• Die Bewegung "Fridays for Future" ruft am Freitag zum Klimastreik auf und fordert ein Sondervermögen für den Klimaschutz.
  • Vergisst die Politik wegen des Krieges in der Ukraine die Klimakrise?
  • Der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Haushaltspolitiker Felix Banaszak fordert im Interview mit unserer Redaktion mehr Geld für den Klima- und Transformationsfonds des Bundes – und erklärt, wie das bezahlt werden soll.
Ein Interview

Herr Banaszak, die Corona-Krise und der Krieg in der Ukraine haben in der Politik Unvorstellbares möglich gemacht. Warum gelingt das nicht in der Klimapolitik?

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Felix Banaszak: Durch die akuten Krisen gerät die größte Katastrophe – die Klima- und Biodiversitätskrise – leider häufig in den Hintergrund. Politik orientiert sich zu oft an Kurzfristigem. Im Wirtschafts- und Klimaschutzministerium und überhaupt in der gesamten Regierung gehen wir aber wichtige Schritte.

Welche sind das?

Mit dem Klima- und Transformationsfonds haben wir auf nationaler Ebene bereits ein wirkungsvolles Instrument, das wir zukünftig noch mehr nutzen sollten. Wir geben darüber hinaus derzeit über vier Milliarden Euro pro Jahr für den internationalen Klimaschutz aus und wollen das bis 2025 auf sechs Milliarden Euro erhöhen. Wir verabschieden ein Gesetz nach dem anderen zum Ausbau der Erneuerbaren. Gleichzeitig müssen wir gerade die aktuellen Krisen der Energieversorgung und der Inflation meistern. Dass zum Beispiel Fridays for Future immer wieder auf die Herausforderungen hinweist, ist wichtig.

Der Bund hat in diesem Jahr ein 100 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für die Bundeswehr eingerichtet. Fridays for Future fordern jetzt auch 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz. Zurecht?

Erstmal finde ich diesen Impuls gut. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass wir beim Klimaschutz vor großen Herausforderungen stehen und das auch eine finanzpolitische Aufgabe ist. Allerdings gibt es ein solches Sondervermögen schon, nämlich den Klima- und Transformationsfonds. Ich nehme den Impuls von Fridays for Future so wahr: Wir müssen überprüfen, ob das Geld im Fonds ausreicht, um den Herausforderungen gerecht zu werden. Wenn nicht – und das sagen unsere Berechnungen auch –, müssen wir mehr zur Verfügung stellen.

Allerdings ist das Sondervermögen für die Bundeswehr eine einmalige massive Zusatzinvestition. Der Klima- und Transformationsfonds – kurz KTF – sieht dem Bundesfinanzministerium zufolge dagegen 177,5 Milliarden Euro bis 2026 vor. Die Summe umfasst auch Geld, das ohnehin zu diesem Zweck eingeplant ist. Ein Marketingtrick?

Der Klima- und Transformationsfonds ist gerade deswegen ein gutes Instrument, weil er eben über mehrere Jahre Geld bereitstellt. Er speist sich aus drei Quellen: aus Erlösen des nationalen CO2-Preises, aus dem Europäischen Zertifikatehandel und aus Zuweisungen des Bundeshaushalts. Wir haben bereits 60 Milliarden Euro aus nicht beanspruchten Corona-Krediten in den KTF geleitet, um die wirtschaftlichen Pandemiefolgen mit Investitionen in unsere Zukunft zu bewältigen. Das Bundesfinanzministerium plant derzeit keine weiteren Zuweisungen. Ich verstehe die Forderung von Fridays for Future aber so, dass man das ja ändern kann. Und dieser Forderung schließe ich mich an. Diese Diskussion haben wir in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren vor uns.

"Die FDP will sich bestimmt nicht dauerhaft als Nein-Sager-Partei positionieren"

Sie sind im Bundestag Mitglied im Haushaltsausschuss, müssen also das Geld des Bundes zusammenhalten. Da müssten Sie doch vorsichtig sein, wenn es um so große Geldsummen geht.

Schäden später zu reparieren, ist deutlich teurer, als jetzt in den Klimaschutz zu investieren. Nach der schrecklichen Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hat der Staat 30 Milliarden Euro für den Wiederaufbau bereitgestellt. Und da geht es um eine vergleichsweise kleine Region. Daran sieht man: Vorbeugender Klimaschutz ist günstiger als die Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Ich möchte den folgenden Generationen keine maßlose Verschuldung, aber eben auch keine marode Infrastruktur und keinen zerstörten Planeten hinterlassen.

Allerdings müssen Schulden zurückgezahlt werden. Wer jetzt hohe Schulden aufnimmt, schränkt die finanziellen Spielräume der folgenden Generationen ein.

Schulden sind kein Selbstzweck. Es ist durchaus Aufgabe der Haushaltspolitik, die finanziellen Spielräume zu berücksichtigen. Unsere Schuldenregeln beziehen sich auf eine haushaltspolitische Normalsituation. Wir haben nun aber bereits in der Corona-Pandemie eine gesundheitliche, soziale und wirtschaftliche Krise erlebt – und wir erleben jetzt eine neue Krise mit den Auswirkungen des russischen Kriegs gegen die Ukraine, den gestiegenen Energiepreisen und Belastungen für private Haushalte und Unternehmen. Deshalb geht es jetzt darum, Geld in die Hand zu nehmen, um Wirtschaft und Gesellschaft in dieser Krise zu stabilisieren. In der langfristigen Perspektive muss unsere Haushaltspolitik auch dafür sorgen, zukünftige Krisen abzuwenden oder zumindest abzumildern – und damit sind wir wieder bei der Klimakrise. Das muss aber nicht nur über neue Schulden finanziert werden, wir haben da durchaus auch andere Optionen.

Welche denn?

Über den Abbau klimaschädlicher Subventionen wie beispielsweise dem Dienstwagenprivileg oder der Steuerbegünstigung von Kerosin sind deutlich höhere Steuereinnahmen möglich, die dann unter anderem in den Klima- und Transformationsfonds fließen könnten.

Die Grünen schlagen auch eine Übergewinnsteuer oder das Aussetzen der Schuldenbremse vor. Helfen diese Vorschläge wirklich weiter? Mit der FDP als Koalitionspartner werden sie sich kaum umsetzen lassen.

In einer Koalition ist es üblich, miteinander zu diskutieren. Die FDP will sich bestimmt nicht dauerhaft als Nein-Sager-Partei positionieren. Sie und ihr Finanzminister müssen sich fragen, ob sie in Kauf nehmen wollen, dass reihenweise Handwerksbetriebe mit dem Rücken zur Wand stehen oder pleitegehen, weil sie an der Schuldenbremse festhalten wollen. Ich glaube an die Einsichtsfähigkeit unserer Koalitionspartner.

"Der Druck von der Straße ist völlig richtig und notwendig"

Was lässt sich mit Geld im Klimaschutz eigentlich genau anfangen?

Der Klima- und Transformationsfonds finanziert zum Beispiel die energieeffiziente Sanierung von Gebäuden, weil der Gebäudesektor leider immer noch einen unvermindert hohen CO2-Ausstoß produziert. Gefördert wird auch der Ausbau der Elektromobilität oder eine klimafreundlichere Produktion in der Industrie. Aus dem Fonds wird auch die EEG-Umlage bezahlt, die die Verbraucherinnen und Verbraucher ja seit Juli nicht mehr übernehmen müssen. Es geht um staatliche Aufgaben, aber der Staat unterstützt auch private Investitionen. Das ist ein breites Paket und die Bedarfe sind groß.

Selbst wenn viel Geld zur Verfügung steht: Für Gebäudesanierungen oder den Bau von Windrädern sind auch Material und Fachkräfte nötig. Schon Privatleute finden ja heute kaum noch Handwerker.

Die Gewinnung von Fachkräften spielt eine große Rolle. Das haben wir auch an anderer Stelle im Bundeshaushalt im Blick, es geht aber natürlich auch um die Erleichterung von Einwanderung. Was die Baustoffe angeht: Ich halte eine neue Rohstoffstrategie für absolut notwendig, die Deutschland unabhängiger von fragilen Lieferketten und damit resilienter macht. Daran arbeitet das Wirtschaftsministerium. Es ist übrigens ein Desaster, dass die Solarindustrie wegen der Politik früherer Bundesregierungen zu großen Teilen nach Asien abgewandert ist. Diese und andere zukunftsfähige Branchen müssen wir wieder gezielt ansiedeln.

Klimaschutz lässt sich auch ohne große Geldsummen vorantreiben, zum Beispiel durch ein Tempolimit. Setzt die Politik auch so gerne auf Finanzspritzen, weil man Bürgerinnen und Bürgern damit weniger wehtut als mit Verboten?

Wirksamer Klimaschutz baut auf drei Säulen auf: finanzielle Förderung, wirtschaftliche Anreize und Ordnungsrecht, also Regeln. Es ist kein Geheimnis, dass wir Grüne uns ein Tempolimit durchaus gewünscht hätten – das ging mit der FDP leider nicht. Regeln haben eine Berechtigung, müssen aber auch dauerhaft gesellschaftlich akzeptiert werden. Was nicht geht: weder Geld geben noch Regeln setzen wollen – das ist ja die Vorstellung, die einige haben.

Am Freitag rufen Bewegungen wieder weltweit zum Klimastreik auf. Viele junge Menschen haben Hoffnungen in die Ampel-Koalition gesetzt. Jetzt müssen sie ernüchtert feststellen, dass der Klimaschutz eher mühsam vorankommt.

Der Druck von der Straße ist völlig richtig und notwendig – und wichtiger Bestandteil einer Demokratie. Mancher Protest richtet sich ja auch gegen Maßnahmen in Folge des Kriegs gegen die Ukraine. Wir können die Augen nicht davor verschließen, dass wir dadurch vor einer Herausforderung in der Energieversorgung stehen. Wir müssen jetzt zunächst die Versorgung stabilisieren – auch mit fossilen Energien. Gleichzeitig bringen wir umso ambitionierter, massiver und schneller den Ausbau der erneuerbaren Energien voran. Auch wenn ich mir einiges im Detail anders vorgestellt hätte: Diese Bundesregierung macht die ehrgeizigste Klimaschutzpolitik aller Regierungen der letzten Jahrzehnte.

Woran machen Sie das fest?

Nur eines von vielen Beispielen: Das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium hat seit Dezember ein gutes Dutzend Gesetze durch den Bundestag gebracht, mit denen wir den Ausbau der erneuerbaren Energien endlich massiv beschleunigen. Sie machen uns erstens unabhängig von russischen Importen. Zweitens liefern sie sauberen und günstigen Strom. Schon jetzt gibt es nichts Günstigeres als Energie aus Sonne, Wind und Wasser.

Zur Person: Felix Banaszak ist in Duisburg aufgewachsen und hat in Berlin Sozial- und Kulturanthropologie und Politikwissenschaft studiert. 2018 bis 2022 war er Vorsitzender des Landesverbands von Bündnis 90/Die Grünen in Nordrhein-Westfalen. 2021 zog er für die Grünen in den Bundestag ein. Dort ist der 32-Jährige Mitglied im Wirtschafts-, Haushalts- und Rechnungsprüfungsausschuss.
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