Berlin - Die Ampel ist Geschichte - aber Kanzler Olaf Scholz will wichtige Projekte trotzdem noch durchs Parlament bringen. Er wolle in den verbleibenden Sitzungswochen des Bundestags bis Weihnachten alle Gesetzentwürfe zur Abstimmung stellen, die aus seiner Sicht "keinerlei Aufschub" duldeten, sagte der SPD-Politiker nach dem Bruch der Koalition. Der Kanzler nannte konkrete Vorhaben - er hat allerdings ohne die FDP keine Mehrheit mehr im Bundestag.

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Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sagte, er würde eine Zusammenarbeit mit der Union bei Vorhaben begrüßen. "Ich würde mich darüber freuen und bin natürlich jederzeit bereit, dazu den Weg zu suchen."

Nach einem Gespräch zwischen Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) und Scholz hieß es nach Angaben aus der Unionsfraktion: Merz habe Scholz angeboten, die Union sei jederzeit bereit, über anstehende Tagesordnungspunkte oder Gesetze im Bundestag zu sprechen - aber erst, wenn vom Bundeskanzler in den kommenden Tagen die Vertrauensfrage gestellt worden sei. Scholz wolle aber am Zeitplan für die Vertrauensfrage im kommenden Jahr festhalten.

Am 20. Dezember sollen Bundestag und Bundesrat planmäßig zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommen. Mitte Januar will Scholz die Vertrauensfrage stellen, im März könnte es dann Neuwahlen geben. Bis Jahresende will er diese Themen entschieden sehen:

Steuerliche Entlastungen

Scholz will, dass der Effekt der Inflation bei der Einkommensteuer ausgeglichen wird - ein Projekt, das eigentlich der nun entlassene Finanzminister Christian Lindner (FDP) maßgeblich vorangetrieben hat. "Damit alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab dem 1. Januar mehr Netto vom Brutto haben", begründet der Kanzler, dass er an den Plänen zum Ausgleich der Kalten Progression festhält.

Kalte Progression nennt man, wenn Bürger durch den ansteigenden Steuertarif auch dann mehr an den Fiskus zahlen müssen, wenn ihre Gehaltserhöhung nur die Inflation ausgleicht. Lindner wollte dafür den Grundfreibetrag und die anderen Eckwerte des Steuertarifs so verschieben, dass höhere Steuersätze erst später greifen. Nur die Grenze für die Reichensteuer, die noch über dem Spitzensteuersatz liegt, sollte gleich bleiben - damit die Allerreichsten weniger stark entlastet werden. Der FDP-Chef hatte den Grünen vorgeworfen, die Pläne zu blockieren. Scholz und Habeck könnten nun darauf setzen, dass die FDP einem Vorhaben zustimmt, dass sie für richtig hält - wie auch bei dem eigentlich von der Ampel geplanten Wachstumspaket.

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition
CDU-Chef Merz nennt Bedingungen für eine Zusammenarbeit. © dpa / Fabian Sommer/dpa

Rentenpaket

Das dürfte der für die SPD wohl wichtigste Punkt sein: die Stabilisierung der gesetzlichen Rente. Der Bundestag hat sich Ende September in erster Lesung mit dem seit langem vorbereiteten Rentenpaket befasst. Im Kern soll ein stabiles Rentenniveau garantiert werden, die Rentenbezüge sollen Schritt halten mit der Lohnentwicklung. Wegen der alternden Bevölkerung wird dies aber immer teurer - was dann zu höheren Beiträgen für jüngere Leute führt. Die Koalition will diese prognostizierte Beitragserhöhung dadurch abfedern, dass sie Geld am Aktienmarkt anlegt und die Rendite in die steckt.

Insbesondere der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Johannes Vogel, pochte allerdings auf Änderungen, da das Paket aus seiner Sicht die Jüngeren über Gebühr belastet. Denn der Aktienplan kann voraussichtlich nicht die gesamten Mehrkosten auffangen. Allerdings ist das Rentenpaket auch in der Union umstritten. Fraktionsvize Hermann Gröhe nannte es Ende September eine verpasste Chance für mehr Generationengerechtigkeit. Es sei ein Neustart in der Rentenpolitik notwendig. Die Umsetzungswahrscheinlichkeit scheint gering.

Asylpolitik

Als weiteres Vorhaben nannte der Kanzler die schnelle Umsetzung der Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems. Diese will Deutschland schnell umsetzen. Am Mittwochvormittag noch hatte die Koalition dazu zwei Gesetzesänderungen beschlossen. Die Reform sieht unter anderem eine Verpflichtung zur Identitätskontrolle bei Ankommenden vor. Asylbewerber mit einer EU-weiten Schutzquote von unter 20 Prozent sollen ihr Verfahren an der EU-Außengrenze durchlaufen. Bei der Asylpolitik gibt es Schnittmengen mit der Union.

Hilfen für die Industrie

Deutschland steckt in einer Konjunkturflaute, schlecht geht es vor allem der Industrie. Kanzler Scholz hatte Ende Oktober einen Industriegipfel mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften veranstaltet. Er kündigte danach einen "Pakt für die Industrie" an, der sehr konkrete Maßnahmen umfassen solle, um den Standort zu stärken. Wirtschaftsverbänden beklagen vor allem im internationalen Vergleich hohe Energiepreise.

Nach dem Bruch der Ampel-Koalition - Statement Habeck
Vizekanzler würde eine Kooperation mit der Union begrüßen. © dpa / Soeren Stache/dpa

Bis Jahresende will Scholz nun unbedingt "Sofortmaßnahmen" für die Industrie durchsetzen. Konkret sagte er, die Netzentgelte für Unternehmen sollten gedeckelt werden und es solle ein Paket geschnürt werden, das Arbeitsplätze in der Automobilindustrie und bei den vielen Zuliefererbetrieben sichere. In einem Papier des Kanzleramts werden etwa bessere Abschreibungsmöglichkeiten für E-Autos als Dienstwagen genannt, eine Verlängerung der Befreiung von der Kfz-Steuer für Elektrofahrzeuge sowie mehr Preistransparenz an Ladesäulen.

Für Habeck wichtig ist ein Gesetz zur staatlichen Förderung neuer Gaskraftwerke und zur Modernisierung bestehender Anlagen. Die Kraftwerke sollen künftig einspringen, wenn der Strombedarf durch erneuerbare Energien nicht zu decken ist. Außerdem soll die Umstellung auf klimafreundlicheren Wasserstoff gefördert werden. Habeck setzt beim Vorhaben darauf, dass auch unionsgeführte Länder dieses Gesetz schnell wollen.

Was höchst dringlich ist - aber von Scholz nicht genannt wurde

Der Bundestag muss für das laufende Jahr noch einen Nachtragshaushalt beschließen. Dieser steht nun auf der Kippe - die FDP machte deutlich, dass sie dem bisher vorliegenden Entwurf im Bundestag nicht zustimmen kann.

Im Sommer hatte die Koalition angekündigt, dass sie einige Milliarden aus zusätzlichen Krediten braucht, um geringere Steuereinnahmen, höhere Ausgaben beim Bürgergeld sowie höhere Kosten zur Förderung der erneuerbaren Energien auszugleichen. Weil die Konjunktur in Deutschland schwächer als erwartet läuft, lässt die Schuldenbremse diese größere Kreditaufnahme zu.

Ohne die zusätzlichen Mittel könnte für manches Anliegen schlicht kein Geld mehr sein. Zwar müssen Pflichtleistungen wie das Bürgergeld weiter bedient werden, das Geld muss dann aber woanders eingespart werden. Es droht eine Haushaltssperre zum Beispiel bei Fördermitteln im Wohnungsbau, bei der Mobilität, bei Bauvorhaben und in anderen Bereichen. Helfen könnte zwar, dass in einem Haushaltsjahr nie alle geplanten Mittel abfließen und so zu Jahresende üblicherweise Geld übrig ist. Aber dass das die Milliardenlücke ausgleicht, die ohne Nachtragshaushalt gerissen wird, ist unwahrscheinlich.

E-Ladesäule
Scholz will den Absatz von E-Autos ankurbeln © dpa / Bernd Weißbrod/dpa

Große Unsicherheit über Haushalt 2025

Auch der Haushalt für 2025 ist lange noch nicht unter Dach und Fach. SPD, Grüne und FDP konnten sich nicht einigen, wie man Milliardenlücken schließen soll - einer der Hauptgründe für das Scheitern der Ampel. Das Jahr startet also wahrscheinlich mit einer vorläufigen Haushaltsführung, während der man sich auf unerlässliche und dringende Ausgaben beschränken muss.

Dass Scholz' Minderheitsregierung irgendwie einen Haushaltsbeschluss für 2025 durchbringt, ist unwahrscheinlich - auch, weil sie damit eine neue Regierung ja auf Ausgaben festlegen würde, noch bevor überhaupt ein Koalitionsvertrag steht.

Das bedeutet aber große Unsicherheit für viele Angestellte auf Projektbasis oder mit befristeten Arbeitsverträgen, die erstmal nicht wissen, wie es zu Jahresbeginn weitergeht. Auch neue Investitionen und der Beschluss kostspieliger Gesetze sind schwierig. Bei Neuwahlen im März könnte es bis zum Sommer dauern, bis eine neue Regierung einen Haushalt verabschiedet.

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