Weil Vinícius Júnior nicht Weltfußballer wurde, boykottierte Real Madrid den Festakt in Paris. Das lenkt die Diskussion in die falsche Richtung.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Pit Gottschalk dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Man kann die Berufung von Rodri zum besten Fußballer der Welt und seine Ehrung mit dem Ballon d'Or kritisieren. Die Auswahl der Journalisten, die jedes Jahr aufs Neue ihre Stimme abgeben dürfen, ist ein Witz. Bei der Abstimmung werden Leute gefragt, die Pressing als Geburtshilfe verstehen. Darum hier in aller Deutlichkeit: Es gab 2024 bessere Spieler als Rodri von Manchester City.

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Das Fehlurteil der seit Jahren umstrittenen und angeblichen Fachjury gibt Real Madrid trotzdem nicht das Recht auf einen Boykott, wie ihn die Fußballfamilie noch nie erlebt hat. Aus Protest, dass nicht Vinícius Júnior oder sonst ein Real-Profi gewählt wurde, blieb die komplette Delegation des Champions-League-Siegers einfach den Feierlichkeiten in Paris fern. Der startbereite Flieger wurde storniert.

Verhalten von Real Madrid ist "unverschämt, respektlos und kindisch"

Das ist unverschämt, respektlos und kindisch. Es gehört zu den Tugenden des Fußballs, dass man Niederlagen mit Größe wegsteckt – im Amateurbereich wie bei der Vergabe des Ballon d'Or. Ja, manche Niederlagen sind ungerecht und tun weh – wie so manche Real-Siege in Europacup-Endspielen. Aber ist der FC Liverpool deswegen 2018 und 2022 aus dem Stadion gerannt und hat nicht gratuliert?

Von Vinícius Júnior, dem Flegel im Real-Trikot, haben wir die Kleingeistigkeit erwartet. Nicht aber von Trainer Carlo Ancelotti, dem wir bisher Großmut und Weitsicht unterstellt haben. Er zeigt hier falsche Solidarität mit Vinícius Júnior. Die Botschaft ist doch jetzt: Wenn Ihr den Königlichen nicht gebt, was die Königlichen beanspruchen, dann dürft Ihr auch nicht in ihrem Glanz stehen! Ist das Fußball?

Uns interessiert Ihre Meinung! Finden Sie das Verhalten Real Madrids, wie unser Kolumnist, ebenfalls "unverschämt, respektlos und kindisch"? Oder haben Sie Verständnis für den Boykott?

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Was ist dieser Ballon d'Or überhaupt wert?

Schlimmer ist doch, dass ihre Abwesenheit von der Diskussion ablenkt, was dieser Ballon d'Or überhaupt wert ist. Offenbar so viel, dass Real Madrid eingeschnappt ist, wenn der Verein die gewünschte Trophäe nicht erhält. Das wertet den Ballon d'Or ungehörig auf und zählt als Eigentor von Real Madrid: Man erreicht genau das Gegenteil von dem, was man wollte.

Was nämlich klar geworden ist: Die Auszeichnung als Weltfußballer des Jahres bedarf einer Reform. Es reicht nicht, dass die Fifa ihrerseits denselben Titel zum Jahreswechsel an eine Fußballpersönlichkeit vergibt. Auch dort gibt es Kritik am Vergabemodus. (Man würde am liebsten immer Messi wählen.) Ist es so schwer, einfach den besten Spieler des Jahres auszuzeichnen – und alle applaudieren?

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