• Louis Klamroth sprach in seiner zweiten Sendung mit der Runde über Deutschland als Einwanderungsland.
  • Die Sendung lief ruhig an, aber als es dann um Einwanderung in die Sozialsysteme und den Doppel-Pass ging, wurde die Debatte hitzig.
  • Bayerns Innenminister war angesichts des anstehenden Wahlkampfs in seinem Bundesland in besonders gereizter Stimmung.
  • Kein Wunder, dass ihm und Heil das Rede-Duell des Abends gehörte.
Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Marie Illner dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen hat massive Probleme, alle offenen Stellen zu besetzen. Das geht aus einer aktuellen Umfrage unter fast 22.000 Betrieben, die der Deutsche Industrie- und Handelskammertag durchgeführt hat, hervor. Dass ein Schlüssel die Zuwanderung von ausländischen Fachkräften ist, gilt als ausgemacht. Aber was macht das mit der Gesellschaft?

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Das ist das Thema bei "Hart aber Fair"

In Deutschland herrscht Fachkräftemangel, das spürt man nicht nur beim Paketdienst und im Krankenhaus. Ausländische Fachkräfte sollen es richten, 400.000 Migranten mehr jedes Jahr wären nach aktuellen Berechnungen nötig. Warum sagen trotzdem so viele, Deutschland sei kein Einwanderungsland? Und verpasst Deutschland seine Zukunft, wenn es zu bürokratisch und nicht attraktiv genug für Fachkräfte ist?

Darüber diskutierte Louis Klamroth mit seinen Gästen. Es ging aber auch um ein Punktesystem für die Einwanderung, die doppelte Staatsbürgerschaft und Einwanderung in die Sozialsysteme.

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Das sind die Gäste

  • Hubertus Heil (SPD): Der Arbeitsminister sagte: "Wir sind uns glaube ich alle einig, dass Fachkräftesicherung am Ende für Deutschland Wohlstandssicherung ist." Die aktuellen Mangelerscheinungen seien auch Ergebnis einer guten Entwicklung – es herrsche ein Rekordwert bei den Beschäftigungen. "Die Baby-Boomer werden ab 2025 Stück für Stück in Rente gehen", erinnerte Heil. Man dürfe bei der Debatte nicht vergessen, auch alle inländischen Register zu ziehen. Als Beispiele nannte er Schulabbrecher, Langzeitarbeitslose und die Frauenerwerbsbeteiligung.
  • Lamya Kaddor (Grüne): Die Bundestagsabgeordnete und Islamwissenschaftlerin sagte: "Jeder vierte Mensch in unserem Land hat eine Zuwanderungsbiographie. Wir sind längst eine Einwanderungsgesellschaft." Die Zuwanderung müsse uns "gar nicht so viel Angst machen." Wenn ein IT-Spezialist überlege, nach Kanada, in die USA, nach Großbritannien, nach Schweden oder Deutschland auszuwandern, stehe Deutschland sicher nicht an erster Stelle. Man müsse fragen, wie man das attraktiver gestalten könne.
  • Astrid Sartorius: Die Leiterin der Abteilung "Auslandsakquise Pflege" der Asklepios Kliniken berichtete aus ihrem Alltag: "Ohne deutlich mehr Fachkräfte aus dem Ausland steht das Gesundheitssystem vor dem Kollaps", sagte sie und kritisierte: "In Deutschland sind die Hürden für die Ausbildung so hoch angesetzt, dass man das unbedingt verschlanken müsste". Im letzten Jahr habe ihr Konzern knapp 1.000 ausländische Pflegekräfte geholt und über 39 Nationen in die Firma integriert.
  • Joachim Herrmann (CSU): "Der deutsche Pass darf nicht ohne nachweisbare Integration verschenkt werden", meinte der bayerische Staatsminister des Innern, für Sport und Integration. "Wir brauchen die qualifizierte Zuwanderung, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass diejenigen, die illegal da sind und nicht arbeiten, auch unser Land wieder verlassen", forderte Herrmann. Zu den Plänen der Ampel, doppelte Staatsbürgerschaft zur Regel zu machen, sagte er: "Das wird erhebliche Konflikte schüren".
  • Gabor Steingart: Der Journalist vermisste ökonomische Prinzipien bei der Zuwanderung und stellte die Frage: "Wen wollen und wen brauchen wir? " Man müsse einen "Highway" bauen, um Menschen aus der "Warteposition, wo man den Wohlstandsstaat konsumiert" dazu zu bringen, eine Investition zu sein. Die durch Lambrechts Rücktritt vakant gewordene Stelle im Verteidigungsministerium kommentierte er mit: "Hier wird ein Manager gesucht. Ein bisschen Fachkompetenz könnte nicht schaden"

Das ist der Moment des Abends bei "Hart aber Fair"

Kaddor hatte gerade an der Attraktivität Deutschlands für beispielsweise IT-Spezialisten gezweifet, da sagte Steingart: "Migration und Integration gehören zusammen und auch mit Bildung." Man könne nicht die Menschen holen und dann erlebten sie desolate Schulen, Lehrermangel und einen massiv angespannten Wohnungsmarkt.

"Sie schüren im untersten Segment im Wohnungsmarkt eine Konkurrenz", sagte er in Richtung Heil. Man könne sich kaum vorstellen, was dann los wäre. "Die Migranten kann man so gar nicht alleine auf dieses Land loslassen", setzte er nach. Man müsste erst Brücken bauen, um das hinzubekommen.

Das ist das Rede-Duell des Abends

Herrmann nahm langen Anlauf für seinen Angriff: "Ich habe überhaupt nichts gegen so ein Punktesystem", leitete CSU-Politiker Herrmann ein. Kanada, welches bereits mit einem solchen System arbeite, habe aber in den letzten Jahren erkannt, dass die Punkte noch keine Garantie seien, dass jemand auch einen Arbeitgeber habe.

Dann lobte er seine Heimat: Bayern habe in den letzten 20 Jahren eine Netto-Zuwanderung von 1,3 Millionen Menschen gehabt. In anderen Bundesländern sei die Arbeitslosenquoten viel höher als in Bayern. "Das immer nur auf Bürokratie zu schieben, was haben denn dann die anderen gemacht?", kommentierte er. Schließlich sagte er: "Was ich nicht akzeptieren kann, Herr Heil, ist, dass Sie denen zuerst den Anspruch auf Sozialhilfe geben, bevor die einen Arbeitsplatz gefunden haben." Das sei die falsche Reihenfolge.

Heil deeskalierte: "Erst einmal ein bisschen den Ton runter, denn dieses Thema verdient keine Parolen." Man brauche eine Anwerbestrategie gemeinsam mit der Wirtschaft und die Fachkräfteeinwanderung müsse entbürokratisiert werden, argumentierte er.

So hat sich Louis Klamroth geschlagen

Klamroth fühlte sich in seiner zweiten Sendung von "Hart aber Fair" spürbar sicherer. Das merkte man zum Beispiel bei Fragen wie "Wie nervig ist die deutsche Bürokratie auf einer Skala von 1 bis 10?" oder "Wenige Tage vor der Geber-Konferenz und Deutschland steht ohne Verteidigungsminister da, ist das nicht ein bisschen peinlich?" Durch die Zankhähne Herrmann und Heil lief die Debatte über große Strecken von alleine, gegen Ende gelang es Klamroth aber kaum mehr, dazwischen zu kommen.

Leider ging Steingart in der Diskussion etwas unter und hatte nur selten die Chance für Redebeiträge. Hier hätte Klamroth für etwas mehr Gleichgewicht sorgen können. Nichtsdestotrotz: An wichtigen Stellen bat er an "Ich sortiere das mal" und holte die Debatte wieder auf eine sachliche Ebene. Weiter so.

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Das ist das Ergebnis bei "Hart aber Fair"

Eine Sendung wie eine gemischte Tüte – von allem etwas. Allgemeingeplänkel à la "Wir stehen in Konkurrenz um kluge Köpfe" (Heil), Parolen wie "Wir dürfen den deutschen Pass nicht verramschen" (Herrmann) und sachlichen Forderungen "Wir müssen die Bürokratie verschlanken" (Sartorius).

Zwischen all dem: Die Erkenntnis, wie wichtig es ist, in der Debatte zu differenzieren zwischen Asylrecht und Einwanderungsrecht, zwischen den Interessen Deutschlands und der Motivation der Migranten, zwischen Integration und anbieten und Integration erwarten.

Verwendete Quellen:

  • ARD: "Hart aber Fair" vom 16.01.2023
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