In einer neuen Show coacht Sänger Rea Garvey junge Musiktalente. Eines von ihnen könnte es am Ende auf die ESC-Bühne vor ein Millionenpublikum schaffen. Garvey verrät im Interview, wie man einen solchen Auftritt meistern kann, wenn man vorher noch nie vor Menschen gesungen hat.

Ein Interview

693 Bewerbungen sind für den deutschen ESC-Vorentscheid eingegangen. 15 von ihnen haben es in eine Vor-Auswahl geschafft - und dürfen nun vor Rea Garvey (50) und Conchita Wurst (35) in der sechsteiligen Docutainment-Serie "Ich will zum ESC" performen.

In der Show sind Garvey und Wurst Konkurrenten: Aus den 15 Musikerinnen und Musikern suchen sie sich ihre Favoriten aus und coachen sie in fünf Folgen. Im Finale der sechsteiligen Reihe (8. Februar in der ARD) entscheiden dann die Zuschauerinnen und Zuschauer, wer gewonnen hat.

Die Gewinnerin oder der Gewinner hat durch den Sieg aber noch nicht das goldene Ticket für den Eurovison Song Contest 2024 in Malmö in Schweden in der Tasche. Davor muss noch eine weitere Hürde genommen werden: der deutsche ESC-Vorentscheid, der am 16. Februar stattfindet.

Im Interview verrät Sänger und Musiker Rea Garvey, warum er aus rein egoistischen Gründen bei "Ich will zum ESC" dabei ist und ob er und Conchita Wurst sich mal in die Haare bekommen haben.

Rea Garvey (l.) und Conchita Wurst. © André Kowalski

693 Musikerinnen und Musiker haben sich für den deutschen ESC-Vorentscheid beworben. Was haben Sie gedacht, als Sie diese Zahl gehört haben?

Rea Garvey: Ich habe diese Zahl ehrlich gesagt gar nicht gehört. (lacht) Es wurde vorher aussortiert. Das habe ich an dieser Show geliebt: Wir kamen an, 15 Sängerinnen und Sänger haben für uns performt und dann ging’s los.

Wie haben diese 15 Auserwählten auf Sie gewirkt?

Ich bin aus egoistischen Gründen dabei: Weil ich Conchita liebe! (lacht) Ich wollte mit ihr in einer Show sein. Bei den Kandidaten habe ich nicht erwartet, dass so viel Talent dabei sein würde, weil es nur eine Nebenshow zum ESC-Vorentscheid ist - ich dachte eher, die würden sich dann bei der anderen Show bewerben. Aber der ein oder andere Rohdiamant war dabei, bei dem ich dachte: "Wow, was für ein Wahnsinnstalent! Das hat mich umgehauen!" In der weiteren Zusammenarbeit habe ich dann gemerkt, dass da noch so viel mehr ist. Das liebe ich an solchen Shows, dass es immer besser ist, als man erwartet und man überrascht wird und sich denkt: "Okay, this is next level stuff, let's go." Die Zeit mit Conchita war genau das, was ich mir erhofft hatte. Und mehr. Sie ist eine absolute ESC-Legende und hat uns viel davon erzählt, wie es beim ESC ist.

Sie sind aber auch Konkurrenten.

Die Musiker unter sich stehen nicht in Konkurrenz, aber Conchita und ich schon. Das haben wir nicht ernst genommen, aber wahrgenommen. Wir haben schon um unsere Kandidaten gekämpft, aber die ganze Reiberei hat Spaß gemacht und mich dazu inspiriert, alles zu geben.

"Conchitas Haare fasst man nicht an."

Haben Sie sich mal in die Haare bekommen?

Nein. Conchitas Haare fasst man nicht an. (lacht) Natürlich will jeder gewinnen. Conchita will unbedingt gewinnen und ich will auch gewinnen, nicht unbedingt, aber ich will gewinnen. Sie ist eine Legende und ich bin ein sehr guter Coach, würde ich behaupten. Es ist schön, eine Konkurrentin zu haben, von der man weiß, dass sie den ESC schon mal gewonnen hat und sehr viel weiß. Für mich ist es Neuland. Aber ich bin immer am stärksten, wenn die Geschichte noch nicht geschrieben ist.

Wie ist Ihr Verhältnis zum ESC generell?

I love the show! Ich gucke den ESC seit meiner Kindheit, saß damals mit meiner Familie zu Hause in Irland vor dem Fernseher. Und wir haben richtig darum gekämpft, wer am besten ist. Der ESC war eine der wenigen Shows, bei der wir bis zum Ende wach bleiben durften. Und heute ist es mit meiner eigenen Familie in Deutschland genauso: Wir schreiben auf einer A4-Seite alle Länder und alle Bands auf und jeder vergibt Punkte an die drei Bands, die in seinen Augen am besten sind. Daraus ergibt sich ein Durchschnitt. Wir sind sehr oft sehr nah dran.

Lagen Sie schon mal richtig mit Ihrer Einschätzung?

Absolut. Bei Måneskin lagen wir total richtig, aber auch sonst schon häufig. Der ESC ist eine andere Art von Wettbewerb. In der Musikwelt, in der ich mich bewege, ist Kritik sehr negativ und nicht konstruktiv. Aber bei diesem Wettbewerb geht es darum: "Die Band mag ich mehr als die andere Band." Es geht um ein positives Gefühl, der ESC ist wie die musikalischen Olympics. Der Vibe ist total harmonisch und alle wollen, dass alle gut sind.

Die sechste Folge findet live statt. Das heißt, Sie haben auch noch keine Ahnung, wer am Ende gewinnt?

So ist es. Ich bin super gespannt. Jeder, der die Show verfolgt, wird die Kandidaten bis zur 6. Folge ein bisschen kennen. Am Ende bleiben aber nur vier Leute übrig und dann entscheidet das Publikum. Das mag ich nicht unbedingt, aber die Spannung braucht man natürlich - und wenn man gewinnt, geht man mit einer wahnsinnigen Euphorie raus. Ich feiere das.

Wer ist Ihr Favorit?

Mein Team und mein Team. (lacht)

Sie wollen keine Namen nennen?

In meinem Team sind zwei, die eine super Chance haben, durch den Vorentscheid zu kommen. Aber Conchita denkt das von ihrem Team auch. Ich weiß gar nicht, was sie mit ihrem Team gemacht hat, es wird aufregend. Ich unterschätze sie auch absolut nicht. Sie hat den ESC schon gewonnen. Sie kann alles. Und dabei auch noch gut aussehen.

Das Gesamtpaket.

Absolut, das sind die vier Elemente, die für den ESC wichtig sind: ein super Lied, eine gute Stimme, eine gute Performance und Ehrlichkeit. Wenn du diese vier Elemente liefern kannst, bist du ganz vorne.

ESC? "Ich hab' total Bock!"

693 Bewerbungen für den ESC-Vorentscheid - überrascht es Sie, dass so viele Musiker zum ESC wollen?

Nein, das überrascht mich gar nicht. Die 693 sind aber auch nicht alle Profimusiker. Bei den 15 Kandidaten waren einige dabei, die gesagt haben, sie wollten schon immer zum ESC, haben aber noch nie vor Publikum gesungen. Und dann direkt auf dem obersten Niveau mit 200 Millionen Zuschauern einsteigen? Okay, warum nicht? Aber als sie dann vor Conchita und mir standen, war es für manche doch extrem viel Druck - und dann ging auch mal was daneben. Aber lieber im Vorentscheid als vor 200 Millionen Leuten. Bei Lena Meyer-Landrut war es ja auch so: Sie war unerfahren und scheu, aber sie war auch eine solche Erscheinung, dass ganz Europa gesagt hat. "Wow!" Ich finde es schön, mir vorzustellen, dass das dieses Jahr jemandem aus unserem Team passieren könnte.

Da gehört auch ein bisschen Selbstbewusstsein dazu, sich direkt vor ein Millionenpublikum zu stellen oder?

Das darf man sich gar nicht vorstellen. Ich habe mal bei "Live 8" in Berlin vor 220.000 Menschen gespielt und dachte vorher: Fuck. Das hat mich wirklich beeindruckt. Und dann kam irgendjemand und hat gesagt: "Spiel nur für die ersten fünf Reihen, dann geht’s." Und genau das hab ich gemacht. And you give everything.

Bei den 15 Kandidatinnen und Kandidaten sind einige dabei, die noch sehr jung sind und unbedingt Musiker oder Musikerin werden wollen. Jetzt war’s ja für Deutschland in den vergangenen Jahren beim ESC durchaus schwierig, etwas zu erreichen. Kann es für so eine Musikerkarriere auch hinderlich sein, wenn man da jetzt hinfährt und dann vielleicht Letzter wird?

Hättest du mich vor zehn Jahren gefragt, ob ich zum ESC fahren möchte, hätte ich Nein gesagt. Da war ich so mit mir selbst und meiner Musik beschäftigt, da wäre ich so ein Risiko nicht eingegangen. Weil ich nicht das Selbstbewusstsein hatte. Würdest du mich jetzt fragen, würde ich sagen, klar, ich hab' total Bock, eben weil ich jetzt das Selbstbewusstsein habe und weiß, wer ich bin. Wenn du weißt, wer du bist, kannst du da rausgehen und verlierst gar nichts. Auch ein schlechtes Ergebnis kann dir das nicht nehmen. An diesen Punkt kann man in jeder Phase seines Lebens kommen, das muss nicht später im Leben sein, es kann auch mit 16 oder 17 Jahren passieren. Schau dir Malik Harris an, jeder hat es geliebt, wie er mit seinem Erfolg umgegangen ist.

Heißt das nun, dass Sie vielleicht irgendwann mal für Deutschland beim ESC antreten werden?

Für Deutschland wahrscheinlich nicht. Ich denke, Deutschland hat genug Talente, um eigene Sänger und Sängerinnen zu finden. Da muss nicht jemand singen, der nur hier wohnt. Das würde ich selbst komisch finden. Aber wenn Irland mich fragen würde - wir sehen uns!

Dann drücke ich die Daumen, dass Irland mal anruft und fragt.

Hey, wer weiß. You never know.

Deutschland hat ja in den vergangenen Jahren oft nicht so gut abgeschnitten, ist auf den letzten Plätzen gelandet. Warum?

Ich glaube, es war nicht immer berechtigt. Es gibt hier eine andere Musikkultur als in anderen europäischen Ländern, etwa in Ungarn oder Kroatien. Wenn diese Länder eine Performance abliefern, die mehr in Erinnerung bleibt als das, was Deutschland abgeliefert hat, ist es schwer. Es ist einfach so. In manchen Jahren, als die Lieder gar keine oder wenig Punkte bekommen haben, waren die Performances nicht schlecht. Das war nicht der Grund. Manchmal war es natürlich auch verdient, lass uns ehrlich sein. Irgendjemand muss der Letzte sein. Und an den Letzten erinnert man sich, das meine ich gar nicht böse. Manchmal war es eine schlechte Performance. Manchmal war es ein schlechtes Lied. Manchmal wurde etwas kopiert, was es schon mal gegeben hat. Deswegen muss Deutschland ein Lied aussuchen, bei dem das Land bei sich selbst bleibt. Das schätzen die Zuschauer mehr als etwas Nachgemachtes.

Das haben Lena, Guildo Horn und Stefan Raab anders gemacht

Es hat ja auch schon mal geklappt, bei Lena Meyer-Landrut oder bei Guildo Horn und Stefan Raab. Was haben die anders gemacht?

Guildo und Stefan waren opulente Überraschungen, sie waren extrem in der Performance. Das fanden viele spannend. Aber Lena oder auch Michael Schulte sind Performer, die das Gesamtpaket haben. Ich weiß, das klingt ein bisschen blöd, aber es sind die vier Elemente: das Lied, der Sänger oder die Sängerin, die Performance und die Ehrlichkeit. Bei Michael und Lena sieht und spürt man genau das. Und wenn mal ein Ton schief geht, liebt man sie umso mehr. Warum? Weil sie bei sich sind. Weil sie authentisch sind. Konfetti kann man auch machen, aber zuerst muss das Lied überzeugen.

Wie wird es dieses Jahr? Wie ist Ihre Prognose?

Wenn mein Teammitglied durchkommt, stehen die Chancen sehr gut. Wenn mein Teammitglied in den Vorentscheid kommt, muss man mich wahrscheinlich festbinden. Ich würde so sehr dafür kämpfen, dass derjenige weiterkommt. (lacht) Jeder, der mich kennt, weiß, wie ich bin. Ich bin laut und euphorisch und humorvoll und musikalisch.

Gibt es irgendjemanden vom ESC, der Ihr All-Time-Favourite ist?

Es ist schwer, alles auf einen zu reduzieren. Der portugiesische Jazzsänger Salvador Sobral hat mich absolut umgehauen. Måneskin: umgehauen. Wenn mein Musikgeschmack getroffen wird und derjenige weiterkommt, freu ich mich total. Es gab auch schon ein paar Gewinner, die ich nicht verstanden habe, aber das ist manchmal so. Manchmal versteht man auch das Lied nicht. Ich würde aber auch nicht behaupten, dass ich bei Lady Gagas "Pokerface" sofort gesagt habe, dass sie die größte Künstlerin aller Zeiten wird. Aber mir geht’s wie jedem, ich habe zwei Ohren, höre was und denke: Liebe ich? Oder liebe ich nicht? Manchmal ist es auch ein Moment, in dem mich ein Lied erwischt. Diese Momente sind genial.

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Redaktioneller Hinweis

  • "Ich will zum ESC!" läuft ab Donnerstag, 25. Januar, in der ARD Mediathek. Das Finale findet am Donnerstag, 8. Februar, statt - live in der ARD-Mediathek und im NDR. Der deutsche Vorentscheid zum ESC findet am Freitag, 16. Februar, live in Berlin statt und läuft im Ersten, auf ONE, eurovision.de und in der ARD Mediathek.
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