Rodri gewinnt den Ballon d'Or 2024, und das keineswegs unverdient. Warum der Spanier ein auffällig unauffälliger Preisträger ist.

Ein Porträt
Dieser Text enthält neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Michael Schleicher sowie ggf. von Expertinnen oder Experten. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es kommt eher selten vor, dass nicht ein Offensivspieler den Ballon d'Or gewinnt. Es scheint fast so, als wären viele Tore, temporeiche Dribblings und eine spektakuläre Spielweise ausschlaggebende Kriterien für die Vergabe des goldenen Balls.

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Eine Ausnahme in den vergangenen Jahren war hier lediglich Luka Modric. Der kroatische Altmeister im zentralen Mittelfeld von Real Madrid sicherte sich die begehrte Einzeltrophäe vor sechs Jahren. Ansonsten machten seit 2008 fast ausschließlich die Offensiv-Stars Lionel Messi und Cristiano Ronaldo den Preis unter sich aus.

Ballon d'Or: Ein erfrischend anderer Preisträger

Auch deshalb markiert 2024 ein besonderes Jahr: Denn am vergangenen Montagabend sicherte sich mit Spaniens Rodri ein defensiver Mittelfeldspieler den Ballon d'Or. Weil schon Stunden im Voraus die Nachricht durchsickerte, dass sein ärgster Konkurrent, Reals Angriffs-Star Vinicius Junior, leer ausgehen würde, verhielt sich die gesamte Delegation der "Königlichen" wenig königlich und boykottierte die Veranstaltung in Paris kurzerhand komplett.

Die Ehrung von Rodri als bester Spieler des Jahres zeigt, dass Pep Guardiola, Rodris Trainer bei Manchester City, bereits vor über dreieinhalb Jahren recht hatte, als er auf einer Pressekonferenz sagte: "Die besten defensiven Mittelfeldspieler erscheinen nicht auf den Titelseiten der Zeitungen. Sie verstecken sich hinter dem Team, aber wenn die Mannschaft gut spielt, liegt es daran, dass sie hervorragend sind."

Rodri wurde 2024 Europameister und Premier-League-Sieger

In der Tat, Rodri spielt seit Jahren hervorragend, ja fast schon auffällig unauffällig. 2024 dürfte der bisherige Höhepunkt seiner erfolgreichen Karriere sein. Die spanische Passmaschine feierte große Erfolge – sowohl mit seinem Klub als auch der Nationalmannschaft. Mit Manchester City wurde der 28-Jährige englischer Meister, mit Spanien gewann er die Europameisterschaft in Deutschland. Rodri, der aktuell beste Sechser der Welt, spielte dabei jeweils eine entscheidende Rolle.

Was denken Sie? Haben Sie Verständnis dafür, dass Real Madrid die Preisverleihung des Ballon d'Or boykottierte? Oder finden Sie dieses Verhalten unsportlich?

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Denn der Spanier ist der wohl kompletteste Spieler, den es gibt. Er besticht nicht nur durch seine enorme Passgenauigkeit und Zweikampfstärke, sondern schaltet sich auch immer wieder ins Offensivspiel ein. In der abgelaufenen Meister-Saison in der Premier League war er in 34 Spielen achtmal selbst erfolgreich, neun weitere Treffer legte er auf. Famose Werte für einen hauptsächlich defensiv agierenden Mittelfeldspieler.

Rodri, das heimliche Herz jeder Mannschaft

Weder in der Nationalmannschaft noch im Verein ist Rodri Kapitän, dafür kann er jedoch zweifellos als heimliches Herz seiner Mannschaften bezeichnet werden. Ohne Rodri läuft nicht viel zusammen, das zeigt vor allem der Blick auf die vergangene Premier-League-Saison: Nur drei der 38 Spiele verloren die "Citizens", in allen drei fehlte Rodri gesperrt.

Für Guardiola gehört sein Landsmann zu den wichtigsten Spielern im Star-Ensemble. Rodri ordnet das Spiel, sorgt mit klugen Pässen für die Spieleröffnung und ist im Spiel gegen den Ball der Abräumer vor der Abwehrkette. Diese Qualitäten ließ Rodri bereits in seiner Zeit bei Villarreal und Atlético Madrid immer wieder aufblitzen – seit seinem Wechsel zu Manchester City 2019 entwickelte sich der 28-Jährige aber stetig weiter und bewies sich dabei auch auf allerhöchstem Niveau.

Passmaschine und Ballmagnet Rodri

In seinem bislang besten Profi-Jahr kann Rodri echte Fabel-Zahlen vorweisen: In der Premier League hatte er mit 3.633 mit Abstand die meisten Pässe gespielt, auch bei den Ballberührungen lag er mit 4.116 mit großem Vorsprung an der Spitze. Zahlen, die eindrücklich zeigen, welch wichtige Säule der Spanier im Spiel von City ist.

Auch bei der EM glänzte Rodri: Rund 93 Prozent angekommene Pässe, 499 Ballkontakte und eine Laufleistung von insgesamt 68,5 Kilometern in sechs Spielen (das letzte Gruppenspiel verpasste er gelbgesperrt) sprechen für sich. Entsprechend wurde der Spanier nach dem Titelgewinn zusätzlich als "Spieler des Turniers" ausgezeichnet.

Ein Anführer – auf und neben dem Platz

Rodri, der von Haus aus immer mit Trikot in der Hose aufläuft, stellt mit seinem Auftreten einen angenehmen Gegenpol zum mittlerweile gängigen Typus des Profifußballers dar. Der Spanier braucht keine extravaganten Klamotten oder großen Autos, auch Skandale oder sonstige Fehltritte sucht man beim 28-Jährigen vergebens.

Stattdessen sorgte Rodri zuletzt vielmehr für Schlagzeilen, als er sich über die immer höher werdende Belastung der Profis beklagte – und die Verbände für den vollgestopften Terminkalender kritisierte. Hier geht Rodri voran, setzt sich für seine Kollegen ein – ein Anführer, auf und neben dem Platz.

Nach Kreuzbandriss: Rodri mit Krücken bei Ballon-d'Or-Gala

So hervorragend die abgelaufene Spielzeit für den Spanier lief, so tragisch begann die neue für ihn: Am 22. September, bereits am fünften Spieltag, verletzte sich der 28-Jährige schwer und zog sich einen Kreuzbandriss zu. Bei der Preisverleihung des Ballon d'Or im Théâtre du Châtelet von Paris war er auf Krücken unterwegs. Ein Bild, das deutlich macht, wie wichtig es Rodri war, persönlich anwesend zu sein – im Gegensatz zur eingeschnappten Real-Delegation.

Rodri auf Krücken bei der Gala in Paris.
Rodri auf Krücken bei der Gala in Paris. © IMAGO/NurPhoto/Jose Breton

Ex-DFB-Kapitän Ilkay Gündogan sah in Rodri, mit dem er gemeinsam für Manchester City aufläuft, einen "verdienten" Sieger, der "ab heute endlich nicht mehr 'unterschätzt' ist". Rodri selbst sagte über die Abwesenheit Reals: "Sie haben ihre Entscheidung getroffen, sie wollten daher nicht hier sein. Ich konzentriere mich nur auf meinen Klub und meine Teamkollegen."

"Er ist unglaublich, er kann wirklich alles machen."

Pep Guardiola im Februar 2024 über Rodri

Vielleicht gewann der Spanier auch deshalb die Wahl um den goldenen Ball. Jeweils ein Journalist aus den Top-100-Ländern der Fifa-Weltrangliste durfte abstimmen, zu den Bewertungskriterien gehören bei der Wahl zusätzlich zu den sportlichen Leistungen auch der Sportsgeist. Rodri gilt als Teamplayer ohne Allüren. Anders als seine größten Konkurrenten in diesem Jahr, Vinicius Junior und dessen Real-Kollegen Jude Bellingham.

Sowohl in der Nationalmannschaft als auch im Verein ist Rodri der verlängerte Arm des Trainers auf dem Platz. Mit seinem Landsmann Guardiola pflegt der 28-Jährige ein gutes Verhältnis. Und fast macht es den Anschein, als könnte Mastermind Guardiola in die Zukunft blicken. Im Februar 2024 bezeichnete er Rodri als "mit Abstand besten Mittelfeldspieler der Welt. Er ist unglaublich, er kann wirklich alles machen." Und wenn ein Fußball-Kenner wie Guardiola das sagt, muss es ja wohl stimmen, oder?

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