• Ab 1. Juni sollen Autofahrer wieder günstiger tanken können.
  • Doch schon jetzt ist abzusehen, dass der Plan der Bundesregierung, die Verbraucher zu entlasten, am Ende nicht aufgehen könnte.
  • So betonen Tankstellenbetreiber und Bundesfinanzministerium, dass sie nicht davon ausgehen, dass der Tankrabatt sofort zu niedrigen Spritpreisen führen wird. Aber das ist nicht das einzige Problem.
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen des Autors bzw. des zu Wort kommenden Experten einfließen. Hier finden Sie Informationen über die verschiedenen journalistischen Textarten.

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Viele Autofahrer warten gespannt auf den Mittwoch. Denn ab dem 1. Juni gilt die beschlossene Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Damit soll Benzin laut Bundesfinanzministerium um 35,2 Cent billiger werden, Diesel um 16,7 Cent. Den Tankrabatt soll es bis Ende August geben und den zuletzt stark gestiegenen Spritpreisen entgegenwirken.

Doch ob das wirklich so klappt, wie von der Bundesregierung geplant und durchgesetzt, ist fraglich. Denn am Ende könnten weniger die Verbraucher, sondern vielmehr die Mineralölkonzerne von dem Entlastungspaket profitieren.

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Der Ökonom Jens Südekum bezeichnet den Tankrabatt auch deshalb als "Katastrophe". "Selten wurden falsche Anreiz- und Verteilungseffekte mit so hohen fiskalischen Kosten verknüpft", twitterte der Düsseldorfer Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre. Die Bundesregierung rechnet allein beim Tankrabatt mit verminderten Steuereinnahmen in Höhe von 3,15 Milliarden Euro.

Warum am Ende Putin vom Tankrabatt profitieren könnte

"Er entlastet jene, die es nicht nötig haben, am stärksten, denn die SUV verbrauchen am meisten Benzin", erklärte Südekum, der auch das Grünen-geführte Bundeswirtschaftsministerium berät, in einem Interview mit der "Westdeutschen Allgemeine Zeitung". Der Rabatt unterlaufe den Anreiz zum Spritsparen. Mehr noch: Es drohe sogar, dass ein Teil der Steuersenkung am Ende gar nicht bei den Verbrauchern landet, sondern bei Mineralölkonzernen wie Shell, Total oder Rosneft. "Damit helfen wir letztlich auch noch Putin."

Tatsächlich ist laut Daten der Website "Benzinpreis.de" der Gewinn der Konzerne in den vergangenen Monaten ungewöhnlich stark gestiegen – insbesondere bei Super und E10. In den vergangenen Jahren schwanke dort der Überschuss, der bei den Anbietern landet, meistens zwischen 20 und 30 Cent pro Liter Sprit – aktuell liegt der Überschuss bei fast 50 Cent.

ADAC sieht "Potenzial für deutliche Preissenkungen an den Zapfsäulen"

Dass Autofahrer immer mehr zahlen, liegt aber auch am steigenden Rohölpreis. Der klettert bereits seit zwei Jahren, einen außergewöhnlichen Sprung machte er aber erst im März – nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und beginnenden Diskussionen um ein Ölembargo gegen Russland.

Seitdem pendelt der Preis zwischen 100 und 120 US-Dollar je Barrel Rohöl. Der ADAC verweist aber darauf, dass zuletzt der Wechselkurs des Euros gegenüber dem US-Dollar leicht gestiegen ist, was die Rohölkosten hierzulande eigentlich "günstig beeinflusst". Deshalb bestehe "auch weiterhin ein erhebliches Potenzial für deutliche Preissenkungen an den Zapfsäulen".

Nur: Dazu ist es bisher nicht gekommen.

Bundeskartellamt will Entwicklung genau beobachten

Wirtschaftsexperte Südekum rechnet auch damit, dass die Mineralölkonzerne ab dem 1. Juni nur einen Teil der Steuersenkung an die Verbraucher weitergegeben – der andere Teil werde "in Form höherer Profitmargen einbehalten". Denn: Für die Mineralölkonzerne besteht keine Pflicht, die Steuersenkung an die Kunden weiterzugeben. Die Energiesteuer fällt nicht erst beim Tanken an, sondern in Raffinerien und Tanklagern.

Das Bundeskartellamt will die Preisentwicklung nach dem Start des Tankrabatts genau im Blick behalten – das hat zumindest der Präsident der Behörde, Andreas Mundt, angekündigt. Würden Preissenkungen nicht an die Verbraucher weitergegeben, werde das Kartellamt den Mineralölkonzernen "unangenehme Fragen" stellen, sagte Mundt RTL und NTV.

Tanken wird trotz Steuersenkung wohl erst schrittweise billiger

Die Tankstellenbetreiber selbst nennen noch einen weiteren Grund, warum Autofahrer trotz der Steuersenkung ab 1. Juni nicht überall sofort mit sinkenden Spritpreisen rechnen sollten (auch das FDP-geführte Bundesfinanzministerium macht darauf aufmerksam): "Das, was die Betreiber am 1. Juni noch in den Tanks haben, hat noch keine Steuersenkung, die man weitergeben könnte. Das ist noch die alte Steuer", sagte der Geschäftsführer des Zentralverbandes des Tankstellengewerbes, Jürgen Ziegner, der "Rheinischen Post". Die wenigsten Betreiber "werden es sich leisten können, das teurer eingekaufte Benzin und den teurer eingekauften Diesel billiger anzubieten."

Auch der Hauptgeschäftsführer des Mineralölverbands "Fuels und Energie", Christian Küchen, dämpft vorab die Erwartungen. Er geht davon aus, "dass die Energiesteuersenkung wegen des intensiven Wettbewerbs der Tankstellen weitergegeben wird." Allerdings gebe es für eine Steuersenkung in dieser Größenordnung keine Erfahrungswerte. Die Energiesteuer sei auch nur eine von vielen Komponenten, die den Kraftstoffpreis bestimmen.

Ölkonzerne sollen Teil ihrer Gewinne abgeben

Andere Länder nehmen die Energieunternehmen nicht nur in die Pflicht, sondern greifen auch einen Teil der Extraeinnahmen ab – darunter etwa Spanien (bereits seit Herbst 2021), Italien oder Großbritannien.

Die britische Regierung, bisher alles andere als besonders unternehmensfeindlich aufgefallen, will ihr 15 Milliarden Pfund schweres Unterstützungspaket für die Bevölkerung zu einem Drittel durch eine Steuer auf Zusatzgewinne von Ölkonzernen finanzieren. Unternehmen wie BP oder Shell sollen demnach auf die Zusatzgewinne 25 Prozent Steuern zahlen. Die Zusatzgewinn-Steuer sei "vorübergehend" und werde "wieder auslaufen, wenn Öl- und Gaspreise wieder zu einem historisch gesehen normaleren Niveau zurückkehren", hieß es.

Obwohl die Konzerne zugleich die Möglichkeit bekommen, 80 Prozent dieser Ausgaben steuerlich abzusetzen, um Investitionen im Energiesektor zu fördern, ist es ein bemerkenswerter Richtungswechsel der konservativen Regierung unter Premierminister Boris Johnson.

Hierzulande blockte die FDP ein solche Übergewinnsteuer ab, die unter anderem Wirtschaftsminister Robert Habeck bereits im März ins Spiel brachte. Die Begründung von Finanzminister Christian Lindner: Ein solches Vorgehen wäre nicht mit dem deutschen Steuerrecht vereinbar und politisch nicht sinnvoll.

Verwendete Quellen:

  • Meldungen der Nachrichtenagenturen AFP und dpa
  • Westdeutsche Allgemeine Zeitung: "Regierungsberater: Tankrabatt hilft SUV-Fahrern und Putin"
  • Capital: "Was gegen eine Übergewinnsteuer spricht"
  • Daten von Benzinpreis.de
  • ADAC: Spritpreis: Benzin unverändert auf hohem Niveau, Diesel billiger
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