in den USA an der Macht und Macron bis 2027 gelähmt. Einer der wichtigsten Verbündeten könnte durch die innenpolitische Situation handlungsunfähig werden. Ein weiteres Ergebnis hielt Röttgen fest, als er auf einen Fehlschluss bei der Forderung, die Waffenlieferungen zu beenden, hinwies: "Wir liefern der Ukraine nicht genug Waffen, sagen dann, sie ist nicht erfolgreich und sollen dann gar nichts mehr liefern."

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