Anne Will debattierte am Sonntagabend (29.) über die deutschen Panzerlieferungen und die Rolle von Olaf Scholz dabei. Während ein Teil des Studios dem Kanzler einen massiven Vertrauensverlust attestierte, schlug Publizistin Marina Weisband mit einer erschreckenden Vermutung auf. Will Deutschland gar nicht, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet wird?
Der Entscheidung gingen Wochen an Debatten voraus: Nun hat die deutsche Bundesregierung zugesagt, Leopard-2-Panzer in die Ukraine zu liefern. Gleichzeitig erteilte sie anderen Ländern die Export-Erlaubnis. Kurz nach der Ankündigung der Bundesregierung machten auch die USA ihre Pläne konkret und kündigten die Lieferung von Abrams-Panzern an.
Das ist das Thema bei "Anne Will"
Kanzler
Das sind die Gäste
Kevin Kühnert (SPD): "Wir treffen solche Entscheidungen nicht allein auf Grundlage von Umfragen", sagte Kühnert zu Panzerlieferungen. Die Leute beschäftige nicht nur die Frage, wie viele Leopard-Panzer geliefert würden, sondern auch, "ob das alles gut gehen wird, wenn wir das überhaupt machen". Jetzt, wo schon wieder die nächsten Waffen genannt würden, stelle sich vielen die Frage: "Wo hört das eigentlich auf?" Deutschland sei selbst schlecht ausgestattet und man müsse sich auch fragen: "Womit sollen wir im Fall der Fälle unseren Job noch machen können?"Janine Wissler (Die Linke): "Deutschland und die Nato dürfen nicht Kriegspartei werden", warnte die Linken-Politikerin. Man müsse sich die Frage stellen, wie man den Krieg schnell beenden könne. Man müsse raus aus einem "militärischen Tunnel-Blick". Am Ende müsse eine Verhandlungslösung stehen. Es brauche diplomatische Initiativen zum Beispiel unter Einbeziehung von China und Indien.- Carlo Masala: Der Politikwissenschaftler sagte in Bezug auf das deutsche Vorgehen bei den Panzerlieferungen: "Es ist sicher kein Schaden mit Blick auf die USA entstanden." Es bleibe aber abzuwarten, ob ein Schaden mit Blick auf die mittel- und osteuropäischen Länder entstanden sei. Die Strategie von Scholz sei wohl, die USA miteinzubeziehen, damit sie im Falle einer Eskalation mit Russland als Sicherheitsgarant Europas auftrete. "Wir werden nie in der Lage sein, so viel Material in die Ukraine zu liefern, dass man numerisch den Russen überlegen ist", erinnert er.
- Georg Mascolo: "Deutschland wollte Panzer liefern, aber Deutschland wollte nicht alleine Panzer liefern", sagte der Journalist der "Süddeutschen Zeitung". Es sei auf beiden Seiten viel Zeit vergeudet worden. "Die Entscheidungen hätten früher kommen müssen", kritisierte er. Olaf Scholz nahm er in Schutz: Der Kanzler habe in dieser Sache nicht schlecht ausgesehen.
- Marina Weisband: "In dem Moment, wo wir ständig sagen 'Wir können Olaf Scholz nicht in den Kopf schauen' haben wir in einem demokratischen Land ein Problem", meinte die deutsch-ukrainische Publizistin. Es müsse klar sein, was das Ziel Deutschlands in Bezug auf die Ukraine sei. "Dass diese Absichten nicht kommuniziert werden, halte ich für ein gigantisches Problem", so Weisband. Es würden immer wieder neue rote Linien gezogen, die man später überschreite. "Die Ukraine wird an einem Tropf gehalten. Sie bekommt zu viel zum Sterben, aber zu wenig zum Leben", meinte sie.
Das ist der Moment des Abends bei "Anne Will"
Am Ende des Winters sei
Das ist das Rede-Duell des Abends
Weisband hatte recht zu Beginn der Sendung kritisiert, dass der Bundeskanzler nicht offen genug kommuniziere. Sie hatte rote Linien beschrieben, etwa die Lieferung von Kampfpanzern, die dann doch wieder überschritten würden.
Kühnert ärgerte sich: "Der Bundeskanzler hat diese roten Linien nie gezogen." Er habe seine Worte nie wieder einsammeln müssen. Er habe sich bewusst nicht in Debatten über einzelne Waffengattungen verwickeln lassen, sondern Prinzipien seiner Politik in den Vordergrund gestellt. "Ich verstehe das Bedürfnis, Entscheidungsprozesse nachvollziehen zu wollen", beteuerte Kühnert. Olaf Scholz könne aber nicht nach jeder Konferenz Wasserstandsmeldungen in der Tagesschau geben.
Weisband reagierte: "Ich möchte gar nicht, dass Olaf Scholz Wasserstandsmeldungen gibt und jede Konferenz verlautbaren lässt. Was ich möchte, ist, dass er seine Strategie sagt, seine Zielsetzung." Bei Estland und Polen sei anhand der Pro-Kopf-Lieferungen an Panzern klar erkennbar, dass sie wollen, dass der Krieg so schnell wie möglich endet. "Ich kann nicht sagen, dass das Ziel der USA und das Ziel von Deutschland ist", sagte Weisband. Sie vermute, dass die Strategie eher sei, dass der Krieg möglichst lang andauere. "Vielleicht um Russland zu schwächen, ich weiß es nicht."
So hat sich Anne Will geschlagen
Unaufgeregt, aber auch unspektakulär, so ließ sich Anne Wills Moderation am Sonntagabend (29.) wohl am besten beschreiben. Besonders viel Input musste sie nicht geben, das Gespräch kam auf einer sachlichen Ebene ziemlich gut von allein ins Rollen. Zu Beginn klopfte sie den Vertrauens-Status mit Blick auf den Kanzler bei ihren Studiogästen ab und konfrontierte dann SPD-Mann Kühnert mit den ernüchternden Ergebnissen. Recht ausführlich ließ Will auch die Frage diskutieren, ob die Panzerlieferungen den Krieg verlängern oder verkürzen werden. Sie verpasste es, die Debatte in Richtung "Was kommt nach den Panzern?" fortzuschreiben.
Das ist das Ergebnis bei "Anne Will"
Ein schlechtes Zeugnis in Sachen Kommunikation für den Kanzler und die wichtige Lektion, rote Linien in einem Krieg allgemein besser gar nicht erst aufzumalen, konnte man aus der Sendung am Sonntag (29.) mitnehmen. Der Standpunkt der Linkspartei erschien wieder einmal realitätsfern. Wissler forderte, dass der Krieg so schnell wie möglich beendet werden müsse – wie genau "Druck ausüben" bei Putin aber funktionieren soll und welchen Inhalt "diplomatische Initiativen" haben könnten, ließ sie völlig offen.
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