Weltweit stecken Demokratien derzeit in der Krise – mit Frankreich und den USA wackeln aber zwei Zugpferde. Wie dramatisch ist die Lage bei unseren Verbündeten und welche Rezepte kann Deutschland daraus ableiten? Bei "Maybrit Illner" warnte Außenpolitiker Röttgen am Donnerstag vor einem Holzweg und Korrespondent Frederik Pleitgen kürte eine vorbildliche "Lichtgestalt".

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Unter den Demokraten ist Panik ausgebrochen: Joe Biden hat beim TV-Duell gegen Donald Trump eine desaströse Figur abgegeben. Er kam immer wieder ins Stocken, machte lange Pausen, versprach sich. Kann er so noch gegen Trump gewinnen? Das Schicksal, einst angetreten zu sein, um Populisten zu verhindern – und ihnen jetzt womöglich zur Macht zu verhelfen, teilt auch Emmanuel Macron mit ihm. Wie weit ist Deutschland von einer solchen Situation entfernt?

Das ist das Thema bei "Maybrit Illner"

Maybrit Illner betitelte ihre Sendung mit der Frage: "Biden wackelt, Macron zockt – leichtes Spiel für Nationalisten?" Dabei rückte sie den schwachen TV-Auftritt von Joe Biden wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl in den Fokus, ebenso die Klatsche für Macron bei den ausgerufenen Neuwahlen. Welche Ableitungen lassen sich für Deutschland treffen?

Das sind die Gäste

  • Michael Roth (SPD): "Es ist schwierig, so kurz vor der Wahl die Pferde nochmal umzusatteln", sagte der Außenpolitiker über die Lage in den USA. Es sei eine "furchtbare Ausgangssituation" für Biden, die USA und die transatlantischen Partner in Europa. Biden stehe sich vermutlich selbst im Weg, denn ein Rückzieher müsse von ihm kommen. "Das ist für uns alle bitter", sagte Roth.
  • Norbert Röttgen: "Wenn sie nicht wechseln in dieser Situation, dann ist das glaube ich der sichere Weg zur Wiederwahl von Donald Trump", sagte der CDU-Mann über den schwachen Auftritt von Biden im TV-Duell. Der Eindruck sei nicht mehr einzufangen. Die Mehrheit der Amerikaner wolle weder Biden noch Trump.
  • Daniela Schwarzer: "Die Schwäche, die wir gesehen haben, heißt möglicherweise auch etwas für die Amtsführung von Joe Biden – wie stark er durchhält, wie entschieden er ist, wie viel er selber macht, wie viel seine Berater für ihn tun müssen", erinnerte die Politikwissenschaftlerin. Das, ebenso wie eine mögliche Amtszeit von Trump, sei gefundenes Fressen für alle, die die Demokratie in den USA schwächen wollten.
  • Constanze Stelzenmüller: Die Sicherheitsexpertin aus Washington meinte: "Die Demokraten haben gehofft, dass die Gerichte ihnen den Gegner von Joe Biden wegnehmen. Das ist jetzt offensichtlich nicht der Fall." Das Immunitätsurteil des Supreme Courts aus der vergangenen Woche räume dem früheren Präsidenten sehr weitgehenden Schutz ein. "Nach allgemeinem Urteil ist die Position von Trump dadurch eher gestärkt", so Stelzenmüller.
  • Frederik Pleitgen: "Ich glaube nicht, dass Europa oder Deutschland der Gefahr ausgesetzt sind, komplett nach rechts abzudriften. Ich glaube, dass viele Leute sich von der Politik einfach nicht verstanden fühlen. Für mich ist die große Lichtgestalt, die einen Gegentrend geschafft hat, Donald Tusk in Polen", so der CNN-Korrespondent. Er mache als überzeugter Europäer eine Politik für die breite Mitte und habe die PiS-Partei in ihre Schranken gewiesen.

Das ist der Moment des Abends bei "Maybrit Illner"

"Muss auch die CDU über neue Koalitionen nachdenken? Beispielsweise an das Bündnis Sahra Wagenknecht, weil zur Rettung des Landes muss man in den sauren Apfel beißen?", fragte Illner an Röttgen gewandt. Der reagierte prompt: "Das ist bestimmt nicht die Rettung des Landes. Es wäre ein gewaltiger Fehler." Es wäre eine taktische Reaktion, die möglicherweise unausweichlich sei. Aber zu glauben, eine solche Koalition sei eine inhaltliche oder strategische Antwort auf die in der Bevölkerung wahrgenommene umstürzende Veränderung und Unsicherheit, sei vollkommen falsch.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Diskutiert wurde intensiv. "Wir haben viel Zeit und Kraft damit verbracht, unseren Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, dass 'Frieden schaffen ohne Waffen' in einer Zeit, in der Diktatoren wieder zum Mittel der Gewalt greifen, nicht funktioniert. Wir müssen Frieden schaffen mit Waffen, mit Wehrhaftigkeit, mit Abschreckung. Das ist für die deutsche Gesellschaft eine Zumutung", sagte Michael Roth.

Röttgen äußerte sich wenig später: "Die Halbherzigkeit, die überall gilt, ob das beim Klima, bei der digitalen Transformation, der Steuerung von Migration oder bei der Unterstützung der Ukraine ist, ist ein Rezept zur Niederlage. Damit löst man kein Problem." Daraus könne es nur eine Ableitung für die Politik geben: "Wir müssen jetzt nicht irgendwem erklären, was an Zumutungen da ist. Wir haben die Aufgabe, Frieden wiederherzustellen und Sicherheit zu wahren."

So hat sich Maybrit Illner geschlagen

Auf der Haben-Seite punktete Illner am Donnerstag mit klaren und deutlichen Fragen: "Kann man die USA halbtags regieren?" oder "Rechnen Sie mit einem Kandidatenwechsel in den USA?". Auf der Soll-Seite fehlten aber zwei entscheidende Dinge: Zum Einen ging die Anknüpfung an Deutschland teilweise etwas verloren. Der Sprung von Frankreichs politischer Situation nach Deutschland schien für Zuschauerinnen und Zuschauer ohne Vorwissen etwas groß. Außerdem hätte die Moderatorin die Debatte doch etwas mehr anheizen dürfen – zumindest stand der Abend eher unter dem Stern der gegenseitigen Zustimmung.

Das ist das Ergebnis bei "Maybrit Illner"

Die Sendungsüberschrift "Biden wackelt, Macron zockt – leichtes Spiel für Nationalisten?" beantwortete die Runde in etwa so: Ja, die Entwicklungen sind gefundenes Fressen für Nationalisten, aber die Politik ist nicht machtlos. Die Gäste stellten fest, dass es nicht mehr hilft, immer nur zu warnen, die AfD sei der Untergang von allem. Sie müsse inhaltlich gestellt werden.

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