Natürlich nannte Julian Nagelsmann keine Namen bei seiner doch recht eindeutigen Kritik an Teilen seiner Mannschaft. "Einzelne Spieler hatten nicht die hundertprozentige Überzeugung oder den Willen in den direkten Duellen", sagte Nagelsmann und bemängelte bei der Niederlage gegen die Türkei vom Wochenende zudem die fehlende letzte Konsequenz in entscheidenden Aktionen vor dem eigenen oder dem gegnerischen Tor. Ein paar Hinweise darauf lieferte der Bundestrainer dann doch, wohl eher unfreiwillig.
Nagelsmann redete am Expertentisch von "RTL" mit Moderator Florian König und
Grundsätzlich halte er von beiden "extrem viel, das ist das Allerwichtigste". Aber auch
Matthäus: "Gündogan und Kimmich passen nicht zusammen"
Nagelsmanns Nachfolger beim FC Bayern hat den bemerkenswerten Begriff der "holding six" eingeführt. Ein Spielerprofil, das vornehmlich defensive Aufgaben abdeckt, das positionstreu spielt, sich fast ausschließlich im Zentrum aufhält, immer eher defensiv vorausschauend denkt und handelt, gut bei den sogenannten zweiten Bällen aufräumen kann und eine beachtliche Zweikampfhärte und Widerstandsfähigkeit mitbringt.
Der Kader der deutschen Nationalmannschaft weist so einen Spieler ganz konkret nicht aus, einen klassischen Abräumer also. Mit
"Gündogan und
Abstimmungsprobleme im Zentrum
Mal standen Gündogan und Kimmich – wie von Matthäus erklärt – zu nahe oder auf einer Linie. Dann wieder eine Spur zu breit, um eine echte Verbindung herzustellen. Die Rollenverteilung schien nicht immer klar, was in erster Linie der knapp bemessenen Trainingszeit der Nationalmannschaft geschuldet sein dürfte, aber auch auf das Spielverständnis der beiden zurückgeht.
Beide Spieler sind es aus ihren Klubs, die viel Wert auf einen dominanten Ballbesitzfußball legen, nun mal gewohnt, schon im tiefen Aufbau an den Ball zu kommen. Als erste Anspielstation für den Übergangsbereich, als Initiator des tiefen Balls, als Taktgeber und Metronom des eigenen Ballbesitzspiels.
Gündogan wie Kimmich fordern viele Bälle und das ist auch gut so. Nur: Manchmal ist der beste Ballkontakt oder Pass eben auch jener, der nie gespielt wurde. Dann genügt es schon, mit der eigenen Positionierung Platz zu schaffen für den oder die Mitspieler und stattdessen auf einen möglichen Ballverlust und die Kontersicherung vorbereitet zu sein.
Sind zwei einer zu viel?
Gündogan und Kimmich, das betonte dann auch Nagelsmann noch einmal, können in bestimmten Spielen gegen bestimmte Gegner eine perfekt orchestrierte Waffe im Mittelfeld sein. So lange Spiele in einigermaßen ruhigen Bahnen verlaufen und der Gegner körperlich nicht zu hartnäckig herausfordernd agiert. Und eigentlich haben beide die nötige Qualität, um wilde Spielphasen mit ihrem Fußball auch wieder zu beruhigen.
Die Frage ist nur: Braucht es dafür zwei solche Spieler, deren positive Effekte sich manchmal zu sehr überlagern, während gleichzeitig andere Faktoren damit auf der Strecke bleiben? "Natürlich müssen wir immer auch gucken, was der Gegner uns anbietet und was das Spiel verlangt", sagt Nagelsmann.
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Keine Stammplatzgarantien mehr
Für den Bundestrainer gilt ein gutes halbes Jahr und nur noch wenige Testspiele vor der EM im eigenen Land mehr denn je die Maxime, dass es keine Startplatzgarantien in seiner Mannschaft mehr geben kann. Das fängt im Tor an mit dem Zweikampf zwischen Manuel Neuer und Marc-Andre ter Stegen, macht in der Innenverteidigung vor dem zuletzt zappeligen Antonio Rüdiger nicht Halt und setzt sich nun im defensiven Mittelfeld fort.
Bei der Amerika-Reise vor fünf Wochen hatte es der Bundestrainer mit Pascal Groß oder eben Goretzka neben Gündogan versucht und damit mehr defensive Stabilität erreicht. Seinen Kapitän und Anführer aus der Mannschaft zu nehmen, ist schwer vorstellbar. Vielmehr wird sich wohl eher Kimmich noch mehr zeigen müssen in den kommenden Spielen.
"Das ist niemals despektierlich irgendeinem Spieler gegenüber, aber ich habe immer gesagt: Es ist keiner gesetzt. Jeder ist eingeladen, sein Bestes zu geben und demnach stelle ich auf", so Nagelsmann. "Einem Spieler einen Freifahrtschein zu geben, da sehe ich die Sinnhaftigkeit nicht dahinter. Jeder muss sich zerreißen und dann müssen wir schauen, dass es passend zum Gegner gut funktioniert. Und dann werden wir hoffentlich auch die richtige Entscheidung treffen."
Eine Abkehr des Bundestrainers von der bevorzugten Grundordnung mit zwei Zehnern in den Halbspuren, Florian Wirt und Jamal Musiala, ist aktuell kaum denkbar und damit auch kein Platz für einen etwas tiefer postierten Achter.
Die Lösung könnte deshalb so aussehen, dass sich Kimmich auf der rechten Seite in der Abwehr einreiht. Auf einer Position also, die etwas entfernt ist von seiner Lieblingsposition – auf der er der Mannschaft aber vielleicht sogar eine Spur nützlicher sein kann.
Verwendete Quellen
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