Die Ukraine blickt auf einen harten Kriegswinter, während sich Wladimir Putin siegessicher gibt. Bei "Markus Lanz" machte sich Linkenpolitiker Dietmar Bartsch für einen Waffenlieferungsstopp stark und zog gegen Joschka Fischer vom Leder, der jüngst neue Atomwaffen in Europa gefordert hatte.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Natascha Wittmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Ex-Außenminister Joschka Fischer forderte vor wenigen Tagen: "Die EU braucht eine eigene atomare Abschreckung". Linkenpolitiker Dietmar Bartsch sieht dies offenbar anders. Er machte sich stattdessen bei "Markus Lanz" für Friedensverhandlungen in der Ukraine stark. Zudem äußerte sich der Politiker selbstkritisch zum Zerfall der Linkspartei.

Mehr aktuelle News

Das ist das Thema bei "Markus Lanz"

Mit dem Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Mitgliedern verliert die Linkspartei ihren Fraktionsstatus. Die verbliebenen 28 Linken-Abgeordneten, darunter der bisherige Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, wollen nun als Gruppe anerkannt werden. Markus Lanz blickte am Donnerstagabend nicht nur auf den Zustand der Linken, er debattierte auch über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.

Das sind die Gäste

  • Dietmar Bartsch, Politiker (Die Linke): "Die Auflösung der Bundestagsfraktion ist eine Niederlage für die Linke."
  • Anna Lehmann, Journalistin: "Dietmar Bartsch ist nicht der Mann von morgen, Dietmar Bartsch ist der Mann von gestern."
  • Elmar Theveßen, Leiter des ZDF-Studios Washington: "Die Menschen haben in Gegenden, in denen die Industrie wirklich jahrzehntelang am Boden lag, plötzlich wieder Jobs."
  • Rüdiger Bachmann, Ökonom: "Die Biden-Administration fördert Projekte in Staaten sehr stark, die eigentlich republikanisch regiert werden."

Das ist der Moment des Abends bei "Markus Lanz"

Den aktuellen Zustand der Linkspartei konnte auch Politiker Dietmar Bartsch im Gespräch mit Markus Lanz nicht schönreden. Er gab zu, dass es "nicht so schön" sei, jetzt als Einzelabgeordneter im Bundestag zu sitzen: "Im Moment sind wir alle fraktionslos. Das ist ein Übergangsstadium. Ich hoffe, dass es möglichst schnell zu Ende ist." Bartsch räumte ein, dass die Situation "bitter" sei, denn: "Ich habe lange darum gekämpft, dass die Fraktion erhalten bleibt." Die Auflösung sei "eine Niederlage für die Linke".

Als Markus Lanz wissen wollte, was die Zukunftspläne von Bartsch seien, stellte er klar, dass es "angesichts der Politik der Ampel" sein oberstes Ziel und "dringend notwendig" sei, wieder eine Fraktion zu werden. "Die SPD von Olaf Scholz ist das Linkeste, was im Bundestag ist. Und das ist, glaube ich, ein Problem." Lanz hakte überrascht nach: "Sie meinen es jetzt wirklich nur parteipolitisch, ja?" Bartsch antwortete prompt: "Ich meine es parteipolitisch. 'Das Linkeste' habe ich jetzt gar nicht so gemeint, wie Sie es verstanden haben."

Als Markus Lanz daraufhin fragte, wie er es schaffen wolle, die Linkspartei wieder zu alter Form und Stärke zu bringen, sagte Bartsch energisch: "Insgesamt müssen wir wieder dahin zurück, wo wir herkommen. Nämlich dass wir in besonderer Weise die Interessen der Ostdeutschen wahrnehmen." Daraufhin klinkte sich Journalistin Anna Lehmann in die Diskussion mit ein und stellte in Bezug auf die Auflösung der Fraktion klar, dass Dietmar Bartsch "auch einen gewissen Anteil" daran habe, "dass es dazu gekommen ist".

Sie ergänzte streng: "Die Leute, die jetzt aus der Linken ausgetreten sind und die sich von der Fraktion dann auch abgespalten haben, das waren ja auch Leute, mit denen Sie jahrelang Bündnisse geschmiedet haben, die Sie gefördert haben oder in einflussreiche Positionen bugsiert haben." Statt sich dagegen zu wehren, gab Bartsch kleinlaut zu: "Ich finde, dass es viele Verwantwortliche gibt für die jetzige Situation. Ich zähle zweifellos dazu." Jetzt müsse geschaut werden, "ob wir diesen Platz wieder ausfüllen können. Das ist die entscheidende Frage, um die es geht."

Das ist das Rede-Duell des Abends

Mit Blick auf die Ukraine forderte Linken-Urgestein Gregor Gysi erst kürzlich einen Waffenstillstand. Eine ähnliche Sichtweise gebe es laut ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen auch in weiten Teilen der USA: "Es gibt tatsächlich eine Mehrheit in der Bevölkerung, die nicht für eine kontinuierliche Weiterverlängerung der Ukraine-Hilfe ist." Ein Standpunkt, der Anna Lehmann fassungslos machte: "Dann kann man auch gleich sagen: 'Nimm dir, was du brauchst, Putin! Wir bauen hier schon mal ab'."

Lanz richtete den Blick auf Dietmar Bartsch und fragte: "Wie stehen Sie da?" Zunächst sagte der Politiker vorsichtig: "Niemand hat das Recht, (...) der Ukraine irgendwelche Vorschriften zu machen." Daraufhin wurde er jedoch deutlicher und sagte: "Zu glauben, dass mit mehr Waffenlieferungen und schnelleren und härteren Waffen (...) dieser Krieg zu gewinnen wäre, das ist ein Irrglaube."

Bartsch führte fort, dass die Ukraine militärisch nicht gegen Russland gewinnen könne. Gerade deshalb frage er sich: "Warum gibt es aus Europa keinen Vorschlag für eine Friedensinitiative?" Lanz stichelte prompt: "Sie können doch jetzt einen machen!" Auch Ökonom Rüdiger Bachmann kritisierte die Argumentation von Bartsch und sagte, die Friedensangebote seien "doch alle abgelehnt worden von Putin".

Bartsch konterte darauf wütend: "Das ist so nicht korrekt, muss ich schlicht feststellen. Es gab ja mehrfach Verhandlungen. Und es gab auch mehrfach das Signal, dass man vielleicht zu einem Frieden kommen muss." Dem widersprach Elmar Theveßen und erinnerte daran, dass "alle öffentlichen Äußerungen von Putin" sehr klar zeigen würden, dass er "von seinen Maximalforderungen" keinen Schritt abweiche.

"Ich weiß nicht, also Joschka Fischer muss auch jetzt in ein falsches Alter gekommen sein."

Dietmar Bartsch, Die Linke

Dietmar Bartsch wollte dies jedoch nicht akzeptieren und forderte weiter das Ausschöpfen aller vorhandenen Möglichkeiten, da man auf militärischem Wege den Krieg "nicht beenden" könne. "Meine feste Überzeugung ist, dass es am Ende des Tages (...) eine diplomatische Lösung geben muss", beharrte der Politiker. Lanz fragte deshalb erneut: "Was ist Ihre Idee? Was bieten wir Putin an?" Darauf konnte der Linkspolitiker jedoch keine Antwort geben, es sei so, dass "niemand die Lösung hat". Er wiederholte, dass der militärische Weg "eine Sackgasse" sei und keine "dauerhafte Sicherheit für die Ukraine" garantiere.

Lanz lenkte daraufhin den Fokus auf Ex-Außenminister Joschka Fischer, der offen über neue Atomwaffen in Europa nachdenkt. Die Reaktion von Bartsch? Eindeutig! "Null Sympathie! Ich weiß nicht, also Joschka Fischer muss auch jetzt in ein falsches Alter gekommen sein." Lanz reagierte darauf amüsiert: "Das ist altersrassistisch, was Sie jetzt sagen!" Bartsch blieb jedoch bei seiner Meinung und ergänzte streng: "Ich finde das nicht in Ordnung! Eigentlich muss das Ziel sein, dass Atomwaffen generell weg sind."

So hat sich Markus Lanz geschlagen

Zwischen dem deutschen Haushaltschaos, der US-Wirtschaft, dem Ukraine-Krieg und dem Zerfall der Linkspartei fiel es Markus Lanz schwer, einen roten Faden beizubehalten. Eine tiefgründige Debatte konnte nur schwer aufkommen, da zu viele Themen abgearbeitet werden sollten, während Aspekte wie China oder die Parteipläne von Sahra Wagenknecht weitestgehend ignoriert wurden.

Das ist das Fazit bei "Markus Lanz"

Zum Jahresende wurde bei "Markus Lanz" deutlich, in welch prekärer Lage sich die Welt in Bezug auf ein mögliches Ende militärischer Hilfen an die Ukraine befindet. "Was wäre, wenn die USA ausfallen als Schutzmacht für Europa?", fragte Elmar Theveßen mit Blick auf die US-Wahl 2024.

Ein Gedanke, der Ökonom Rüdiger Bachmann erschaudern ließ. Über einen möglichen Sieg Donald Trumps sagte er: "Dann sind alle Wetten, (...) was Amerika, seine Demokratie, seinen liberalen Rechtsstaat angeht, (...) offen. Das will man sich nicht wirklich vorstellen." Dazu ergänzte Lanz nachdenklich: "Und wir haben ja schon einmal in den Abgrund geschaut - am 6. Januar", dem Tag des Sturms auf das Kapitol in Washington.  © 1&1 Mail & Media/teleschau

JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.