Während in Berlin noch über einen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD debattiert wird, mehrt sich der Unmut in der Basis der CDU. Ein erster Verband fordert jetzt bereits eine Abstimmung über den ausverhandelten Vertrag.
In der CDU gibt es Forderungen, die Parteimitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag für eine schwarz-rote Bundesregierung entscheiden zu lassen. Der Kreisvorsitzende der CDU Potsdam-Mittelmark, Christian Große, schrieb in einem Brief an Bundeschef Friedrich Merz: "Eine solch' weitreichende Entscheidung darf in dieser Situation nicht ohne die direkte Einbeziehung der Parteibasis getroffen werden." Der Kreisverband veröffentlichte den Brief am Sonntag auf Facebook.
CDU-Kreisverband fordert Abstimmung über Koalitionsvertrag
Die Entscheidungen der Bundespartei und der Bundestagsfraktion zum Schuldenpaket und der Schuldenbremse hätten zu deutlicher Verärgerung geführt und Mitglieder verunsichert. "Zahlreiche unserer Mitglieder fühlen sich nicht mehr ausreichend repräsentiert und denken ganz offen über einen Parteiaustritt nach", schrieb Große. Mitglieder fragten sich, ob der vor der Bundestagswahl angekündigte grundlegende Politikwechsel eingelöst oder eine "linke Politik" mit Unterstützung der CDU fortgesetzt werde.
Deshalb habe sein Kreisverband einstimmig beschlossen, eine Mitgliederbefragung über den möglichen Koalitionsvertrag mit der SPD zu fordern. "Für den Fall, dass dieser Mitgliederentscheid nicht umgesetzt wird, droht unserer Partei ein weiterer massiver Vertrauensverlust innerhalb der Mitgliedschaft – mit unabsehbaren Konsequenzen", heißt es in dem Brief. "Wir befürchten zahlreiche Parteiaustritte, die wir bis jetzt nur mit größten Anstrengungen verhindern konnten."
Unmut herrscht auch beim Parteinachwuchs. In der Jungen Union "brodelt es richtig", heißt es hinter vorgehaltener Hand. Dort wird befürchtet, viele Entscheidungen gingen zu Lasten der jungen Generation.
Für Unverständnis in den eigenen Reihen sorgte zudem die Absage von Sitzungen der CDU-Spitzengremien an diesem Montag. In der Partei heißt es,
Harte Kritik von Ex-CDU-Ministerpräsident Müller
Der frühere Saar-Ministerpräsident und Ex-CDU-Landeschef Peter Müller rechnete in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung" mit Union, SPD und Grünen ab. Zwar sei die politische Mitte bei der Wahl abgestraft worden. "Dennoch ist ein dem Wählervotum Rechnung tragender Politikwechsel weiter entfernt denn je. Es läuft gut seit der Wahl – für die AfD." Er warnt: "Wem es an der gebotenen Demut gegenüber dem Volk fehlt, der darf sich nicht wundern, wenn er bei nächster Gelegenheit von diesem gedemütigt wird."
Für die von der Union versprochene "Migrationswende" mit mehr Zuwanderung von Fachkräften, besserer Integration und einer deutlichen Reduktion der illegalen Zuwanderung würden die bisher bekannten Verhandlungsergebnisse nicht reichen, schreibt der ehemalige Bundesverfassungsrichter. Das schuldenfinanzierte Sondervermögen sei vereinbart worden, ohne dass man sich vorher über Einsparungen, Strukturreformen und ein tragfähiges Konzept zur Wiederbelebung der Wirtschaft verständigt habe. "Dies steht im krassen Gegensatz zu den Sprüchen der Unionsspitzen im Wahlkampf."
CDU-Spitze beschwichtigt
Spitzenverhandler der Union versuchten, den Unmut in den eigenen Reihen zu dämpfen, indem sie einen schnell spürbaren Politikwechsel nach Abschluss der Verhandlungen mit der SPD ankündigten. "Die Umfragewerte sind bitter", sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann der "Bild am Sonntag". "Sie zeigen, dass es jetzt nicht nur auf einen guten Koalitionsvertrag ankommt, sondern vor allem auf die Taten der neuen Regierung. Es darf kein 'Weiter-so' geben."
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, der Merz-Vertraute Thorsten Frei (CDU), verspricht in dem Medium: "Sobald die Regierung steht, stellen wir die Weichen in der Wirtschafts-, Migrations- und Verteidigungspolitik um. Der Neustart wird in jedem Dorf und in jeder Stadt zu spüren sein." Die Union werde die innere und äußere Sicherheit Deutschlands auf der Prioritätenliste wieder nach ganz oben rücken.
CDU-Chef Merz, der wahrscheinlich der künftige Bundeskanzler ist, hatte vor der Wahl eine hohe Neuverschuldung abgelehnt. Nach der Wahl vereinbarte er aber mit SPD und Grünen ein Schuldenpaket in Rekordhöhe. Dieses wurde zunächst vom Bundestag und dann auch vom Bundesrat beschlossen. Auch einen härteren Migrationskurs gehörte zu seinen Wahlversprechen. Derzeit laufen allerdings noch Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD. (dpa/bearbeitet von the)