• Benjamin Pavard vom FC Bayern München steht mit Frankreich im Halbfinale der WM, wurde allerdings zum Bankdrücker degradiert.
  • Der frühere französische Nationalspieler Johan Micoud kritisiert die Einstellung von Pavard.
  • Michael Ballack sieht in Pavard ein gutes Beispiel für die Egoismen in der französischen Nationalmannschaft.

Mehr News zur Fußball-WM

Er versuchte, sich seinen Frust nicht anmerken zu lassen. Benjamin Pavard feierte am Samstag nach dem 2:1 gegen England mit der französischen Nationalmannschaft den Einzug in das Halbfinale, jubelte mit den Fans und stürmte durch das von Trainern, Betreuern und Helfern geformte Spalier.

Und doch war dem Verteidiger des FC Bayern München anzusehen, dass seine Freude eher verhalten ist. Kein Wunder: Pavard ist der große Verlierer der ansonsten so erfolgreichen französischen Nationalmannschaft.

Nach einer schwachen Leistung wurde Pavard degradiert

Der 26-Jährige stand lediglich beim Auftaktspiel gegen Australien (4:1) in der Startelf, lieferte allerdings eine ganz schwache Leistung ab und spielt seitdem unter Trainer Didier Deschamps keine Rolle mehr. Jules Kounde vom FC Barcelona hat seine Rolle als Rechtsverteidiger eingenommen. Pavard hingegen kam keine einzige Minute mehr zum Einsatz. Und es ist wahrscheinlich, dass dies in den verbleibenden zwei Spielen dieser WM so bleiben wird.

"Ich habe viele Gespräche mit ihm geführt. Ich gehe nicht ins Detail, aber er war nicht im richtigen Zustand zu spielen. Mental wie körperlich hat ihm das erste Spiel nicht gutgetan", sagte der Trainer nach der Vorrunde.

Bei der Weltmeisterschaft 2018, die Frankreich gewann, zählte Pavard noch zu den unverzichtbaren Leistungsträgern. Sein Treffer gegen Argentinien wurde sogar zum schönsten Tor des Turniers gewählt. Nun erlebt er eine völlig gegensätzliche Weltmeisterschaft.

Micoud kritisiert Pavard scharf: "Verstehe nicht, warum er sich gehen lässt"

Ein Streitpunkt soll die Position sein: Pavard sieht sich offenbar selber als Innenverteidiger, wird aber in der französischen Nationalmannschaft lediglich als Rechtsverteidiger eingesetzt. Der Unmut darüber ist ihm anzusehen. Dies stört nicht nur Trainer Deschamps, sondern auch einige Experten.

"Ich verstehe nicht, warum sich Benjamin dermaßen gehen lässt und seine Schultern nur noch nach unten hängen", kritisiert der frühere französische Nationalspieler Johan Micoud bei "Sport1". "Er ist zu sehr damit beschäftigt, dass er keine Lust mehr hat, rechts zu spielen, sondern er möchte nur noch in der Innenverteidigung agieren. Dadurch ist er unruhig und grübelt zu viel."

Der frühere Spieler von Werder Bremen fordert von Pavard eine andere Einstellung: "Er sollte so schnell wie möglich begreifen, dass er gerade das Privileg hat, bei einer Weltmeisterschaft dabei zu sein und alles geben, um seinem Nationalteam zu helfen, den Titel zu verteidigen und sich dementsprechend in den Dienst der Mannschaft stellen – ohne Wenn und Aber."

Ballack sieht in Pavard ein Beispiel für die Egoismen von Frankreich

Der frühere deutsche Nationalspieler Michael Ballack, der als Experte bei "Magenta TV" fungiert, bezeichnet den Fall Pavard als eine interessante Personalie und lobt einerseits dessen Qualitäten: "Er ist ein Sicherheitsfaktor, nicht nur beim FC Bayern München. Ein sehr zuverlässiger Spieler, der vielleicht nach vorne ein bisschen limitiert ist, wobei er auch schon das eine oder andere wichtige Tor bei einer WM gemacht hat."

Andererseits sei es typisch für Frankreich, dass einige Spieler Egoismen an den Tag legen würden: "Das scheint es hier zu geben. Deschamps hat das elegant gelöst, hat ihn rasiert und auf die Bank gesetzt. Sie haben mit Kounde Ersatz und können ihn Eins-zu-Eins ersetzen."

Dennoch kann sich Ballack vorstellen, dass Pavard noch zum Einsatz kommen wird: "Ich glaube, dass er aufgrund seiner Qualität immer wieder in die Mannschaft zurückkommen kann. Ich glaube, dass Deschamps ihm das auch so kommuniziert hat. Er hat ihm seine Grenzen aufgezeigt, aber ich glaube, er hat die Tür nicht zugemacht."

Pavard sprach über Vereinswechsel, Kahn reagierte prompt

Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Pavard mental total auf das Turnier fokussiert ist oder ob er mehr an seine Zukunftsplanung denkt. Kurz vor Beginn der Weltmeisterschaft sprach er über einen möglichen Abgang vom FC Bayern, bei dem er noch bis Sommer 2024 unter Vertrag steht. "Vielleicht ist es jetzt an der Zeit", hatte er im "L'Equipe"-Interview über einen Vereinswechsel gesagt. "Warum nicht ein neues Land, eine neue Kultur entdecken?"

Vereinsboss Oliver Kahn erteilte dieser Ideen prompt eine Absage. "Bei uns kann keiner seinen Abgang mit Aussagen einleiten, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Das gibt es bei uns nicht", erklärte er im Interview mit "Sky". "Benjamin weiß, was er am FC Bayern hat. Wir wissen auch, was wir an ihm haben. Wir können die Emotionen der Spieler, die mal hoch und mal runter gehen, einordnen und managen."

Es dürfte also Gesprächsbedarf geben, wenn Pavard Anfang Januar nach München zurückkehrt – ob nun als (degradierter) Weltmeister oder nicht.

Verwendete Quellen:

  • Sportbild: Europameister attackiert Pavard
  • Eurosport: Michael Ballck über Fall Benjamin Pavard: "Hat Deschamps elegant gelöst"
  • Sky Sport: Kahn-Klartext in Neuer-Nübel-Debatte: "Haben wir im Grunde gelöst"
Interessiert Sie, wie wir über die WM in Katar berichten? Wir haben unsere Beweggründe in einem Text für Sie zusammengefasst.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.