• In Krisenzeiten profitieren oftmals einzelne Unternehmen erheblich – ohne selbst dafür viel getan zu haben.
  • Grüne und Linkspartei wollen kriegs- und krisenbedingte Übergewinne von Konzernen mit einer zeitlich befristeten Sonderabgabe belegen, um damit von der Krise besonders Betroffene zu unterstützen.
  • Einige europäische Staaten gehen diesen Weg bereits, der allerdings auch einige Tücken hat.

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Mit steigenden Kraftstoffpreisen trotz Steuersenkung beginnt erneut eine Debatte über eine zeitlich befristete Sonderabgabe für jene Unternehmen, die kriegs- und krisenbedingt satte Gewinne einfahren.

Vor allem die Grünen und die Linkspartei drängen auf die Einführung einer solchen Übergewinnsteuer. "Wenn die Mineralölkonzerne die derzeitige Krise offensichtlich ausnutzen, um riesige Gewinne zu machen, und die Bürger*innen den Preis dafür an der Zapfsäule zahlen, ist eine Übergewinnsteuer der logische Schritt", forderte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Mittwoch auf Twitter.

Beide Parteien fordern das bereits seit Monaten – sie konnten sich bisher aber nicht durchsetzen. Wir erklären, wie die Übergewinnsteuer funktioniert, was für und was gegen ihre Einführung spricht.

Wie funktioniert die Übergewinnsteuer und wen betrifft die Extra-Abgabe?

Eine Übergewinnsteuer ist laut des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags definiert als "Steuer auf den Mehrbetrag gegenüber dem Gewinn einer vorangegangenen Basisperiode". Sie verfolgt vorrangig den Zweck, "Einnahmen in Zeiten eines erheblich gesteigerten Finanzbedarfs zu generieren". Kurzum: Die klammen Haushaltskassen von Bund und Ländern sollen gefüllt werden, um staatliche Maßnahmen in der Krise gegenzufinanzieren.

Eine solche Extra-Abgabe betrifft Konzerne und zielt auf Gewinnzuwächse, die ihre Ursache in Kriegen und Krisen haben. Diese zufälligen Gewinne betreffen nur einige wenige Branchen. Die Idee einer Übergewinnsteuer ist nicht neu. Grüne und Linkspartei hatten sie bereits im vergangenen Jahr erfolglos vorgebracht – damals mit Blick auf Unternehmen wie Amazon, die in Folge der Corona-Pandemie große Gewinne einfahren konnten.

Was spricht für die Einführung einer Übergewinnsteuer?

"Gewinne, die anfallen, ohne dass jemand etwas dafür geleistet hat – sollte man grundsätzlich hoch besteuern", sagte der Ökonom und Steuerexperte Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der Wirtschaftszeitschrift "Capital". Diese Steuer würde dafür sorgen, dass sich Kriegs- und Krisengewinnler finanziell daran beteiligen, "dass wir alle gut und vor allem mit einem stärkeren Zusammenhalt durch diese Krise hindurchkommen", erklärte Grünen-Chefin Lang Anfang Mai.

Auch die Linkspartei will mit dem eingenommenen Geld Menschen entlasten, die von den Folgen des Ukraine-Kriegs besonders betroffen sind. Konkret könnte Deutschland mit den Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne auch ein Teil der bereits beschlossenen Entlastungen bestreiten, wie den Tankrabatt, das 9-Euro-Ticket oder die Einmalzahlungen für Hartz-IV-Bezieher und Eltern.

Warum stößt die Gewinnsteuer auf Gegenwehr?

Die FDP lehnt den Vorschlag vehement ab, bereits Mitte Mai hatte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im "Spiegel" gegen eine solche Steuer ausgesprochen. Unter anderem sei diese Lindner zufolge nicht mit dem deutschen Steuerrecht vereinbar – der wissenschaftliche Dienst des Bundestags sieht diesbezüglich aber per se keine Hinderungsgründe.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium, Katja Hessel (FDP) sagte am Mittwoch: "Unsere Unternehmen sind bereits mehrfach belastet: durch die Nachwehen der Corona-Pandemie, die hohen Energiepreise sowie zusammengebrochene Lieferketten."

Auch der Energieexperte des RWI-Leibniz-Institutes für Wirtschaftsforschung, Manuel Frondel, warnt vor einer Einführung. "Das wäre willkürlicher staatlicher Interventionismus, der das Vertrauen in den Staat massiv beschädigen würde", sagte er der "Rheinischen Post". "Es wäre auch mit zweierlei Maß gemessen: Bei Biontech, also bei den 'Guten', kam auch niemand auf die Idee, die hohen Gewinne höher zu besteuern, obwohl Biontech auch ein klarer Krisengewinner war", sagte Frondel mit Blick auf den Mainzer Corona-Impfstoffhersteller.

Der zentrale Kritikpunkt vieler Gegner: Die Übergewinnsteuer entziehe der Wirtschaft Kapital, das sie gerade in oder nach Krisenzeiten dringend benötigt.

Welche Schwierigkeiten gibt es bei der Umsetzung?

Vor allem die genaue Berechnung des Übergewinns ist schwierig und konfliktbehaftet, konkret die Ermittlung eines Referenzgewinns, da diese sehr stark schwanken kann. Zudem kann die Abschöpfung von Übergewinnen leicht zu Kollateralschäden führen, sagt DIW-Ökonom Bach. Unter anderem könnten ihm zufolge die Anreize verschwinden, den Mangel zu reduzieren, den die hohen Preise signalisieren.

Und: Da viele große Energiekonzerne ihren Konzernsitz nicht in Deutschland haben, fällt ein Großteil der Gewinne gar nicht hierzulande an.

Welche aktuellen Vorstöße gibt es?

Das Bundesland Bremen will am 10. Juni einen Antrag in den Bundesrat einbringen, um kriegs- und krisenbedingte Übergewinne von Konzernen mit einer auf das Jahr 2022 befristeten Sonderabgabe zu belegen. Das hatten Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) und Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) am Dienstag angekündigt.

"Es darf nicht sein, dass einige Unternehmen allein auf Grund kriegsbedingter Preissteigerungen Milliarden zusätzlich verdienen, während Bund und Länder Milliarden zusätzlich aufwenden müssen, um die von den Preissteigerungen besonders betroffenen Privathaushalte und Firmen zu unterstützen", sagte Bovenschulte. Diese "leistungslosen" Gewinne seien allein durch geänderte Rahmenbedingungen entstanden und nicht etwa durch Investitionen oder neue Unternehmensstrategien.

Wie die rechtliche und technische Ausgestaltung einer Sondersteuer genau aussehen soll, ließen beide offen. Mit dem Antrag soll die Bundesregierung aufgefordert werden, einen Vorschlag für eine rechtliche Grundlage zu erarbeiten, um eine Sonderabgabe zu erheben. Es gibt bereits ein Prüfverfahren auf Ebene der Bundesregierung, das Bremen nun mit seinem Antrag unterstützen will.

Das Volumen einer Sondersteuer auf Übergewinne hänge von vielen Faktoren ab, unter anderem vom Steuersatz, sagte Grünen-Politiker Strehl. Wenn man hypothetisch davon ausgehe, dass ein festgestellter Übergewinn von 40 Milliarden Euro mit 10 Prozent besteuert werde, seien dies Einnahmen von vier Milliarden Euro. Zum Vergleich: Allein der Tankrabatt wird mit 3,15 Milliarden Euro veranschlagt.

Welche Länder haben bereits eine Übergewinnsteuer eingeführt?

Spanien hatte – vor dem Hintergrund der Coronakrise – als eine der ersten europäischen Länder bereits im September vergangenen Jahres die Steuern auf Stromrechnungen für Privathaushalte abgeschafft und stattdessen eine Sondersteuer auf Unternehmen beschlossen, die vom Anstieg der Energiepreise profitieren.

Im Mai folgte Italien. Rom finanziert sein Entlastungspaket in Höhe von 14 Milliarden Euro, das die gestiegenen Energiekosten für Haushalte und Unternehmen abfedern soll, zum Teil mit einer Sondersteuer auf Extragewinne von Ölfirmen. Ähnlich gehen auch Großbritannien und Ungarn vor.

Die britische Regierung hat Ende Mai ebenfalls ein milliardenschweres Unterstützungspaket angekündigt, um die Folgen der Inflation für die Bevölkerung abzumildern. Die Hilfsmaßnahmen sollen zu einem Drittel durch eine Steuer auf Zusatzgewinne von Ölkonzernen finanziert werden. Diese sei "vorübergehend" und werde "wieder auslaufen, wenn Öl- und Gaspreise wieder zu einem historisch gesehen normaleren Niveau zurückkehren". Großbritannien plant die Extra-Gewinne mit 25 Prozent zu besteuern.

Fast zeitgleich verkündete auch die ungarische Regierung die Einführung einer Sondersteuer auf Zusatzgewinne durch vom Ukraine-Krieg verursachte Preiserhöhungen. Ungarn zielt dabei vor allem auf Banken und Energiekonzerne. Mit dem eingenommenen Geld wolle man den Ausbau des Militärs sowie die Deckelung von Energie- und Wasserpreisen finanzieren, erklärte Regierungschef Viktor Orban.

In der Vergangenheit haben unter anderem die USA und Kanada zu vergleichbaren und zeitlich begrenzten Maßnahmen gegriffen. Beispiele sind die Excess Profits Tax während des Ersten und Zweiten Weltkriegs.

Verwendete Quellen:

  • Meldungen der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
  • Wissenschaftlicher Dienst des Deutsches Bundestages: "Übergewinnsteuer – historische Hintergründe, aktuelle Diskussion und rechtliche Fragen"
  • Capital: "Was gegen eine Übergewinnsteuer spricht"
  • Reuters: "Spain to extend energy VAT cut, windfall tax until June -PM"

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