Joshua Kimmich schlüpft beim FC Bayern München immer mehr in die Rolle des Leaders, sein Wert für die Mannschaft ist aktuell größer denn je. Für die Zukunft der Bayern, der Nationalmannschaft und des Spielers sind das rosige Aussichten.

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Erstaunlich viele Menschen machen sich erstaunlich wenige Gedanken, bevor sie ihre Worte wählen. Wer schon einmal Teil einer Stammtischrunde war, weiß davon zu berichten. Am Dienstagabend hat sich Stefan Effenberg in der "Sport1"-Sendung "Fantalk" daran versucht, dem Bayern-Spieler Joshua Kimmich ein dickes Kompliment zukommen zu lassen.

Beim "Fantalk" sitzen mehrere Gäste in einer Runde, drumherum in Nicht-Corona-Zeiten ein bisschen Publikum und alle schauen auf ein paar Monitore, weil dort die Spiele der Champions League laufen. Der TV-Zuschauer sieht davon nichts, weil der Sender die Rechte dafür nicht hält. Er bekommt aber einiges zu hören, streng genommen sogar alles, was die Protagonisten zum Treiben auf den Bildschirmen so zu sagen haben.

Effenberg lobt Kimmich in den höchsten Tönen

Effenberg, seit dem Gewinn der Königsklasse mit dem FC Bayern vor fast 20 Jahren eine sogenannte Ikone des Klubs, hatte etwas zu Kimmich zu sagen. Der habe "eine extrem tolle Entwicklung genommen und ist zum Anführer gereift. Er fühlt sich pudelwohl in der zentralen Rolle und ist enorm wichtig, nicht nur für Bayern München, sondern auch für die Nationalmannschaft", sagte Effenberg bei Sport1 und es klang wie ein aufrichtiges Lob für den derzeit vielleicht besten deutschen Fußballspieler.

Weil in Talkformaten wie diesen die Selbstreferenz ehemaliger Spieler zum Drehbuch gehört, führte Effenberg weiter aus: "Was ich auch mag, sind seine Interviews. Das sind nicht diese, in Anführungszeichen, geleckten Interviews. Sondern er gibt auch mal Kontra und steht auch dazu, kippt nicht um. Der gehört eigentlich in unsere Generation. Oder, Mario?"

Mario, das war Mario Basler und der nickte zustimmend: "Ja, wir hätten ihn gut aufgenommen bei uns." Und im Subtext schwang mit: Aufgenommen in unserer coolen Gang damals, die mit den echten Kerlen, die sich nicht die Schnauze haben verbieten lassen. Weil früher ja alles besser war, die Typen viel geiler und selbstverständlich auch erfolgreicher waren. Aber das ist natürlich Quatsch.

Anführer der neuen Generation

Joshua Kimmich ist 25 Jahre alt, im besten Fußballeralter, wie man immer so schön sagt. Wenn es gut läuft, spielt Kimmich noch zehn Jahre auf höchstem Niveau. Die Liste seiner Erfolge ist aber in vergleichsweise jungen Jahren schon so außergewöhnlich, dass sie jene von zum Beispiel Effenberg und Basler locker in den Schatten stellt. Kimmich hat fünfmal die Deutsche Meisterschaft errungen, dreimal den DFB-Pokal. Vor wenigen Wochen ist er mit dem FC Bayern Champions-League-Sieger geworden, in der Nationalmannschaft steht er bei 50 Einsätzen. Man muss kein Mathematiker sein um zu erahnen, dass Kimmich das Potenzial besitzt, in ein paar Jahren Lothar Matthäus als Rekordnationalspieler abzulösen.

Der Status quo und die Aussicht auf das, was kommen könnte, machen Kimmich zum legitimen Anführer des FC Bayern. Er ist die Speerspitze jener Generation, die Manuel Neuer, Jerome Boateng, Thomas Müller, Javi Martinez und Robert Lewandowski schon bald wird ablösen müssen. Oder besser: Die schon längst dabei ist, in ihre neue, verantwortungsvollere Rolle zu wachsen.

Kimmich rettet den FC Bayern am Dienstag

Kimmich hat unlängst die letzte Meisterschaft der Bayern vorentschieden mit einem frechen Lupfer in der zum Titelendspiel hochgejazzten Partie gegen Borussia Dortmund. Er war Vorbereiter des goldenen Tores im Champions-League-Finale gegen Paris, hat den deutschen Supercup mit einem Tor entschieden, über das sich die Gelehrten bis heute streiten: purer Zufall oder eine Demonstration des totalen Willens?

Am Dienstag, und das führte letztlich auch zu Effenbergs Eloge, ersparte Kimmich den Bayern nach einem eher schwachen Spiel in Moskau einige unschöne Diskussionen. Weil er den Ball in einer für seine Mannschaft sehr heiklen Phase mit einigen Torchancen für den Gegner einfach in dessen Tor drosch. Das ist nämlich auch der FC Bayern, auch wenn man das in Folge der ungeheuren Dominanz der Mannschaft derzeit immer mal wieder vergisst: Diese Endgültigkeit, mit der gegnerische Mannschaften konfrontiert werden, ist bisweilen brutal.

Fehler erkennen und eingestehen

Kimmichs Tor beendete den Aufstand von Lok Moskau, es war ein Tor der Bayern-DNA, wie man sie seit Jahrzehnten kennt. Selbst wenn der Gegner ranschnuppern darf, ist da im Zweifel doch wieder einer von den anderen, der alle Hoffnungen zerstört. Und Kimmich tut sich in der Rolle des Killers immer öfter hervor.

In der Offensive lassen sich die Heldentaten leicht messen, mit Toren, Vorlagen, dem gerne vernachlässigten vorletzten Pass vor einem Tor. In der Defensive ist das schon etwas schwieriger. Aber wer genau hinsieht, der erwischt immer wieder Kimmich, wie er einen Pass in die Tiefe verstellt oder im letzten Moment eine gefährliche Flanke entschärft.

Der Weg der ganz Großen: Kimmichs Niveau wächst immer weiter

Spätestens seit der nachhaltigen Versetzung weg von der rechten Außenbahn und hinein ins Zentrum des Spiels nimmt die Leistungs- und Lernkurve von Kimmich einen stetig nach oben gerichteten Verlauf. Was umso beeindruckender ist, weil der Spieler ja zuvor schon auf einem unglaublich hohen Niveau unterwegs war, dieses aber seit einigen Monaten immer noch weiter nach oben schraubt. Das ist der Weg der ganz Großen, die nimmermüde werden sich zu verbessern und zu lernen.

Nach dem Spiel in Moskau, das Kimmich mit einem Schuss aus 22, 23 Metern entschieden hat, erzählte er am DAZN-Mikrofon nochmals die Geschichte aus seiner Jugend, als er zu schwächlich war für Schüsse aus der sogenannten zweiten Reihe. Daran habe er gearbeitet, das Resultat ist nun zu sehen. Ein paar Minuten vor seinem Tor hat Kimmich einen Treffer aus vier Metern verpasst, schoss einen Gegner kurz vor der Linie an. "Das war schon peinlich, dass ich den nicht gemacht habe."

Hervorragendes Gesamtpaket

Allein die Tatsache, dass er einen Fauxpas wie diesen ungefragt noch einmal auf die Tagesordnung setzt, spricht für den Spieler. Das ist souverän genug, auch mal einen Fehler einzugestehen und selbstbewusst genug anzudeuten, dass dies in Zukunft in der Form nicht mehr vorkommen wird. Aus diesem Stoff sind große Spieler gemacht, auch diejenigen, die grundsätzlich nicht mit dem größten Talent gesegnet waren. Cristiano Ronaldo etwa hat sich seine Karriere eher erarbeiten müssen als Leo Messi. Lothar Matthäus war ein überdurchschnittlich guter, aber kein brillanter Fußballspieler und oft genug Gegner des mit Talent überschütteten Diego Maradona. Matthäus hat es trotzdem zum Welt- und Europameister und zum Weltfußballer gebracht.

Kimmich kennt keine Pause

Kimmich hat alles zusammen, Talent und Ehrgeiz, Wille und Entschlossenheit und den unbedingten Drang, immer noch besser zu werden. Das wirkt bisweilen immer noch eine Spur zu verbissen, letztlich geben die Erfolge Kimmich aber recht. Es steht nicht zu befürchten, dass es sich Kimmich fortan in der Hängematte gemütlich machen wird wie Mario Basler oft genug in seiner aktiven Karriere. Und auch die ersten Monate nach dem größten Erfolg verlaufen anders als jene von Stefan Effenberg - wobei man sagen muss, dass Effenberg beim Champions-League-Triumph damals auch schon 32 Jahre alt war.

Joshua Kimmich macht einfach weiter, es gilt ja auch noch, ein paar Ziele zu erreichen. Und so lange es Ziele gibt, wird einer wie Kimmich wohl nicht ruhen.

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