Ein letzter Auftritt auf der bundespolitischen Bühne: Das war's wohl für Sahra Wagenknecht und ihr BSW im Bundestag. Ob die Partei ohne Mandate relevant bleibt, ist fraglich.
9.529 Stimmen. So viel – oder so wenig – hat dem Bündnis Sahra Wagenknecht zum Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde, und damit zum Einzug in den Bundestag, gefehlt. Das ist seit der Verkündung des amtlichen Endergebnisses durch die Bundeswahlleiterin am vergangenen Freitag klar. So knapp hat noch keine Partei den Einzug in den Bundestag verpasst.
Akzeptieren will die Truppe von
So war eine Handvoll von ihnen vergangenes Jahr doch voller Elan und Vorfreude auf die neue Partei zusammen mit Wagenknecht von der Linken rübergewechselt – samt Bundestagsmandat. Die letzten Monate beflügelte sie dann der überraschende Erfolg aus der Europawahl (6,2 Prozent aus dem Stand) und den Landtagswahlen (13,48 Prozent in Brandenburg, 11,8 Prozent in Sachsen und 15,8 Prozent in Thüringen). Die BSWler glaubten fest daran: Sie schaffen es auch in den Bundestag.
Umso bitterer jetzt die Enttäuschung. Denn das BSW konnte nicht beweisen, dass ihm eigentlich ein Platz im Bundestag zusteht. Vor Verkündung des amtlichen Endergebnisses zog die Partei vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Wagenknecht und ihre Mitstreiter sind fest überzeugt, dass die noch fehlenden knapp 10.000 Stimmen irgendwo zu finden sein müssen. Das Gericht lehnte den Antrag auf Neuauszählung jedoch ab.
Wagenknechts Abgang: Mit einem Eklat
Einfach so verschwinden wollten die Abgeordneten des BSW bei der letzten Sondersitzung des alten Bundestags am Dienstag aber nicht. Im Gegenteil: Sahra Wagenknecht legte einen recht geräuschvollen Abgang hin. Die Sitzung zur Grundgesetzänderung zugunsten eines milliardenschweren Investitionsprogramms endete mit einem Eklat.
16 Jahre lang war Sahra Wagenknecht Mitglied des Bundestags. Zwischenzeitlich auch als Fraktionschefin der Linken. In ihrer letzten Rede attackierte die BSW-Chefin die inzwischen beschlossene Schuldenaufnahme. Wagenknecht warf CDU-Chef Merz darin "Kriegskredite mit Klimasiegel" vor. Die Grünen nannte Wagenknecht in ihrer Rede "kriegsverrückt". Auch auf das Wahlergebnis kam sie nochmal zu sprechen. Die BSW-Chefin forderte eine Neuauszählung der Stimmen. Zum Abschluss wollte Wagenknecht dann noch von Merz wissen, warum der nicht eine Mehrheit mit der AfD suche.
"Ich verspreche Ihnen, wir kommen wieder", sagte Wagenknecht dann. Wieder zurück an ihrem (nun ehemaligen) Platz im Plenum am linken Rand rollten die BSW-Abgeordneten längliche Transparente aus: "1914 wie 2025: Nein zu Kriegskrediten" war darauf zu lesen. Dafür kassierten sie von Vizepräsidentin Petra Pau einen Ordnungsruf. "Sie wissen, welche Konsequenzen ein zweiter Ordnungsruf hätte", warnte sie die Abgeordneten. Pau hätte sie dann aus dem Saal verweisen können. Daraufhin wurden die Transparente wieder eingerollt.

Wagenknecht forderte vor der Sitzung einen Schulterschluss zwischen Linken und AfD. Sie müssten gemeinsam das neue Parlament einberufen lassen, um das Investitionsprogramm noch zu stoppen. Das sagte die BSW-Chefin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das BSW selbst könnte diesen Antrag nicht stellen, weil die Abgeordneten nicht mehr Teil des neuen Bundestags sind.
Ein langer Weg: Von der ersten bis zur letzten Rede
Es war ein langer Weg von Wagenknechts erster Rede im Bundestag zu ihrer voraussichtlich letzten. 77 Reden hat die ehemalige Linke in 16 Jahren gehalten. Die erste im November 2009 zum Thema Kapitalismus und der damals herrschenden Wirtschaftskrise. 2007 und 2008 waren die Jahre des Bankencrashs, der infolge eines aufgeblähten Immobilienmarkts in den USA zu einer weltweiten Finanzkrise führte.
Die Ökonomin Wagenknecht ist 2009 erstmals in den Bundestag für die Linke eingezogen. Zu DDR-Zeiten war sie Mitglied der SED und später der PDS. In den vergangenen Jahren wurde Wagenknecht mehr und mehr zur polarisierenden Person in der Linkspartei. Sie stellte sich häufig gegen die Parteilinie.
Zur Corona-Pandemie sorgten Aussagen zu Impfungen für Aufruhr, das "Manifest für den Frieden" anlässlich des Angriffskriegs Russlands in der Ukraine ebenfalls. 2021 erschien Wagenknechts Buch "Die Selbstgerechten", wofür ihr ein Parteiausschlussverfahren drohte. Die Begründung: Dadurch habe die Linke "schweren Schaden" erlitten.
2022 deutete Wagenknecht immer wieder an, eine eigene Partei gründen zu wollen, ihr Mann Oskar Lafontaine war Anfang des Jahres aus der Linkspartei ausgetreten. Es wurde immer wieder gemunkelt, dass er im Hintergrund des BSW die Fäden zieht.
Anfang 2024 war es dann so weit: Das BSW wurde gegründet, Wagenknecht waren einige Linkspolitikerinnen und -politiker gefolgt. Ihr Mandat nahmen alle mit. Am Dienstag hielt Wagenknecht ihre vorerst letzte Rede im Bundestag. Und jetzt?
Wagenknecht: Politische Zukunft ungewiss
Zwar sitzt das BSW in den Landtagen von Sachsen, Thüringen und Brandenburg sowie im Europäischen Parlament und ist an den Regierungen in Thüringen und Brandenburg beteiligt. Ob die Partei ohne Bundestagsmandat allerdings deutschlandweit relevant bleibt, ist fraglich.
So ist auch der weitere politische Werdegang von Wagenknecht offen. Noch heißt ihre Partei wie sie, das könnte sich allerdings auch ändern. Im Interview unserer Redaktion sagte sie vor einigen Wochen: "Sobald wir mit einer starken Fraktion im Bundestag vertreten sind, haben wir auch die Chance, unsere Köpfe in ihrer Vielfalt bekannter zu machen. Das BSW ist keine Ein-Frau-Partei." Das BSW wolle die bundesdeutsche Politik verändern – "auch dann noch, wenn ich irgendwann nicht mehr an der Spitze stehe".
Diese Chance hat sie jetzt nicht bekommen. Wenn ihre Partei nach anderthalb Jahren nicht schon wieder untergehen soll, wird Sahra Wagenknecht wohl weiterhin gebraucht.
Verwendete Quellen
- Besuch der Sondersitzung des 20. Deutschen Bundestages am Dienstag
- Eigene Einordnungen
- Bundeswahlleiterin: Amtliches Endergebnis der Bundestagswahl
- Bundestag.de: Erste Rede im Bundestag von Sahra Wagenknecht