Das ZDF hat nicht so geglänzt wie die deutsche Nationalmannschaft, aber einen ordentlichen Start in die EM hingelegt. Leider musste Christoph Kramer sein Bauchgefühl kundtun. Eine TV-Kritik.

Eine Kritik
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Leider haben sich die deutschen Titelträume früh erledigt. Streng genommen bereits 90 Minuten vor Anpfiff des Eröffnungsspiels. Da ist es dann auch egal, dass es für die deutsche Nationalmannschaft gegen Schottland zum Auftakt des Heim-Turniers ein berauschendes 5:1 gab. Das Thema ist durch. Erledigt, abgehakt, weil ZDF-Experte Christoph Kramer unbedingt sein Bauchgefühl mit der Fußball-Nation teilen musste.

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"Ich bin total positiv, ich bin immer positiv, aber irgendwie habe ich ein richtig gutes Gefühl für das Turnier. Die Form ist gut, mir gefällt die Spielanlage gut, das Spielermaterial gibt sehr viel her. Ich erwarte viel", sagte Kramer zu Beginn der ZDF-Übertragung am Freitagabend. Zu dem Zeitpunkt hätte man das Ganze aus deutscher Sicht auch abblasen können. Denn so ein positives Gefühl hatte Kramer auch vor den letzten drei Turnieren als ZDF-Experte. Die Ergebnisse sind bekannt: 2018 in Russland folgte das Vorrundenaus, bei der EM 2021 war Endstation im Achtelfinale, 2022 in Katar dann wieder in der Vorrunde. Moderator Jochen Breyer hatte seinen Spaß daran, Kramer dessen wenig ausgereiften hellseherischen Fähigkeiten unter die Nase zu reiben. Ein schlechtes Omen?

Starkes Trio im Stadion

Nicht unbedingt, vielmehr ist es eine Episode, die zeigt: Auch das ZDF erwischte mit der Übertragung des Eröffnungsspiels einen guten Start in das Turnier. Nicht ganz so euphorisierend-schwungvoll wie das DFB-Team, doch der kurzweilige "Dreier" mit Breyer, Kramer und Per Mertesacker aus dem Münchner Stadion hielt, was er in der Regel verspricht und schon in der Vergangenheit oft verlässlich lieferte: Unterhaltung, Tiefgang, Expertise, Humor.

So plauderte Mertesacker unumwunden aus dem Nähkästchen, dass ihm vor dem WM-Eröffnungsspiel 2006 "der Stift" ging, "ich hatte die Hosen voll". Wie man damit umgeht? "Mit Anpfiff bist du im Tunnel, da löst sich das auf". Interessante Vorstellung. Die mentalen Einblicke verkürzen jedenfalls die Wartezeit bis zum Anstoß ebenso wie andere Hintergründe, die die beiden Weltmeister von 2014 als Ex-Spieler immer noch authentisch und interessant einstreuen können. Und nicht immer nur bei trockener Taktik, sondern auch durch ein unterhaltsames "Psychogramm", wie es im Kopf der Nationalspieler am Abend des Eröffnungsspiels wohl aussieht. Gut waren da auch Breyers Fragen an Bundestrainer Julian Nagelsmann nach dessen Psyche, nach der Gefühlswelt vor dem Start.

Kramer in Frühform

Kramer war sowieso in Turnier-Frühform, erklärte nonchalant, was es dem Gegner bringt, zu wissen, wie die deutsche Mannschaft spielt: nicht viel. Er habe auch jahrelang gewusst, wie die Dribblings von Arjen Robben aussahen. Der Niederländer kam trotzdem regelmäßig am Gladbacher vorbei. Der kann aber auch pointiert: Bei aller Lobhudelei ordnete er nach dem Spiel aber auch sachlich-nüchtern ein, dass die Schotten den Deutschen durch Passivität und einem komplett misslungenen Matchplan ein wie gemaltes Eröffnungsspiel ermöglicht hatten.

Die Leichtigkeit machte es wiederum Kommentator Oliver Schmidt einfach, und er nahm die spielerische Steilvorlage dankend auf: Der 50-Jährige manövrierte die Zuschauer souverän, unterhaltsam und gut vorbereitet durch das Spiel, bekam den bei ihm nicht ganz ungefährlichen Ritt zwischen seriös, analytisch, aber auch laut und emotional gut hin, hielt phonetische Übertreibungen auf einem gesunden Niveau.

Er war zudem auf der Höhe, brachte zum Beispiel die beiden heißen Strafraum-Szenen in der ersten Halbzeit schnell auf den Punkt, flotter sogar als der VAR. Und über eigene Versprecher schwieg er nicht hinweg, sondern nahm sich selbst auf die Schippe, als er einem Schotten ein "Mc" zu viel andichtete und das mit zu vielen Gedanken an "Braveheart" begründete. Schmidt funktioniert alleine, trotzdem würde ein passender Co-Kommentator einen Mehrwert für die Zuschauer bieten.

Blasse "Home Base"

Schade eigentlich: Blass blieb die "Home Base" des ZDF in Berlin, wo sich Katrin Müller-Hohenstein und Laura Freigang meldeten. Die Nationalspielerin feierte ihr Debüt als TV-Expertin und machte ihre Sache sehr ordentlich. Doch beide floskelten sich oft ein wenig zu sehr durch die Vorberichterstattung, was schade ist, weil Freigang normalerweise unterhaltsam und schlagfertig ist. Das konnte sie jedoch nur andeuten.

Müller-Hohensteins Socken mit Bart Simpson auf einem Skateboard waren so gesehen der Höhepunkt, weil sie nicht nur ein echter Hingucker, sondern auch ein Hit im Netz waren. Doch unter dem Strich wurde hier viel Potenzial verschenkt. Auch nach dem Spiel blieb das Gespräch der beiden oberflächlich und die XXL-Analyse geriet insgesamt zu langatmig.

Der Kreis schließt sich

Nach dem Spiel schloss sich allerdings der Kreis. Denn da verriet Breyer, dass Kramer zehn Sekunden nach Anpfiff prognostiziert hatte: "3:0 zur Halbzeit". Das 3:0 genau zu treffen sei Glück gewesen, sagte Kramer: "Aber bei uns wird es bei diesem Turnier nur darauf ankommen, ob uns ein Gegner spielen lässt oder nicht. Läuft er uns hoch eins gegen eins an, haben wir Probleme. Tut er das nicht, haben wir keine Probleme."

Das hat das Spiel gegen Schottland eindrucksvoll belegt. Was zu einer weiteren Erkenntnis führt: Kramers Bauchgefühl ist diesmal vielleicht doch kein so schlechtes Omen.

Quelle:

  • TV-Übertragung ZDF
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